Die Anerkennung von Unterhaltsurteilen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) richtet sich seit dem 18. Juni 2011 nach Art. 75 Abs. 2, 24 ff. EuUnthVO, wenn der anzuerkennende Titel vor dem Inkrafttreten der Verordnung nach Maßgabe der EuGVVO erlassen wurde. Zuständig ist nach § 35 Abs. 1 AUHG (2011), § 111 Nr. 8 FamFG das Familiengericht am Sitz der Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Unterhaltsschuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Erfolgt die Anerkennung eines Unterhaltstitels in erster Instanz irrtümlich nach Art. 38 ff. EuGVVO, ist die Beschwerde nach Art. 43 EuGVVO statthaft. Jedoch können die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gerügt werden. Das Beschwerdegericht entscheidet über die Anerkennung nach Maßgabe der Art. 24 ff. EuUnthVO.
Im Anerkennungsverfahren nach Art. 24 EuUnthVO kommt es nach Art. 22 EuUnthVO nicht auf ein anhängiges Statusverfahren im Inland an. Ziel der Unterhaltsverordnung ist allein, das im EU-Erststaat (außer Dänemark) erlassene Unterhaltsurteil rasch und effizient zu durchzusetzen. Ein gegenläufiges Statusverfahren vermag die Anerkennung des Unterhaltsurteils nach Art. 24 lit. a und c EuUnthVO nicht zu sperren.
Grundlage dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe war das Unterhaltsurteil eines ungarischen Gerichts:
Die Klauselerteilung richtet sich in diesem Fall nicht nach Art. 38 ff. EuGVVO. Zwar gilt die EuGVVO im Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn seit dem 01.05.2004. Das vom Landgericht Mannheim für vollstreckbar erklärte Urteil des Gerichts der Bezirke XVIII und XIX von Budapest vom 03.03.2010 erging nach diesem Datum. Auch war zu diesem Zeitpunkt zwischen Deutschland und Ungarn das Haager Unterhaltsübereinkommen von 1956 anwendbar. Das Verhältnis dieses Übereinkommens zur EuGVVO regelt Art. 71 Abs. 2 EuGVVO. Danach sind die Verfahrensvorschriften der EuGVVO auch dann anzuwenden, wenn sich die Anerkennungsvoraussetzungen nach dem Haager Unterhaltsübereinkommen (1958) bestimmen (Art. 71 Abs. 2 letzter Satz EuGVVO). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rüge der Unzuständigkeit des Landgerichts Mannheim deshalb nicht gerechtfertigt.
Allerdings ist zu beachten, dass am 18. Juni 2011 die Europäische Unterhaltsverordnung Nr. 4/2009 (EuUnthVO)1 in Kraft getreten ist. Sie erfasst nach der Übergangsvorschrift des Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO alle Vollstreckbarerklärungsverfahren, die nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden2, auch wenn der anzuerkennende, ausländische Titel zuvor erlassen wurde. Vorliegend ging der auf den 17. Juni 2011 datierte Antrag auf Vollstreckbarerklärung am 29. Juni 2011 beim Landgericht Mannheim ein. Für die Anwendbarkeit der EuUnthVO kommt es nicht auf das Datum der Unterzeichnung des Antrags, sondern auf den Eingang des Antrags beim (früheren) Exequaturgericht an. Dies ergibt sich aus § 262 ZPO bzw. aus einer analogen Anwendung des Art. 9 lit. a EuUnthVO. Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO setzt des weiteren voraus, dass der anzuerkennende Titel in den Anwendungsbereich der EuGVVO fällt3. Dies ist jedoch vorliegend – wie ausgeführt – der Fall.
Das zuständige Gericht bestimmt sich im Exequaturverfahren gemäß Art. 75 Abs. 2, 23 ff. EuUnthVO nach § 35 Abs. 1 AUHG4. Danach ist das Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies ist nunmehr das Amtsgericht Karlsruhe5; die funktionelle Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 111 Nr. 8 FamFG. Mithin war das Landgericht Mannheim zur Erteilung der Klausel weder sachlich zuständig, noch wäre eine örtliche Zuständigkeit (des Amtsgerichts) im Bezirk des Landgerichts Mannheim begründet gewesen.
Dieser Verfahrensfehler ist jedoch prozessual unerheblich. Denn nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der auf das Beschwerdeverfahren nach Art. 43 EuGVVO, §§ 11 ff. AVAG entsprechend anwendbar ist6, kann die sachliche und örtliche Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts im Beschwerdeverfahren nicht gerügt werden. Diese Vorschrift ist auch im vorliegenden Verfahren anzuwenden; denn die materiellen Prüfungsmaßstäbe haben sich vorliegend im Verhältnis zwischen der EuGVVO und der EuUnthVO nicht verschoben. Nach Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO ist in Übergangsfällen das Exequaturverfahren nach Art. 23 ff. EuUnthVO durchzuführen. Dieses führt sinngemäß das Exequaturverfahren der Art. 38 ff. EuGVVO fort7. In der Sache hat das Landgericht Mannheim damit den zutreffenden Prüfungsmaßstab angewandt. In einer derartigen Konstellation greift der Entlastungszweck des § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO vollumfänglich durch, wonach die fehlende erstinstanzliche Zuständigkeit allein nicht zur Aufhebung durch das Beschwerdegericht führt8.
Anerkennungshindernisse bezüglich des ungarischen Titels richten sich gemäß Art. 75 Abs. 2 EuUnthVO nach Art. 24 EuUnthVO. Die dort aufgeführten Anerkennungshindernisse sind mit den Anerkennungshindernissen des Art. 34 EuGVVO identisch; die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 34 EuGVVO ist auf Art. 24 EuUnthVO übertragbar7.
Der Anerkennung steht nicht Art. 24 lit. b EuUnthVO (entspricht Art. 34 Nr. 2 EuGVVO) entgegen. Zwar enthält die Bescheinigung der Erstgerichts nach Art. 54 EuGVVO keine Angabe darüber, ob das verfahrenseinleitende Schriftstück im Unterhaltsverfahren vor dem Gericht in Budapest dem Beschwerdeführer zugestellt wurde – die entsprechende Rubrik im Formular hat das Erstgericht nämlich nicht ausgefüllt. Jedoch hat sich der Beschwerdeführer nach eigenem Vortrag auf das Verfahren vor dem Erstgericht eingelassen. Daher ist das Anerkennungshindernis des Art. 24 lit. b EuUnthVO bereits nach seinem Wortlaut nicht anwendbar.
Eine Verletzung des ordre public (Art. 24 lit. a EuUnthVO) liegt ebenfalls nicht vor.
Der Vortrag des Beschwerdeführers, dass das Erstgericht wesentlichen Vortrag seiner ungarischen Anwältin im Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht berücksichtigt habe, reicht für eine Verletzung des ordre public nicht aus; denn die Rüge des verfahrensrechtlichen ordre public setzt voraus, dass der Beschwerdeführer alle nach dem Recht des Ursprungsstaates statthaften, zumutbaren und zulässigen Rechtsmittel ausgeschöpft hat9. Hierzu hat der Beschwerdeführer nur darauf verwiesen, dass er kein Rechtsmittel eingelegt habe, weil ihm das Urteil des Erstgerichts noch nicht zugestellt worden sei. Mithin trägt der Beschwerdeführer selbst vor, dass ein Rechtsbehelf im Erststaat statthaft ist. Im Urteil selbst hat das Erstgericht den Beschwerdeführer darüber unterrichtet, dass binnen 15 Tagen nach Erhalt (Zustellung) des Urteils Berufung eingelegt werden kann.
Zudem liegt keine Verletzung des ordre public im Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers vor. Denn die von dem Gläubiger vorgelegte Entscheidung vom 28.09.2009 über die Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers zeigt, dass sich das ungarische Gericht dort mit dem Vortrag des Beschwerdeführers inhaltlich auseinandergesetzt hat. Die Feststellung der Vaterschaft beruht auf DNS-Gutachten der Universität Budapest und des Universitätsklinikums Heidelberg, die eine Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft zu 99,9969878% bejaht haben. Eine ordre-public-Widrigkeit (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) des ungarischen Urteils zur Vaterschaftsfeststellung scheidet demnach aus; hieraus lässt sich schon gar nicht eine Verletzung des ordre public im Hinblick auf die Anerkennung des Unterhaltstitels nach Art. 24 lit. a EuUnthVO herleiten. Denn nach Art. 22 EuUnthVO sind Statusverfahren und Unterhaltstitel zu trennen.
Schließlich steht der Anerkennung auch nicht der Einwand des Art. 24 lit. c EuUnthVO entgegen. Das deutsche Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung, auf das sich der Beschwerdeführer beruft, hat einen anderen Streitgegenstand als das Unterhaltsurteil und beeinflusst das Verfahren auf Anerkennung des Unterhaltsurteils nicht. Dies ergibt sich aus Art. 22 EuUnthVO. Danach hat die Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung keine Auswirkungen auf das Statusverhältnis der betroffenen Person. Zwar steht diese Vorschrift im Abschnitt 1 des IV. Kapitels der Verordnung, der die Anerkennung von Titeln ohne Exequatur regelt. Doch gibt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach („aufgrund dieser Verordnung“) einen allgemeinen Grundsatz wieder, der auch die Anerkennung nach dem 2. Abschnitt des IV. Kapitels einschließt. Denn ausweislich ihres 25. Erwägungsgrunds bezweckt die EuUnthVO eine Anerkennung und Durchsetzung von Unterhaltsentscheidungen, ohne Anerkennung von zugrunde liegenden Statusverhältnissen. Mithin vermag ein Statusverfahren die Anerkennung der Unterhaltsentscheidung nach Art. 75 Abs. 1, 24 EuUnthVO nicht zu sperren.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 8 W 34/11
- vom 18.12.2008, ABl. EU 2009 L 7/1 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.08.2011 – XII ZB 187/10, FamRZ 2011, 1569, 1569, Rdn. 6[↩]
- Rauscher/Andrae, Art. 75 EuUnthVO (2010), Rdn. 9[↩]
- Auslandsunterhaltsgesetz vom 23.05.2011, BGBl. 2011 I 898[↩]
- vgl. zur parallelen Regelung des § 12 IntFamRVG A. Schulz, FamRZ 2011, 1273, 1274[↩]
- Geimer/Schütze, Art. 43 EuGVVO (3. Aufl. 2010), Rdn. 38[↩]
- Rauscher/Andrae, Art. 75 EuUnthVO (2010), Rdn. 7[↩][↩]
- MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 513, Rdn. 15[↩]
- vgl. zur Parallelvorschrift des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO BGHZ 182, 188, 202; BGH FamRZ 2011, 1568 – Leitsatz 3[↩]