Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers – und die Feststellungsklage des Arbeitgebers

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. 

Die Eigenkündigung des Arbeitnehmers – und die Feststellungsklage des Arbeitgebers

Es handelt sich um eine – auch noch im Revisionsverfahren zu prüfende – Prozessvoraussetzung. Sie stellt sicher, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, einer Partei zu bescheinigen, ob sie im Recht war oder nicht, oder eine alle Prozessbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu beantworten. 

Erforderlich ist damit grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist sie lediglich zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben. Für einen Feststellungsantrag, der ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes. Wird ein solches während des Rechtsstreits durch Zeitablauf oder Änderung tatsächlicher Umstände zu einem vergangenen, bleibt die Feststellungsklage nur zulässig, wenn sich aus der erstrebten Feststellung konkrete gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen ableiten lassen.

Dabei muss das rechtliche Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses selbst bestehen; ein Interesse an der Klärung streitiger Vorfragen genügt nicht1.

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So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall:

Die ursprünglich vom klagenden Arbeitgeber für sein Feststellungsbegehren gegebene Begründung, er müsse zur Planung seiner Arbeitsorganisation darauf vertrauen können, dass Kündigungsfristen eingehalten werden, trägt jedenfalls seit dem 1.07.2018 nicht mehr. Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30.06.2018 durch eine ordentliche Eigenkündigung des Arbeitnehmers aufgelöst worden. Seither konnte der Arbeitgeber in keinem Fall mehr eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beanspruchen.

Es kann dahinstehen, ob die Feststellung, ein Arbeitsverhältnis habe bis zu einem bestimmten Termin fortbestanden, geeignet sein kann, den Arbeitgeber hinsichtlich der zur Grundlage einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers gemachten Vorwürfe zu rehabilitieren2. Das ist zweifelhaft, weil es sich beim Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB bzw. der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung um eine bloße, nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage der begehrten Feststellung handelt. Jedenfalls ist im Streitfall eine fortwirkende, rehabilitierungsbedürftige Herabsetzung des Arbeitgebers in Bezug auf den vom Arbeitnehmer angeführten Kündigungsgrund weder vorgetragen noch sonst ersichtlich3. Die Parteien streiten ausschließlich über die Rechtsfrage, ob die Nebenabrede wirksam ist und dem Arbeitgeber hieraus – fällige – Rückzahlungsansprüche zustanden. Der Arbeitnehmer hat die außerordentliche Eigenkündigung nicht auf streitige, ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gestützt.

Der Arbeitgeber möchte nicht die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Arbeitnehmer aufgrund einer rechtswidrigen Lösung aus dem Arbeitsverhältnis vorbereiten. Dazu wäre der gewählte Antrag auch untauglich, weil auf ihn lediglich eine Vorfrage bzw. ein Element des Rechtsverhältnisses „Schadensersatzanspruch“, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erst mit Ablauf des 30.06.2018, festgestellt4 und damit keine abschließende Klärung über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer bewirkt würde.

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Ein Feststellungsinteresse ergibt sich nicht daraus, dass die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in einem bestimmten Zeitraum rechtlich gebunden wären. Eine solche präjudizielle Wirkung müsste gesetzlich vorgeschrieben sein. Das ist nicht der Fall5.

Der Arbeitgeber bedarf der erstrebten Feststellung nicht, um seine Pflichten gegenüber der Zusatzversorgungskasse Thüringen erfüllen zu können. Er hat für die Monate Mai und Juni 2018 in keinem Fall mehr Beiträge für den Arbeitnehmer abzuführen. Das folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal – (ATV-K) vom 01.03.2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 08.06.2017. Danach entspricht das zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem steuerpflichtigen Arbeitslohn. Von diesem ist ein bestimmter Vomhundertsatz an die Zusatzversorgungseinrichtung abzuführen. Dem Arbeitnehmer stünde mangels Arbeitsleistung auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für beide Monate kein der Besteuerung unterliegender Arbeitslohn mehr zu.

Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses in anderer Hinsicht zwischen den Parteien im Streit wäre6 und deshalb ein rechtliches Interesse des Arbeitgebers an einer alsbaldigen Feststellung bestünde.

Ein Interesse des Arbeitgebers an der begehrten Feststellung liegt schließlich nicht im Hinblick auf die in der Nebenabrede bestimmte Pflicht des Arbeitnehmers vor, unter bestimmten Umständen einen Teil der Fortbildungskosten zu erstatten. Mit einer stattgebenden Entscheidung erwüchse allein in Rechtskraft, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30.06.2018 fortbestanden hat. Hingegen nähme die Vorfrage, ob die außerordentliche Eigenkündigung des Arbeitnehmers unwirksam war, nicht an der materiellen Rechtskraft eines Feststellungsurteils teil. Erst recht stünde nicht in der Rechtskraft fähiger Weise fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers iSv. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nebenabrede geendet hat bzw. die Monate Mai und Juni 2018 nicht als „Monate der Beschäftigung“ iSv. § 6 Abs. 2 Nebenabrede anzusehen sind. Dessen ungeachtet könnten selbst solche Feststellungen dem Arbeitgeber eine Leistungsklage nicht ersparen. Der Arbeitnehmer leugnet einen Rückzahlungsanspruch nicht – wenigstens nicht nur – deshalb, weil das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers geendet habe oder die Höhe der Rückforderung übersetzt sei. Vielmehr hält er dem Rückzahlungsverlangen, zumindest auch – andere Einwände betreffend den Anspruchsgrund, nämlich die Wirksamkeit der Nebenabrede, entgegen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass er das Rückzahlungsbegehren des Arbeitgebers auch nur teilweise als berechtigt ansähe, sobald die außerordentliche Eigenkündigung für unwirksam befunden würde. Die begehrte Feststellung schüfe keinen Rechtsfrieden7.

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Die Klage ist im hier entschiedenen Fall auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dazu müsste der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2018 für die Entscheidung über einen Hauptantrag vorgreiflich sein8. Die Vorgreiflichkeit ist zwar von Amts wegen zu beachten, doch findet eine Amtsermittlung nicht statt9. Der Arbeitgeber hat trotz eines Hinweises des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 139 Abs. 3 ZPO schon nicht vorgetragen, dass zwischen den Parteien weitere Klage- oder Widerklageanträge aus dem vormals einheitlichen Verfahren noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren10 in erster oder zweiter Instanz rechtshängig gewesen seien.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 2 AZR 214/20

  1. vgl. BAG 20.01.2015 – 1 ABR 1/14, Rn. 18 zu einem Feststellungsantrag im Beschlussverfahren; BGH 17.06.2016 – V ZR 272/15, Rn. 13 ff.[]
  2. vgl. BAG 20.03.1986 – 2 AZR 296/85, zu B I 3 b und c der Gründe[]
  3. zu den Anforderungen an ein Feststellungsinteresse aufgrund eines Rehabilitierungsinteresses vgl. BGH 17.06.2016 – V ZR 272/15, Rn. 17 ff.[]
  4. vgl. BGH 17.06.2016 – V ZR 272/15, Rn. 15[]
  5. vgl. BAG 21.06.2000 – 5 AZR 782/98, zu B III 2 e aa der Gründe, BAGE 95, 141[]
  6. vgl. dazu BAG 24.10.1996 – 2 AZR 845/95, zu II 1 b der Gründe, BAGE 84, 255; 9.09.1992 – 2 AZR 142/92, zu II 1 b der Gründe[]
  7. vgl. BAG 13.02.2020 – 6 AZR 208/19, Rn. 24 ff.; 7.02.2019 – 6 AZR 84/18, Rn. 15 f.[]
  8. vgl. BAG 21.05.2019 – 9 AZR 260/18, Rn.20[]
  9. für das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vgl. BAG 19.01.2010 – 1 ABR 55/08, Rn. 22, BAGE 133, 75[]
  10. vgl. BAG 7.02.2019 – 6 AZR 84/18, Rn. 18 f.[]
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