Zweckverfehlung beim Umlegungsbeschluss

Eine Umlegung darf grundsätzlich nicht allein dem Zweck dienen, der öffentlichen Hand unentgeltlich Verkehrsflächen zu verschaffen1. Ausreichend ist jedoch, dass eine Neuordnung von einbezogenen Grundstücken erforderlich ist, weil nach der Abtrennung der für die Straßenanlegung benötigten Flächen die verbleibenden Restflächen für eine planentsprechende Nutzung nicht mehr zweckmäßig gestaltet sind.

Zweckverfehlung beim Umlegungsbeschluss

Gemäß § 45 Satz 1 BauGB können zur Erschließung oder zur Neugestaltung von Gebieten bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Nur zu diesem Zweck lässt das Gesetz die Umlegung zu. Eine solche ist daher rechtwidrig, wenn der genannte Zweck gar nicht angestrebt wird oder nicht erreicht werden kann2. Nicht erforderlich ist indessen, dass der Zuschnitt eines jeden Grundstücks im Umlegungsgebiet verändert werden soll. Denn bei der Beurteilung, ob die Umlegung ein zulässiges Ziel verfolgt, ist nicht auf einzelne Grundstücke, sondern auf das gesamte Umlegungsgebiet abzustellen3. Konkret ermöglichen die §§ 45 ff. BauGB nicht nur Neuerschließungs- oder Ergänzungsumlegungen, sondern auch Neuordnungsumlegungen, sei es zum Wiederaufbau zerstörter Gebiete oder zur Heranführung vorhandener Bebauung an neuzeitliche Erfordernisse, namentlich des Straßenverkehrs, Sanierungsumlegungen sowie eine allgemeine städtebauliche Landumlegung4. Die Umlegung als Inhaltsbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wird dabei – entgegen der fremdnützigen Enteignung – von der Privatnützigkeit oder „Eigentümernützigkeit“5 geprägt. Sie dient zwar, indem sie die plangerechte, zweckmäßige Nutzung der Grundstücke ermöglicht, durchaus den Interessen der Allgemeinheit an der Nutzung des Bodens, zugleich aber auch den insoweit gleichgerichteten Interessen der Eigentümer6. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der das Oberlandesgericht Karlsruhe folgt, erfordert der Gesichtspunkt der Privatnützigkeit dabei auch (schon) bei der Anwendung der §§ 45 ff. BauGB im Einzelfall Beachtung. Das bedeutet, dass bodenordnende Maßnahmen nur dort im Wege der Umlegung durchgeführt werden dürfen, wo sie ihrer konkreten Zielsetzung und ihren Auswirkungen nach wesentlich auch den Interessen der betroffenen Eigentümer dienen. Dabei betrifft die Beurteilung, ob mit einem Umlegungsverfahren insgesamt privatnützige Zwecke verfolgt werden, die Zulässigkeit der Umlegung als Ganzes. Diese Prüfung muss deshalb, soweit dies den Umständen nach möglich ist, schon bei der Einleitung des Umlegungsverfahrens und nicht erst bei der Aufstellung des Umlegungsplans erfolgen7. Im Regelfall ergibt sich der privatnützige Charakter im Umlegungswege zu treffender Maßnahmen schon aus dem Zweck, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans zur Erschließung oder Neugestaltung bestimmter Gebiete bebaute und unbebaute Grundstücke in der Weise neu zu ordnen, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen (§ 45 Abs. 1 BauGB). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn es um die durch planerische Maßnahmen veranlasste Neugestaltung eines bereits geordneten Gebietes geht, wenn also die betroffenen Grundstücke nur deshalb neu zugeschnitten werden sollen, weil sie infolge der Planung ihre zweckmäßige Gestalt einbüßen8.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Umlegung grundsätzlich nicht allein dem Zweck dienen darf, der öffentlichen Hand unentgeltlich Verkehrsflächen zu verschaffen9. Anders ist wiederum die Situation, wenn nach Abtrennung der für die – selbst fremdnützig initiierte – Straßenanlegung benötigten Flächen die verbleibenden Restflächen für eine planentsprechende Nutzung nicht mehr zweckmäßig gestaltet sind und insoweit eine Neuordnung der Grundstücke erforderlich ist, der die Umlegung dient. Die Gewinnung von Straßenland als – zumindest entscheidender – Zweck macht die Umlegung in einem solchen Fall nur unzulässig, wenn nach Abtrennung des Straßengeländes die verbleibenden Restgrundstücke einer Neuordnung nach Maßgabe des § 45 BauGB nicht bedürfen10. Ging es dabei in den insoweit vom Bundesgerichtshof zunächst entschiedenen Konstellationen um die Schaffung von Verkehrsflächen, die überwiegend den Bedürfnissen der Bewohner des Umlegungsgebietes dienen sollten, also um örtliche Verkehrsflächen i.S.v. § 55 Abs. 2 BBauG (bzw. § 55 Abs. 2 BauGB), in denen die Umlegung daher auch den Interessen der betroffenen Eigentümer diente, so hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung auf den Fall überörtlicher Straßen erstreckt: Zwar könne dann, wenn die planerische Maßnahme, deren Vollzug die Umlegung dienen soll, etwa die Anlegung einer Durchgangsstraße, keinen derartigen Bezug zum Umlegungsgebiet und seinen Bewohnern aufweise, die Privatnützigkeit der Maßnahme zu verneinen sein, wenn es der Gemeinde darum gehe, Straßenland im Wege des Flächenabzuges zu erlangen, und die Straße vorwiegend überörtlichen Verkehrsbedürfnissen dienen soll. Verfolge die Gemeinde dabei insgesamt eine fremdnützige Zielsetzung, so könne sie die für erforderlich gehaltenen bodenordnenden Maßnahmen auch dann nicht im Umlegungsverfahren treffen, wenn sie zum Ausgleich der Vorwegausscheidungen nach § 55 Abs. 5 BauGB/BBauG geeignetes Ersatzland zur Verfügung stelle; ihr verbleibe dann zur Durchsetzung der Bauleitplanung nur das Mittel der Enteignung11.

Kann im Übrigen bei der gerichtlichen Nachprüfung von Umlegungsbeschlüssen im Einzelfall die Frage, ob die Umlegung etwa tatsächlich der zweckmäßigen Gestaltung der Grundstücke dient, noch nicht abschließend beurteilt werden, bleibt es betroffenen Eigentümern unbenommen, noch gegenüber dem Umlegungsplan geltend zu machen, dass es der öffentlichen Hand in Wahrheit (doch) nicht um eine Änderung im Zuschnitt der Grundstücke, sondern um die Schaffung öffentlicher Straßen gegangen sei12.

Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass das Umlegungsverfahren allein der für die Gemeinde kostenlosen Beschaffung von öffentlichen Verkehrsflächen dienen solle und damit fremdnützig wäre.

Die Prüfung, ob die Gemeinde mit der Einleitung und Durchführung des Umlegungsverfahrens privatnützige Zwecke in dem hier maßgeblichen Sinne verfolgt, erfordert eine Gesamtabwägung aller wesentlichen Umstände. Entscheidend ist, ob die beabsichtigten Maßnahmen bei verständiger Würdigung der Interessenlage insgesamt auch im wohlverstandenen Interesse der Eigentümer der im Umlegungsgebiet befindlichen Grundstücke liegen. Dabei kann selbst bei einer durch „fremde Interessen“ ausgelösten Planung aus objektiver Sicht ein Interesse der betroffenen Eigentümer an einer angemessenen Lösung der Konfliktsituation bestehen. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof13 ausgesprochen, dass eine Veränderungssperre, die im Zuge einer sog. isolierten Straßenplanung verhängt werde, noch in den Bereich der entschädigungslos hinzunehmenden Sozialbindung fallen könne, obwohl die Veranlassung der Planung durch „eigentümerfremde Interessen“ klar zutage trete. Dem liege der Gedanke der Solidargemeinschaft der betroffenen Eigentümer zugrunde, auf den zur interessengerechten Bewältigung eigentumsrechtlicher Konflikte auch bei der Umlegung zurückgegriffen werden könne14. Es komme nach alledem darauf an, ob die Umlegung im konkreten Fall insgesamt noch als privatnützig angesehen werden könne15. Zu den dabei für die Gesamtbeurteilung maßgebenden Umständen kann auch die Absicht der Gemeinde gehören, (Sanierungs-)Maßnahmen zur Behebung eines städtebaulichen Missstandes (z.B. verkehrsbedingte Beeinträchtigungen aufgrund erheblicher Verkehrsstauungen auf einem bestehenden überörtlichen Verkehrsweg mit entsprechendem Rückstau in die anschließenden Straßen des Plangebiets hinein sowie dortige Lärm- und Abgasimmissionen) durchzuführen6.

Die Umlegung muss dafür nicht nur den genannten Zielen dienen, sondern diese müssen zudem ohne Umlegung unerreichbar, nur unzulänglich oder verspätet erreichbar sein. Nachdem ein Umlegungsverfahren immerhin eine Verfügungs- und Veränderungssperre (§ 51 BauGB) nach sich zieht und den Grundstücksbetroffenen für den notwendigen Grundstückstausch darüber hinaus die Verfahrensherrschaft entzieht16, folgt schon aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels – wie er auch in den Voraussetzungen der Erforderlichkeit der Umlegung in § 46 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommt –, dass eine Umlegung nicht angeordnet werden darf, wenn in concreto andere die Eigentums- und Vertragsfreiheit der Beteiligten weniger berührende Mittel ebenfalls eine notwendige Neuordnung des Bodens im Umlegungsgebiet ermöglichen würden17. Maßgebend ist der Inhalt der zu verwirklichenden Planung oder, soweit diese fehlt, die geordnete städtebauliche Entwicklung. Erforderlich ist die Umlegung dann, wenn unter Berücksichtigung dieser Kriterien dem öffentlichen Interesse an einer plangerechten Bodenordnung höheres Gewicht beizumessen ist als den Interessen der Eigentümer an einem unveränderten Zuschnitt ihrer Grundstücke18.

Dementsprechend ist hier die Umlegung nach den vorstehenden Ausführungen erforderlich, weil eine beabsichtigte hinreichende Erschließung nicht nur unerheblicher Flächen des Umlegungsgebiets bis dato nicht gesichert ist und eine Neugestaltung von Grundstücken erforderlich ist.

Dagegen kann die Berufung nicht mit Erfolg einwenden, soweit eine Erschließung von betroffenen Grundstücken bis dato fehle, sei diese auch freiwillig, auf privatrechtlicher Grundlage möglich gewesen.

Zwar fehlt die Erforderlichkeit einer Umlegung im o.g. Sinne, wenn die betroffenen Eigentümer bereit und in der Lage sind, einvernehmlich die Grundstücksneuordnung im Wege privater (Tausch-)Verträge vorzunehmen19; dazu gehört dann aber auch die Bereitstellung der Flächen für die Erschließungsanlagen oder Gemeinbedarfsflächen20.

Dass vorliegend eine solche – umfassende – Bereitschaft bei den betroffenen Grundstückseigentümern bestünde, ist weder näher dargetan noch sind dafür sonst Anhaltspunkte ersichtlich.

Vor allem steht der Erforderlichkeit und damit der Zulässigkeit der Umlegung im Streitfall nicht die vorrangige Möglichkeit einer Enteignung zur Erlangung erforderlicher Verkehrsflächen entgegen.

Denn nach zutreffender allgemeiner Ansicht21, der auch die Berufung nicht entgegentritt, stellt die Enteignung gegenüber der Umlegung wegen des dieser innewohnenden Prinzips der solidarischen Lastenverteilung regelmäßig keinen geringeren, sondern einen invasiveren Eingriff dar. Die Umlegung greift zwar in den Eigentumsbestand ein, formt ihn aber im Interesse des Eigentümers um und ist daher ein vorrangig einzusetzendes Instrument der Planverwirklichung; sie ist gegenüber der Enteignung das wesentlich mildere Mittel, weil sie auf Kooperation und Bestandserhaltung gerichtet ist, statt – wie die Enteignung – auf Konfrontation und entschädigungspflichtige Wegnahme22. Der Enteignung kommt kein Vorrang zu, weil sie nur auf den Entzug von Eigentum, nicht aber auf die Neuordnung ganzer Bereiche gerichtet sein kann23.

Gemessen daran ist im hier entschiedenen Fall auch ausnahmsweise kein Vorrang der Enteignung anzunehmen. Die entsprechende Ansicht der Berufung beruht schließlich – in erkennbarer Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs6 – erklärtermaßen auf der Prämisse, die geplanten Maßnahmen erfolgten ausschließlich fremdnützig und dienten lediglich der Beschaffung öffentlicher Verkehrsflächen, insbesondere zur Entlastung von Durchgangsstraßen. Diese Prämisse trifft indessen, wie ausgeführt, gerade nicht zu.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 9. Dezember 2011 – 21 U 2/11 Baul
[Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde zurückgewiesen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. September 2012 – II ZR 4/112]

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.07.1990 -III ZR 141/89[]
  2. vgl. BGH NJW 1981, 2122/2123; BGHR BauGB § 45 Abs. 1 Umlegungszweck 1[]
  3. vgl. BGH WM 1967, 637/638; NVwZ-RR 1998, 8 m.w.N.[]
  4. vgl. näher Dieterich, a.a.O., Rn. 30 ff.[]
  5. vgl. Otte, a.a.O., § 45, Rn. 10[]
  6. vgl. BGHZ 113, 139[][][]
  7. BGH, a.a.O.[]
  8. BGH, a.a.O., Rn. 15[]
  9. vgl. BGH WM 1968, 1282/1283; 1982, 434/435; BGHR BauGB § 45 Abs. 1 Umlegungszweck 1; Otte, a.a.O., § 45, Rn. 4 m.w.N.[]
  10. vgl. BGH WM 1966, 1059; 1967, 637; 1968, 1282, 1283[]
  11. BGHZ 113, 139[]
  12. BGH, BGHR BauGB § 45 Abs. 1 Umlegungszweck 1; DVBl.1984, 337/338[]
  13. BGHZ 73, 161, 172[]
  14. Bielenberg DÖV 1973, 833; Schmidt-Aßmann DVBl.1982, 152, 156[]
  15. BGHZ 113, 139, m.w.N.[]
  16. Löhr, a.a.O., Vorb §§ 45-84, Rn. 10; Schriever, a.a.O., § 47, Rn. 94[]
  17. vgl. BGHZ 100, 148; OLG Nürnberg, ZfIR 2002, 307; Stang, a.a.O., Rn. 11a; Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 46, Rn. 5[]
  18. Stang, a.a.O., § 46, Rn. 10[]
  19. Stang, a.a.O.; BVerfG NVwZ 2001, 1023; vgl. auch Löhr, a.a.O., § 46, Rn. 5 m.w.N.[]
  20. BGH NJW 1981, 2124; Stang, a.a.O., Rn. 10[]
  21. vgl. BGHZ 113, 139; Otte, a.a.O., § 46, Rn. 5, 7 m.w.N.; Stang, a.a.O., Rn. 10[]
  22. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 53[]
  23. Stang, a.a.O.[]