Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich zum 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und die weiteren – in den Nummern 1 bis 6 bezeichneten – Voraussetzungen erfüllt sind. Unter anderem darf der Ausländer nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied solche Straftaten begangen, führt dies nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis für andere Familienmitglieder. Dies gilt nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht für den Ehegatten des Ausländers, der die Straftaten begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nach § 104b AufenthG kann einem am 1. Juli 2007 mindestens vierzehn Jahre alten minderjährigen ledigen Kind im Fall der Ausreise seiner Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils, denen oder dem eine Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 104a AufenthG erteilt oder verlängert wird, unter bestimmten Voraussetzungen eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte diese Regelung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt1, das Bundesverfassungsgericht hat diese Richtervorlage nun jedoch als unzulässig zurück gewiesen.
Das Bundesverfassungsgericht sieht den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg als unzureichend begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG deshalb für verfassungswidrig hält, weil eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung volljähriger Kinder, die mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber solchen, die die häusliche Gemeinschaft bereits verlassen haben, vorliege. Die Zurechnung der Verurteilung eines volljährigen Kindes zulasten der Eltern und minderjähriger Geschwister oder umgekehrt einer Verurteilung der Eltern oder minderjähriger Geschwister zulasten eines volljährigen Kindes steht im konkreten Fall, in dem der Ehemann und Vater verurteilt worden ist und beide Kinder noch minderjährig sind, nicht im Raum. Ebenso wenig ist die Vergleichsgruppe betroffen, in der Ehegatten, deren Kind straffällig geworden ist, Ledigen mit gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern gegenübergestellt werden. Schließlich fehlt es an der Darlegung der entscheidungserheblichen Verfassungswidrigkeit, soweit im Vorlagebeschluss die durch Art. 6 Abs. 1 GG spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten, die keine Kinder haben, als verletzt angesehen wird.
Der Grundsatz der Normerhaltung2 gebietet es, die Nichtigerklärung eines Gesetzes auf dessen verfassungswidrigen Teil zu beschränken. Dies bedeutet nicht nur, dass einzelne nichtige Vorschriften die Nichtigkeit weiterer Bestimmungen des Gesetzes nur ausnahmsweise nach sich ziehen, wenn sie mit diesen eine untrennbare Einheit bilden, die lediglich um den Preis von Sinnverlust, Rechtfertigungswegfall oder Verfälschung der gesetzgeberischen Intention in ihre Bestandteile zerlegt werden könnte3. Auch eine Rechtsnorm, deren Wortlaut mehrere inhaltlich abgrenzbare, textlich aber nicht isolierbare Regelungen umfasst, erklärt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur hinsichtlich des verfassungswidrigen Norminhalts für nichtig, ohne dabei den Normtext zu verändern4. Wie die verschiedenen im Vorlagebeschluss gebildeten Vergleichsgruppen zeigen, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass es sich bei § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG um eine solche Rechtsnorm handelt. Um aufzuzeigen, dass Grundrechtsverletzungen in Bezug auf Vergleichsgruppen, denen die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht angehören, die Bestimmung gänzlich unanwendbar machen, hätte der Verwaltungsgerichtshof deshalb darlegen müssen, dass und warum eine auf einzelne Fallkonstellationen beschränkte Teilnichtigerklärung nicht in Frage kommt, etwa weil kein sinnvoller oder mit der gesetzgeberischen Intention zu vereinbarender Anwendungsrest verbliebe5. Der Vorlagebeschluss äußert sich hierzu nicht.
Auch die Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs, Ehegatten würden unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber eingetragenen Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes ungleich behandelt, beruht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf einer unzureichenden Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung.
Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung hat das vorlegende Gericht das vorrangige Gebot der verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen. Kann es im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, so hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen6. Allerdings darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht im Wege der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden7. Voraussetzung einer hinreichenden Überzeugungsbildung im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG ist mithin, dass das vorlegende Gericht zunächst versucht hat, die betroffene Gesetzesvorschrift verfassungskonform auszulegen, dies aber nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist8.
Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach eingetragene Lebenspartner trotz der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 1 LPartG nicht als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG angesehen werden können, verfehlen, so das Bundesverfassungsgericht, diese Anforderungen. Nach § 11 Abs. 1 LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht eine solche andere Bestimmung in § 27 Abs. 2 AufenthG. Aus der darin angeordneten Anwendung bestimmter Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft folgert er, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern in den sonstigen Bereichen, so auch im Kontext des § 104a AufenthG, nicht stattfinde; andernfalls hätte es mit Rücksicht auf die in § 11 Abs. 1 LPartG getroffene generelle Gleichstellung der Regelung des § 27 Abs. 2 AufenthG nicht bedurft. Dass keine umfassende Gleichstellung gewollt gewesen sei, entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers.
Mit diesem Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht hinreichend dargelegt, dass eine verfassungskonforme Auslegung von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG dahingehend, dass Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne der Vorschrift zu behandeln sind, nicht möglich ist. Einer solchen Auslegung stehen weder der Wortlaut des Gesetzes noch ein eindeutig anderslautender Wille des Gesetzgebers entgegen. Dem Verwaltungsgerichtshof ist zwar zuzugeben, dass die dem Regierungsentwurf beigegebene Begründung Lebenspartnerschaften als von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht erfasst angesehen hat; Straftaten des anderen Lebenspartners im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG sind danach im Rahmen der Soll-Regelung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelmäßig zu berücksichtigen9. Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass jede andere Auslegung dem gesetzgeberischen Willen zuwider liefe. Die Begründung des Regierungsentwurfs lässt vielmehr die Absicht erkennen, die Regelung für die Lebenspartnerschaft an diejenige der ehelichen Lebensgemeinschaft anzugleichen. Dass die Möglichkeit nicht gesehen wurde, die beabsichtigte Angleichung bereits dadurch zu erreichen, dass Lebenspartner nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG behandelt werden, bedeutet nicht, dass eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers widerspräche.
Der Anwendung von § 11 Abs. 1 LPartG im Rahmen des § 104a AufenthG steht nicht zwingend entgegen, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anordnet, bestimmte Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft entsprechend anzuwenden. Der Vorlagebeschluss zieht bei seiner Deutung, damit werde eine generelle Gleichstellung von Lebenspartnern ausgeschlossen, nicht in Betracht, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anders gedeutet werden kann und wird.
Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes bedarf es der Anordnung in § 27 Abs. 2 AufenthG, weil § 27 Abs. 1 AufenthG als Grundnorm für den Familiennachzug bestimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert wird. Da der Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zugute kommt (vgl. BVerfGE 105, 313 <345 f.>), begründete demnach allein die Anordnung, dass ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Partners gilt, keine Ansprüche des Lebenspartners aus den §§ 27 bis 31 AufenthG. § 9 Abs. 3 AufenthG muss auf lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften für entsprechend anwendbar erklärt werden, weil die Vorschrift in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, betrifft. Gleiches gilt für § 9c Satz 2 und § 51 Abs. 2 AufenthG. In keinem der in § 27 Abs. 2 AufenthG angesprochenen Fälle geht es also darum, ob Lebenspartner Familienangehörige im Sinne des Aufenthaltrechts sind.
Es liegt daher nicht fern, § 27 Abs. 2 AufenthG lediglich den dargestellten engen Regelungsgehalt zu entnehmen, so dass die Vorschrift nicht ausschließt, Lebenspartner in anderen aufenthaltsrechtlichen Zusammenhängen als Familienangehörige zu behandeln. Dieses Verständnis von § 27 Abs. 2 AufenthG findet sich auch im Schrifttum10 und wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung vertreten11. In dessen Konsequenz wären Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG anzusehen, so dass sich die aufgeworfenen Fragen der Gleichbehandlung insoweit nicht stellten. Dem Verwaltungsgerichtshof hätte deshalb eine Auseinandersetzung mit dieser Norminterpretation oblegen.
Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines Verfassungsverstoßes sind auch insoweit unzureichend, als er eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Schlechterstellung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften für gegeben hält. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die ungerechtfertigte Benachteiligung von Ehe und Familie dadurch zu verdeutlichen sucht, dass er das Vorhandensein von Kindern als einen die Diskriminierung verstärkenden Umstand hervorhebt, vermag die Kammer die Erwägungen nicht nachzuvollziehen. Für die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Fallgestaltung kommt es entscheidend allein auf den Umstand der Verheiratung an, weil die einen Aufenthaltstitel ausschließende Straftat vom Ehemann und Vater begangen worden ist.
Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der es verbietet, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind12. Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft kann zwar zum Anknüpfungspunkt (wirtschaftlicher) Rechtsfolgen genommen werden. Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben13. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme die Ehe nicht diskriminieren14.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hält es für offensichtlich, dass Verheiratete gemäß § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in unzulässiger Weise schlechter als in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Paare behandelt werden. Auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten allgemeinen Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten im Verhältnis zu Ledigen geht er nicht ein.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach ausgesprochen, dass eine Regelung, die Verheiratete anders als Ledige behandelt, mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei, soweit sie ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation von Ehegatten hat und deren Berücksichtigung gerade in dem konkreten Sachverhalt den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht15. Eine Schlechterstellung von Ehegatten sei insbesondere hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder „ehe-neutral“ auswirkt16. Dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hätte oblegen, die Frage der Rechtfertigung der angenommenen Ungleichbehandlung anhand dieser Maßstäbe zu prüfen oder aber darzulegen, weshalb sie überholt sind oder nunmehr aufzugeben sein könnten. Es erscheint bereits nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine wechselseitige Zurechnung von Straftaten der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten mit der Folge, dass ein Aufenthaltstitel, zu deren Erteilung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs keine Verpflichtung aufgrund höherrangigen Rechts oder nach Völkerrecht besteht, ausgeschlossen ist, den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht. Vor allem aber knüpft der Gesetzgeber in anderen Bereichen des Aufenthaltsrechts, namentlich bei den begünstigenden Regelungen zum Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG), an das Bestehen einer formalisierten Partnerschaft – entweder der Ehe oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft – an, zu dem freilich das Bestehen oder die Herstellung einer ehelichen oder familiären Lebensgemeinschaft hinzutreten muss, und greift damit auch auf die rechtlich gesicherte Verbundenheit der Partner zurück17. Deshalb hätte es nahegelegen, diese Grundentscheidung des Aufenthaltsgesetzes bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 104a Abs. 3. Satz 1 AufenthG in den Blick zu nehmen.
Dem hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nicht dadurch genügt, dass er das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten durch § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG für verletzt ansieht und ausführt, er sehe keinen Grund, die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich ihrer Eheführung und insbesondere deren räumlicher Ausgestaltung nicht anzuerkennen, so wie es als völlig selbstverständlich angesehen werde, dass das Aufenthaltsrecht eines Ehegatten nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass der andere von seinem Recht auf Familiennachzug keinen Gebrauch mache. Mit seinen Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht auf die zu erörternde Einbettung der für verfassungswidrig gehaltenen Regelung in das Gesamtkonzept des Aufenthaltsgesetzes und deren Konsequenzen für die verfassungsrechtliche Würdigung ein. Der Umstand, dass er in diesem Zusammenhang die Härtefallregelung für Ehegatten in § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG übergeht, belegt ebenso wie der Vergleich mit dem fortdauernden Aufenthaltsstatus des Ausländers im Fall zulässigen, aber nicht wahrgenommenen Ehegattennachzugs, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner verfassungsrechtlichen Würdigung das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung der Altfallregelung des § 104a AufenthG nicht hinreichend verarbeitet hat.
Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof das Ziel des Gesetzgebers, zu verhindern, dass das straffällige Familienmitglied im Falle der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a Abs. 1 AufenthG an die übrigen Familienmitglieder unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Aufenthaltsrecht oder eine Duldung erhält, unzureichend gewürdigt. Der Verwaltungsgerichtshof meint, diese Erwägung könne eine Ungleichbehandlung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebensgemeinschaften nicht rechtfertigen, da gesetzliche Ermessensspielräume erlaubten, dem straffälligen Familienmitglied das begehrte Aufenthaltsrecht zu versagen, und ein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der Möglichkeit, die Ehe beziehungsweise Familieneinheit im gemeinsamen Herkunftsland herzustellen, voraussetzungsgemäß nicht vorliegen könne.
Diese Argumentation berücksichtigt die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen, die Art. 6 Abs. 1, 2 GG als wertentscheidende Grundsatznorm entfaltet, nicht hinreichend. Auch wenn Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt, müssen die Ausländerbehörden bei der Entscheidung
über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, berücksichtigen und angemessen in ihren Erwägungen zur Geltung bringen; der Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf eine solche angemessene Berücksichtigung seiner familiären Bindungen18. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls geboten19. Die pauschale Aussage im Vorlagebeschluss, dass Ehe und Familieneinheit ohne Weiteres im Herkunftsland hergestellt werden könnten, blendet aus, dass im Einzelfall – so möglicherweise auch im Ausgangsverfahren – Feststellungen dazu, ob Kinder auf die weitere Anwesenheit des straffälligen Elternteils angewiesen sind20, oder zu den Bedingungen für einen Umzug der gesamten Familie in das Herkunftsland erforderlich sein können und gegebenenfalls einer Aufenthaltsbeendigung des straffälligen Ausländers entgegen stehen21. Es wäre daher zu erläutern gewesen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber, der nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet war, dem betroffenen Personenkreis überhaupt Aufenthaltsrechte einzuräumen, bei der Ausgestaltung der Altfallregelung derartige Fallgestaltungen nicht berücksichtigen durfte, auch wenn sie möglicherweise eher selten gegeben sein dürften.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2010 -2 BvL 16/09
- VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2009 – 13 S 519/09[↩]
- vgl. BVerfGE 49, 148, 157>; 119, 247, 274[↩]
- stRspr seit BVerfGE 8, 274, 301; vgl. BVerfGE 53, 1, 23 f.; 61, 149, 206 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 12, 296, 307; 62, 117; 107, 104, 133[↩]
- vgl. BVerfGE 21, 292, 305 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 22, 373, 377; 90, 145, 170[↩]
- vgl. BVerfGE 18, 97, 111; 54, 277, 299 f.; 71, 81, 105; 121, 30, 68[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 329, 333; 96, 315, 324 f.[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 202[↩]
- Zeitler, HTK-AuslR / § 27 AufenthG / zu Abs. 2 07/2006 Nr. 1[↩]
- vgl. OVG Saarland, Urteil vom 15.10.2009 – 2 A 329/09[↩]
- vgl. BVerfGE 69, 188, 205; 114, 316, 333; BVerfGK 11, 179, 183[↩]
- BVerfGE 28, 324, 347[↩]
- BVerfGE 114, 316, 333; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 75, 361, 366, m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 32, 260, 269; 75, 361, 366 f.[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 117, 316, 327 f.; 124, 199, 225[↩]
- vgl. BVerfGE 76, 1, 49 ff.; 80, 81, 93; BVerfGK 2, 190, 193 f.; 7, 49, 55[↩]
- vgl. BVerfGK 2, 190, 194[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.2006 – 2 BvR 1935/05, NVwZ 2006, 682, 683[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.05.2008 – 2 BvR 588/08, InfAuslR 2008, 347, 348[↩]