Für die im Rahmen der §§ 87 Abs. 1 Ziff. 7, 91 BetrVG vom Betriebsrat erstrebte Regelung betrieblicher Mindeststandards in Ergänzung bestehender öffentlichrechtlicher Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung, ihrer Anlage, den hierzu ergangenen Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) und der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung bedarf es – nach Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung und darauf basierender weiterer Maßnahmen des Gesundheitsschutzes – der Durchführung des dort geregelten Verfahrens und Bejahung einer konkreten Gefährdungssituation.

Weder das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG noch dasjenige aus § 91 BetrVG kommen derzeit zum Tragen, solange nicht im Rahmen einer vorzunehmenden Gefährdungsanalyse eine konkrete Gefährdungssituation festgestellt worden ist.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Insoweit erfolgt eine Begrenzung des Mitbestimmungsrechts über den normalen Gesetzesvorbehalt im Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG hinaus. Einerseits greift das Mitbestimmungsrecht nur, soweit überhaupt Rahmenvorschriften des öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzes bestehen, die dem Arbeitgeber einen Ermessensspielraum einräumen, innerhalb dessen der geeignete Weg zum Erreichen des Ziels ausgewählt werden kann. Andererseits folgt aus der Formulierung „im Rahmen“, dass sich die Mitbestimmungsrechte auf die Konkretisierung, nicht aber auf die Anhebung des Schutzniveaus der Rahmenvorschriften erstrecken. Dem Betriebsrat werden im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung keine Rechtspositionen eingeräumt, im Betrieb einen besseren Gesundheitsschutz zu etablieren als durch die öffentlichrechtlichen Vorschriften des Gesundheitsschutzes umschrieben. Zusätzliche Mindeststandards zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsbeschädigungen, die über den Rahmen – mithin das Schutzniveau – der öffentlichrechtlichen Vorschriften hinausgehen sollen, bleiben freiwilligen Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG vorbehalten.
Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG soll der Betriebsrat an betrieblichen Regelungen beteiligt werden, die der Arbeitgeber zwar aufgrund einer öffentlichrechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Umsetzung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt danach ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob diese Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen ist unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an1.
Eine Ausgestaltung als Rahmenvorschrift liegt vor, wenn die gesetzliche Regelung Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordert, die zu treffenden Maßnahmen aber nicht selbst detailliert beschreibt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt. Bei öffentlichrechtlichen Regelungen, die – wie § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG – weit gefasste Generalklauseln enthalten, setzt das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG das Bestehen einer unmittelbaren objektiven Gesundheitsgefahr voraus2.
Dies gilt entsprechend für die ebenso weit gefassten Regelungen in § 4 ArbSchG und in den §§ 3a und 6 Abs. 1 ArbStättV.
Bei seiner pauschalen Begründung erforderlicher verbindlicher betrieblicher Mindeststandards zu obigen Themen hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die Regelungen im Anhang zu § 3 Abs. 1 ArbStättV unberücksichtigt gelassen. Ebenso die detaillierten technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), die den Stand der Technik und Arbeitsmedizin wiedergeben, nach § 7 ArbStättV bekannt gegeben werden und im Rahmen ihres Anwendungsbereiches die Anforderungen gemäß § 3a Abs. 1 ArbStättV konkretisieren.
Soweit die dort hinsichtlich der Raumtemperatur (ASR A 3.5), Lüftung (ASR A 3.6), Raumabmessung und Bewegungsflächen (ASR A 1.2) und Beleuchtung (ASR A 3.4) sowie die in der Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen in der Fassung vom 19.07.2010 enthaltenen Anforderungen keinen ausreichenden Schutz der Beschäftigten gewährleisten sollten, hätte es diesbezüglich der Darlegung unmittelbarer objektiver Gesundheitsgefahren bedurft, die auf betrieblichen Gegebenheiten beruhten.
Solche festzustellen ist gerade der Zweck der gemäß § 3 ArbStättV und § 5 ArbSchG vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung. Diesbezüglich existiert auch bereits eine von den Beteiligten abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung, die auch das weitere Verfahren regelt.
Auch die einschlägigen Bestimmungen in den ASR sehen die Möglichkeit alternativer oder ergänzender betrieblicher Regelungen nach Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung vor3. Gleiches gilt gemäß § 3 Lärm-Vibrations-ArbSchV in Bezug auf Maßnahmen des Lärm- und Vibrationsschutzes.
Vor Durchführung einer die konkreten betrieblichen Belastungen berücksichtigender Gefährdungsanalyse kann in den streitgegenständlichen Schutzbereichen nicht festgestellt werden, dass es in dem Betrieb neben den bereits bestehenden öffentlichrechtlichen Vorgaben erforderlich ist, bestimmte verbindliche betriebliche Mindeststandards zu verabschieden.
Aus den genannten Gründen scheidet auch ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gemäß § 91 BetrVG aus, denn für die Anwendung der Vorschrift müssen besondere Belastungen vorliegen, die nicht mit den Mitteln des gesetzlichen Arbeitsschutzes abgewehrt werden können4. Insoweit muss ein Widerspruch zu gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und eine damit verbundene besondere Belastung von Arbeitnehmern dargelegt werden. An konkreten diesbezüglichen Darlegungen fehlt es hier.
Dementsprechend sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Arbeitnehmer der Antragsgegnerin besonderen Belastungen ausgesetzt sind, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen.
Der Antrag, im Zusammenhang mit der Anfechtung des ergangenen Spruchs der Einigungsstelle ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats festzustellen, bezieht sich auf die Bestimmungen der §§ 87 Abs. 1 Nr. 7 und 91 BetrVG, denn nur diese behandeln erzwingbare Mitbestimmungstatbestände und die Möglichkeit der Anrufung der Einigungsstelle.
Das von der Arbeitgeberin gar nicht bestrittene Mitbestimmungsrecht im Rahmen des § 88 Nr. 1 BetrVG ist nicht Inhalt des Feststellungsbegehrens.
Wie oben bereits ausgeführt ist ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht im Rahmen der §§ 87 Abs. 1 Nr. 7 und 91 BetrVG derzeit nicht feststellbar, weshalb auch das diesbezügliche Feststellungsbegehren erfolglos bleibt.
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 9. Dezember 2015 – – 4 TaBV 13/14
- so BAG vom 15.01.2002 – 1 ABR 13/01 – NZA 2002, 995[↩]
- so BAG vom 11.12.2012 – 1 ABR 81/11 – NZA 2013, 752; vgl. auch BAG v. 15.01.2002 – 1 ABR 13/01 – NZA 2002, 995; v. 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 – NZA 2005, 227[↩]
- z. B. Ziffer 4.4 der ASR A 3.5; Ziffern 4.1, 5.1, 6.6 und 7 der ASR A 3.6; Ziffer 4 der ASR A 1.2[↩]
- vgl. Richardi, BetrVG, 15. Aufl., § 91 Rz. 7 ff., 10[↩]