Die Landesjustizverwaltung kann die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag davon abhängig machen, dass der Notar die Gründe für die Notwendigkeit dieser Art der Vertreterbestellung darlegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidet die Aufsichtsbehörde über den Antrag eines Notars, ihm für die Zeit seiner Abwesenheit oder Verhinderung einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen; einen Anspruch auf die Bestellung eines Vertreters hat der Notar nicht. Die Aufsichtsbehörde hat – außer einem Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters – ein Entschließungsermessen, ob wegen der Verhinderung eines Notars überhaupt und in welchem Umfang eine Vertretung geboten ist1. Richtschnur für die Ausübung des Ermessens der Aufsichtsbehörde sind dabei die Erfordernisse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege. In diesem Rahmen muss der Grundsatz gewahrt bleiben, dass der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes dieses Amt, jedenfalls in dessen Kernbereich, der Beurkundungstätigkeit, persönlich ausübt2. Aus dem Gebot der Wahrung einer geordneten Rechtspflege folgt nicht, dass die zuständige Justizverwaltung dafür zu sorgen hätte, dass die Rechtsuchenden alle Dienste eines bestimmten Notars jederzeit in Anspruch nehmen können. Bei ihrer Entscheidung kann die Aufsichtsbehörde davon ausgehen, dass es einer geordneten Rechtspflege regelmäßig nicht zuwiderläuft, wenn ein Notariat bei zeitweiliger Verhinderung des Notars den Rechtsuchenden nicht uneingeschränkt zu Gebote steht, solange ihren Belangen in angemessener Weise und Zeit Rechnung getragen wird3.
Eine Ermessensreduzierung der Landesjustizverwaltung auf Null ergibt sich nicht aus der früheren, in Frankfurt am Main bis bis Ende 2011 geübten, Verwaltungspraxis, Eintagesvertretungen ohne nähere Begründung zu gewähren. Eine Behörde ist durch Art. 3 GG nicht gehindert, ihre Selbstbindung für die Zukunft aufzuheben4. Die Beklage hat ihre bisherige Praxis aufgrund eines Missbrauchs der Möglichkeit der tageweisen Vertreterbestellung durch einen Anwaltsnotar in Hessen geändert. Das ist ein sachlicher Grund, der unter Berücksichtigung von Art. 3 GG die Änderung der Grundsätze über die tageweise Bestellung von Notarvertretern rechtfertigt. Ob die Sicherung der mit § 39 BNotO verfolgten Zwecke auch auf andere Weise erreicht werden könnte, ist für die Frage der Aufgabe der Selbstbindung rechtlich ohne Bedeutung.
Auch die seit Ende 2011 geübte Bestellungspraxis im Landgerichtsbezirk Frankfurt am Main lässt im begründeten Fall weiterhin die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag zu. Dass die landesjustizverwaltung eine solche Bestellung an die Darlegung der Gründe für die Notwendigkeit dieser Art der Vertretung knüpft, ist angesichts des ihm bekannt gewordenen Missbrauchs (hier: in der Nachbarstadt Wiesbaden) nicht zu beanstanden und greift ersichtlich nicht in die Autonomie des Notars bei der Organisation seiner Amtstätigkeit ein.
Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich auch nicht im Hinblick auf einen möglichen Vertrauensschutz. Ungeachtet der Frage, ob angesichts der Möglichkeit jederzeitiger Änderbarkeit aus einer Selbstbindung überhaupt Vertrauensschutz folgen kann5, fehlt es vorliegend jedenfalls an einem Vertrauenstatbestand. Der Landgerichtspräsident hat vor dem hier verfahrensgegenständlichen Bescheid den Notar auf zwei seiner Anträge hin auf die neue Verwaltungspraxis hingewiesen. Der Notar konnte sich damit auf die geänderte Verwaltungspraxis einstellen.
Die mit § 39 Abs. 1 BNotO in Einklang stehende derzeitige Verwaltungspraxis der Landgerichtspräsidenten lässt durchaus Raum für die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag. Dies belegt bereits die gegenüber dem Notar selbst geübte Praxis. Auf der Grundlage der ab Ende 2011 angewendeten Verwaltungspraxis ist auf seinen Antrag für ihn Rechtsanwalt D. als Notarvertreter für einen Tag bestellt worden, als sich die Notwendigkeit dafür aus einer kurzfristig angesetzten Vorstandssitzung der Notarkammer ergeben hatte.
Auch steht es mit dem Zweck des § 39 BNotO in Einklang, dass der Landgerichtspräsident nunmehr die Eintagesbestellungen von der Angabe von Gründen abhängig macht. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Aufsichtsbehörde bei der Ausübung ihres Entschließungsermessens im Rahmen der Beurteilung der Anforderungen einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege einerseits und der Interessen des Notars andererseits nach den Gründen für die Verhinderung oder Abwesenheit differenziert6. Um entscheiden zu können, welche Bedeutung etwa die Verhinderung eines Anwaltsnotars aufgrund anwaltlicher Tätigkeit für die Entscheidung hat7, muss ihr der konkrete Verhinderungs- oder Abwesenheitsgrund bekannt sein. Da dieser regelmäßig allein aus der Sphäre des Notars stammt, kann die Aufsichtsbehörde ihrer Amtsaufklärungspflicht nur dann nachkommen, wenn der beantragende Notar sich zu den Gründen verhält. Angesichts dessen ist es nicht als ermessenfehlerhaft zu beanstanden, dass der Landgerichtspräsident in seinem Ablehnungsbescheid vorliegend auch die Auswechselung des Verhinderungs- bzw. Abwesenheitsgrundes seitens des Notars berücksichtigt hat.
Die Landesjustizverwaltung hat in ihrem Bescheid zwar im Rahmen der Erwägungen eines Bedürfnisses für die Vertreterbestellung auf die Erlasslage im Land Hessen mit der Unzulässigkeit von Vertreterbestellungen nur für einzelne Notargeschäfte abgestellt. Eine Verkennung des Ermessensspielraums durch den Landgerichtspräsidenten liegt darin aber nicht. Er hat nämlich ausweislich der weiteren Gründe des Bescheides auf das grundsätzlich fehlende Bedürfnis für eine „Eintagesvertretung“ abgestellt. In diesem Zusammenhang hat der Landgerichtspräsident auf die Möglichkeiten der Vermeidung von Kollisionsfällen durch entsprechende Büroorganisation hingewiesen. Damit hat der Landgerichtspräsident das Begehren des Notars zutreffend erfasst und Ermessen ausgeübt, ob abweichend von seiner neuen Verwaltungspraxis bei zureichenden Gründen eine Vertreterbestellung lediglich für einen Tag in Frage kommt.
Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist es Sache des Anwaltsnotars seine anwaltliche Tätigkeit so zu organisieren, dass er das Amt des Notars ausüben kann7. Weder aus dem Grund der Abwesenheit noch aus dem Typus des zu beurkundenden Geschäfts ließ sich auf der Grundlage der allein dem Notar bekannten Umstände für den Landgerichtspräsidenten erkennen, ob ein Bedürfnis für eine lediglich eintägige Bestellung eines Notarvertreters bestand. Der Landgerichtspräsident hat damit das ihm zustehende Ermessen auch insoweit gesehen und ausgeübt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. November 2014 – NotZ(Brfg) 4/14
- BGH, Beschlüsse vom 31.03.2003 – NotZ 31/02, NJW 2003, 2905; vom 18.11.2009 – NotZ 2/09, ZNotP 2010, 72 ff. jeweils mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 31.03.2003 – NotZ 31/02, NJW 2003, 2905[↩]
- BGH aaO mwN[↩]
- vgl. BVerwGE 126, 33, 51; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 40 Rn. 124 mwN[↩]
- vgl. BVerwGE 126, 33, 47 ff.[↩]
- vgl. BGH aaO NJW 2003, 2905, 2906[↩]
- BGH aaO NJW 2003, 2905, 2906[↩][↩]