Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend bestimmt. Er ist inhaltlich-aufgabenbezogen zu verstehen. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung.

Zum „wissenschaftlichen Personal“ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit.
Das Adjektiv „wissenschaftlich“ bedeutet, „die Wissenschaft betreffend“. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern1.
Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören. Die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist dabei von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen. Bei Mischtätigkeiten ist es erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Überwiegend mit der bloßen Vermittlung von Sprachkenntnissen betraute Fremdsprachenlektoren gehören deshalb in der Regel nicht zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt2. Das bedeutet allerdings nicht, dass wissenschaftliche Lehre iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG das Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse und deren Vermittlung an die Studierenden verlangt. Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Zwecks der durch § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffneten besonderen Befristungsmöglichkeiten im Hochschulbereich ist jedoch nicht jede Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse als wissenschaftliche Dienstleistung anzusehen. Die Befristungsmöglichkeit in § 2 Abs. 1 WissZeitVG dient der Wahrung der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit im Interesse der Nachwuchs- und Qualifikationsförderung und zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre3. Dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfällt auch eine Lehre, die nicht auf eigenen, neuen Forschungserkenntnissen basiert, sondern allein die ständige Reflexion fremder wissenschaftlicher Ergebnisse verlangt. Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde4. Unter Berücksichtigung dessen ist eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt. Dies kann von dem Lehrenden allerdings nur erwartet werden, wenn ihm während seiner Arbeitszeit die Gelegenheit und insbesondere die erforderliche Zeit zu eigener Reflexion verbleibt. Die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Einrichtungen außerhalb der Dienstzeit genügt nicht5.
Für die Beurteilung, ob die Tätigkeit eines Mitarbeiters insgesamt wissenschaftliches Gepräge hat, kommt es auf die Umstände bei Vertragsschluss an. Maßgeblich ist, was von dem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags, einer Dienstaufgabenbeschreibung oder sonstiger Umstände nach objektiven Gesichtspunkten bei Vertragsschluss erwartet wird. Die Parteien haben es nicht selbst in der Hand, durch eine Modifizierung der vertraglichen Aufgaben die Wissenschaftlichkeit nachträglich herbeizuführen oder zu beseitigen. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer beispielsweise selbst der Befristung die Grundlage entziehen, indem er entgegen der vertraglichen Vereinbarungen keine wissenschaftlichen Dienstleistungen erbringt. Ebenso wenig kann der Arbeitgeber durch die Zuweisung wissenschaftlicher Tätigkeiten nach Vertragsschluss den personellen Anwendungsbereich des WissZeitVG nachträglich herbeiführen6.
Daraus, dass der Lehrkraft im vorliegenden Fall die Erteilung von „Unterricht in kroatischer/serbischer (Fach-)Sprache sowie Literatur- und Landeskunde mit Vor- und Nachbereitung“ übertragen wurde, ergibt sich nicht, inwieweit die nach der „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ übertragene Lehrtätigkeit eigenständige Forschungen oder Reflexionen zur Sicherung oder Erweiterung ihres Kenntnisstandes verlangte. Dies könnte vielmehr eher dafür sprechen, dass der zu erteilende Sprachunterricht durch eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte geprägt war und damit nicht als wissenschaftlich anzusehen ist.
Ein wissenschaftlicher Zuschnitt der geschuldeten Tätigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht ohne Weiteres aus den Modulbeschreibungen. Danach stehen die sprachwissenschaftlichen und sprachunterrichtenden Aufgaben wie „Sprachwissenschaft und kroatisch/serbische Sprache“, „Literaturwissenschaft und kroatisch/serbische Sprache“ sowie „Kulturwissenschaft und kroatisch/serbische Sprache“ nebeneinander, ohne dass festgestellt wäre, ob und inwieweit die Lehrkraft sprachwissenschaftliche Entwicklungen zu verfolgen und bei ihrer Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen hatte. In den Modulbeschreibungen wird ua. auf die mündliche und schriftliche Grundkompetenz der kroatischen/serbischen Sprache abgestellt, auf den Wortschatz, die Grammatik, das Hörverstehen, die grundlegenden Schreib- und Lesefähigkeiten sowie auf historische und aktuelle Fragen der kroatischen/serbischen Kultur, Grundlagenkenntnisse zu soziokulturellen und historischen Gegebenheiten, auf aktuelle Fragen von Religion, Kunst, Geistesleben und Politik sowie auf Einblicke in aktuelle gesellschaftliche Vorgänge. Daraus erschließt sich nicht, inwieweit diese Lehrinhalte eine eigene Reflexion und kritische Würdigung der wissenschaftlichen Entwicklungen verlangen.
Auch aus der Tatsache, dass die von der Lehrkraft ebenfalls angebotenen Lehrveranstaltungen Phonetik, Phonetik II, Lektüre, Lektüre II, Fachsprache Kroatisch und Serbisch II, Fachsprache Kroatisch und Serbisch IV, Kroatische und Serbische Landeskunde, Kommunikation, Kommunikation II, Einführung in die Fachsprache, Übersetzung Deutsch/Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Südslavische Landeskunde, Übersetzung II „allein nach ihrer Bezeichnung“ zum Teil Inhalte der Modulbeschreibungen Slavistik für die Bachelor-Studiengänge mitabdeckten, ergibt sich daraus nicht, weshalb dies wissenschaftliche Dienstleistungen sein sollen. Auch die Annahme, die Aufgabe der Lehrkraft im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen habe in der Anleitung der Studierenden zur wissenschaftlichen Tätigkeit bestanden, ist durch keine konkrete Feststellung belegt. Allein der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte Erfahrungssatz, dass die Anleitung von Studierenden zur wissenschaftlichen Tätigkeit ohne eigene wissenschaftliche Tätigkeit der Lehrkraft schlechterdings nicht denkbar ist, macht die gebotenen Feststellungen nicht entbehrlich. Auf welchen Feststellungen die Annahme des Landesarbeitsgerichts beruht, es sei allein Sache der Lehrkraft gewesen, ihre Lehrmaterialien kontinuierlich zu aktualisieren und diese nach kritischer Überprüfung entsprechend der wissenschaftlichen Zielsetzung einzusetzen, erschließt sich aus der Begründung der Entscheidung ebenfalls nicht. Dies ergibt sich nicht ohne Weiteres daraus, dass die Lehrkraft nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 LVVO während der Vorlesungszeit 14 Lehrveranstaltungsstunden wöchentlich zu leisten hatte, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 LVVO jeweils mindestens 45 Minuten umfassten, und sie die Inhalte der von ihr modular vorgegebenen Lehrveranstaltungen frei bestimmen konnte. Daraus lässt sich nicht entnehmen, worin die prägende wissenschaftliche Zielsetzung des von der Lehrkraft zu erteilenden Sprachunterrichts bestehen soll.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. April 2016 – 7 AZR 614/14
- BAG 9.12 2015 – 7 AZR 117/14, Rn. 30; 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 21 mwN; 1.06.2011 – 7 AZR 827/09, Rn. 35, BAGE 138, 91; 19.03.2008 – 7 AZR 1100/06, Rn. 33, BAGE 126, 211[↩]
- vgl. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 22; 1.06.2011 – 7 AZR 827/09, Rn. 35 bis 45 mwN, BAGE 138, 91[↩]
- BT-Drs. 15/4132 S. 17[↩]
- vgl. BVerfG 13.04.2010 – 1 BvR 216/07, Rn. 50, BVerfGE 126, 1; BAG 29.04.2015 – 7 ABR 519/13 – aaO[↩]
- BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 23[↩]
- BAG 20.01.2016 – 7 AZR 376/14, Rn. 34[↩]