Betreuervergütung – und der "stationäre" Aufenthalt des Betroffenen in einer Außenwohngruppe

Die Annahme eines Aufenthalts des Betroffenen in einer stationären Einrichtung setzt eine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte voraus. Die „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ erfordert eine permanente Präsenz oder eine ständige Erreichbarkeit (zum Beispiel in Form einer Nacht- und Rufbereitschaft) professioneller Pflege- oder Betreuungskräfte1.

Betreuervergütung – und der "stationäre" Aufenthalt des Betroffenen in einer Außenwohngruppe

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall streiten die Beteiligten über die Höhe der Vergütungsansprüche einer Betreuerin. Der mittellose Betroffene lebt aufgrundlage eines Vertrages „über Leistungen in einer Wohnform der Eingliederungshilfe“ gemäß § 42 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in einer Außenwohngruppe einer Einrichtung. Nach dem Vertrags- 3 inhalt stellt der Betreiber der Einrichtung einen möblierten persönlichen Wohnraum sowie Räume zur gemeinsamen Nutzung und Mitnutzung von Haushaltsgeräten zur Verfügung und ist zur Bereitstellung und Reinigung der Bettwäsche und Handtücher, Reinigung der Privatwäsche, Grundreinigung des Wohnraums und der Gemeinschaftsräume sowie zur Gestellung der Hygieneartikel verpflichtet. Darüber hinaus erbringt die Einrichtung Assistenzleistungen, Pflegeleistungen und sonstige Unterstützungsleistungen, körperbezogene Pflegeleistungen in dem mit dem Träger der Eingliederungshilfe vereinbarten Umfang, einfachste ärztlich verordnete behandlungspflegerische Maßnahmen, die Vermittlung therapeutischer Hilfen bei freier Arztwahl, hauswirtschaftliche Leistungen sowie die Verpflegung. Bei Veränderungen des individuellen Bedarfs des Betroffenen bietet der Einrichtungsträger diesem eine einseitige Anpassung des Leistungsangebotes an.

Unter der Annahme, dass der Betroffene seinen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung habe, hat das Amtsgericht Meschede die Vergütung der als Berufsbetreuerin bestellten Betreuerin für den Zeitraum vom 03.07.2024 bis zum 02.04.2025 auf insgesamt 1.123,50 € festgesetzt2. Auf die zugelassene Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht Arnsberg unter der Annahme, der Betroffene habe seinen Aufenthalt nicht in einer stationären Einrichtung oder ihr gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform, die Vergütung der Betreuerin auf 1.606,50 € festgesetzt3.

Auf die hiergegen gerichtete zugelassene Rechtsbeschwerde der Staatskasse hat der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Arnsberg aufgehoben und die Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Meschede zurückgewiesen:

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass es für die Annahme einer der stationären Einrichtung gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform an der Bereitstellung einer „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte fehle. Hierfür genüge es nicht, dass die für die Unterstützung der Bewohner zuständigen Fachkräfte während der üblichen Büroöffnungszeiten in der Einrichtung anwesend seien und darüber hinaus nur ein Notfalldienst in Form einer Rufbereitschaft bestehe.

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der rechtlichen Annahme des Landgerichts hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung i.S.d. § 9 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG.

§ 9 Abs. 3 Satz 1 VBVG unterscheidet in Bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 9 Abs. 3 Satz 3 VBVG gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 9 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG solche, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Das entspricht der Definition des früheren § 5 Abs. 3 VBVG, die mit Wirkung vom 01.01.2023 durch § 9 Abs. 3 VBVG wortlautgleich übernommen wurde4.

Ob eine Einrichtung den Begriff einer stationären Einrichtung im vergütungsrechtlichen Sinne erfüllt, richtet sich somit nach den in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aufgeführten Kriterien, wobei diese in Einrichtungen, die den Begriff eines Heims im Sinne des früheren Heimgesetzes erfüllen, stets als gegeben anzusehen sind5.

Zum anderen sollten, unter Berücksichtigung der Weiterentwicklungen im Heimaufsichtsrecht, die Verengung auf den Heimbegriff aufgegeben und bestimmte ambulante Wohnformen durch § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG einbezogen werden. Da die diesbezüglichen Regelungen jedoch lediglich dazu dienten, die pauschalierten Zeitansätze festzulegen, und diese daher in der Praxis handhabbar bleiben mussten, wurde die Anwendung der reduzierten Zeitansätze lediglich auf solche ambulant betreuten Wohnformen ausgedehnt, die sich entweder durch eine permanente Präsenz oder durch eine ständige Erreichbarkeit (zum Beispiel in Form einer Nacht- und Rufbereitschaft) professioneller Pflege- oder Betreuungskräfte auszeichneten. Mit der Erweiterung auf „gleichgestellte“ Wohnformen sollten bestimmte ambulant betreute Wohnformen typisierend erfasst werden, bei denen aus strukturellen Gründen der Aufwand für die rechtliche Betreuung dem Aufwand für Betreute in stationären Einrichtungen gleicht6.

Dabei war nach Auffassung des Gesetzgebers die Überlegung, bestimmte Formen des ambulant betreuten Wohnens den stationären Einrichtungen gleichzustellen, daran auszurichten, ob die angebotenen Pflege- oder Betreuungsleistungen durch einen professionellen Organisationsapparat getragen seien und eine Verantwortungsgarantie – wie in einer stationären Einrichtung – des Trägers begründeten. Daher würden nur solche ambulant betreuten Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt, in denen unter anderem eine Rund-um-dieUhr-Versorgung durch professionelle Pflegekräfte oder – in der Behindertenhilfe durch professionelle Betreuungskräfte vorgehalten werde7.

Indem der Gesetzgeber typisierend auf bestimmte Kriterien abstellt, anhand derer die Gleichstellung von ambulant betreuten Wohnformen mit stationären Einrichtungen festzustellen sei, ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese Kriterien als notwendige Merkmale eines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung erst recht erwartet werden. Daher gehört die Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Pflege- oder Betreuungskräfte zu den notwendigen Merkmalen auch eines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung im vergütungsrechtlichen Sinne, selbst wenn dies in § 9 Abs. 3 Nr. 1 VBVG nicht ausdrücklich aufgeführt ist8.

Ist im Einzelfall zweifelhaft, welcher Wohnform des § 9 Abs. 3 VBVG der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen entspricht, ist dem durch eine teleologische Auslegung der Vorschrift zu begegnen. Da dem Gesetz die Vorstellung zugrunde liegt, dass sich der Aufwand der rechtlichen Betreuung erheblich danach unterscheidet, ob der Betreute zu Hause oder in einer stationären Einrichtung bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform lebt, ist für die Auslegung entscheidend, ob die in der Einrichtung angebotenen Versorgungs- und Pflegeleistungen generell geeignet sind, einem Betreuer die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abzunehmen9.

Gemessen hieran hat das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer stationären Einrichtung hat.

Die Einrichtung dient unzweifelhaft dem Zweck, Volljährige aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen. Sie ist in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig und wird entgeltlich betrieben. Ebenfalls dient die Einrichtung dem Zweck, tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten10.

Das Vorliegen der – auch für den Aufenthalt in einer stationären Einrichtung vorausgesetzten – Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Pflege- oder Betreuungskräfte hat das Landgericht indessen rechtsfehlerhaft verneint.

Hierfür genügt es, dass die Mitarbeitenden mindestens zweimal täglich in die Wohngruppe kommen und ansonsten telefonisch Rund-um-die-Uhr erreichbar sind. Soweit der Bundesgerichtshof in einem anders gelagerten Fall die Gleichstellung einer ambulant betreuten Wohnform mit einer stationären Einrichtung abgelehnt hat, weil sich die Betroffene selbständig versorgen und ihr Zimmer regelmäßig reinigen musste, allgemeine Pflegeleistungen und häusliche Krankenpflege nicht Gegenstand des Wohn- und Betreuungsvertrags waren und darüber hinaus die für die Unterstützung der Bewohner zuständigen Fachkräfte nur während der üblichen Büroöffnungszeiten in der Einrichtung anwesend waren, während ansonsten nur ein Notfalldienst in Form einer Rufbereitschaft bestand11, hält er an dem letztgenannten Kriterium nicht als tragend fest. Vielmehr genügt eine Rund-umdie-Uhr-Versorgung entweder durch eine permanente Präsenz oder durch eine ständige Erreichbarkeit12 professioneller Pflege- oder Betreuungskräfte13.

Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Weil der Betroffene in einer stationären Einrichtung lebt, steht der Betreuerin eine Vergütung nur in Höhe des vom Amtsgericht bereits zugesprochenen Betrages zu.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2025 – XII ZB 300/25

  1. in Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 05.05.2021 – XII ZB 580/20, FamRZ 2021, 1314[]
  2. AG Meschede, Beschluss vom 06.05.2025 – 4 XVII 175/23[]
  3. LG Arnsberg, Beschluss vom 26.05.2025 – I-5 T 90/25[]
  4. BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 8 mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 11[]
  6. BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 12[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 13 mwN[]
  8. vgl. auch BT-Drs.20/14259 S. 29 zur ab dem 1.01.2026 geltenden Fassung des § 9 Abs. 3 VBVG[]
  9. BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 14[]
  10. vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 17 mwN[]
  11. BGH, Beschluss vom 05.05.2021 – XII ZB 580/20, FamRZ 2021, 1314 Rn. 15[]
  12. zum Beispiel in Form einer Nacht- und Rufbereitschaft[]
  13. vgl. auch BGH, Beschluss vom 31.07.2024 – XII ZB 117/24, FamRZ 2024, 1726 Rn. 12[]

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