Dynamische oder statische Verweisung auf Tarifverträge

Eine in einem Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsvereinbarung, die für die Arbeitnehmerin bei einer „Tarifliche[n] Einstufung: L II b“ als „Vergütung“ ein „Tarifentgelt in Höhe von 1.364, 60 €“ vorsieht, stellt eine dynamische Verweisung dar, die hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Arbeitnehmerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag Bezug nimmt.

Dynamische oder statische Verweisung auf Tarifverträge

Das Bundesarbeitsgericht hat – im Anschluss an seine Entscheidung vom 13.02.20131 – hinsichtlich vergleichbarer Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt idR redlicherweise davon ausgehen darf, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern. Ein redlicher Arbeitgeber würde – wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte – die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll2.

Der Wille der Arbeitgeberin zur dynamischen Inbezugnahme von tariflichen Entgeltregelungen folgt nach der zutreffenden Ansicht des Landesarbeitsgerichts ferner aus Ziff. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die dortige Anrechnungsregelung – „Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden“ – darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass die Arbeitgeberin sich auch unabhängig von der – ohnehin vor Vertragsschluss beendeten – Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags zur Zahlung des jeweiligen Tarifentgelts verpflichten wollte. Zwar hat der Anrechnungsvorbehalt nicht ausschließlich bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich3, sondern auch dann, wenn künftig Tarifvertragsänderungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Allerdings hat die Arbeitgeberin den Anrechnungsvorbehalt nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Zudem hat sie durch den Zusatz „gleich aus welchem Anlass“ zum Ausdruck gebracht, dass Anlass für eine Erhöhung des tariflichen Entgelts der Arbeitnehmerin nicht ausschließlich ein künftiger für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag, sondern jede künftige tarifliche Entgeltsteigerung sein kann. Die Klausel setzt daher eine Änderung des Entgelts in der Folge einer tariflichen Dynamik voraus und erfasst gerade nicht die erstmalige Anwendbarkeit oder Geltung eines Tarifvertrags.

Zuletzt kann dieses Auslegungsergebnis auch auf die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsänderung vom 13.10.2005 gestützt werden. Dieser sieht eine Vergütung der Arbeitnehmerin nach „Tariflohn in Tarifgruppe G 1, 6. Bj“ vor und enthält überdies den Zusatz, dass die übrigen Bestandteile des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Hierin liegt eine bekräftigende Vereinbarung, die in ihrer Reichweite der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung entspricht. Auch diese Regelung kann nur dahingehend verstanden werden, dass die jeweilige tarifliche Vergütung gemeint ist.

Soweit das Landesarbeitsgericht Köln in diesem Zusammenhang ausführt, die Arbeitgeberin habe zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses „den Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel NRW“ angewandt4, reicht dies nicht aus. Für die Bestimmung der Rechtsfolge aus einer nach dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit vereinbarten Verweisungsklausel hätte es einer präzisen Auslegung bedurft, welcher (Lohn- oder Gehalts-)Tarifvertrag danach zur Anwendung kommen sollte.

Das Landesarbeitsgericht wendet im Ergebnis dann einen nicht näher bezeichneten Lohn- oder Gehaltstarifvertrag an, von dessen Erfassung durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel es offenbar ausgeht. Auch dies hätte einer Begründung bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die früher allgemeinverbindlichen Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge auf Arbeitgeberseite von dem „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ die letzten, dem Revisionsgericht vorliegenden Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge jedoch vom „Handelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ geschlossen wurden. In der dazwischen liegenden Zeit haben auch andere Verbände mit den Gewerkschaften Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Handel, Banken und Versicherungen (HBV) bzw. der Gewerkschaft ver.di Gehalts- und Lohntarifverträge abgeschlossen. Aber auch die bereits oben genannte „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ ist insoweit tätig geworden, zum Beispiel durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags vom 10.12 2013, eines Manteltarifvertrags oder schon im Jahre 2003 durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags mit der „Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V.“ Auf weitere Unklarheiten ist bereits oben hingewiesen worden.

Auf die Tatsache, dass zum persönlichen Geltungsbereich des vom Landesarbeitsgericht „angewandten“ Tarifvertrags sowie zur Tätigkeit der Arbeitnehmerin und damit zu der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der von ihr geltend gemachten Gehaltsgruppe keinerlei Ausführungen im Berufungsurteil gemacht worden sind, kommt es danach nicht mehr an.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2017 – 4 AZR 520/15

  1. BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12[]
  2. vgl. nur BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 16; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 17 ff.[]
  3. anders aber bei nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 17; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 18; 20.04.2012 – 9 AZR 504/10, Rn. 29[]
  4. LAG Köln 13.07.2015 – 2 Sa 438/15[]