Beabsichtigt das Gericht, in einem Betreuungsverfahren ein in einem anderen Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten entsprechend § 411 a ZPO zu verwerten, muss es den Beteiligten zuvor rechtliches Gehör gewähren1.

Das Gericht darf also ein Sachverständigengutachten aus dem vorangegangenen Betreuungsverfahren nicht verwerten, ohne die Betroffene auf die beabsichtigte Verwertung hinzuweisen und hierzu ausreichend rechtliches Gehör zu gewähren.
Gemäß § 280 Abs. 1 FamFG hat vor der Bestellung eines Betreuers eine förmliche Beweisaufnahme über die Notwendigkeit der Maßnahme durch Einholung eines Gutachtens stattzufinden. Die förmliche Beweisaufnahme muss sich auch auf die fehlende Fähigkeit zur freien Willensbildung beziehen, wenn ein Betreuer gegen den Willen des Betroffenen bestellt werden soll2. Wegen der gesetzlich angeordneten Förmlichkeit der Beweisaufnahme (§§ 280 Abs. 1, 30 Abs. 2 FamFG) kann das in einem anderen Verfahren eingeholte Gutachten nur dann verwertet werden, wenn es gemäß § 411 a ZPO in das Verfahren eingeführt und dem Betroffenen Gelegenheit gegeben worden ist, zu den Ausführungen des zu verwertenden Gutachtens in dem vorliegenden Verfahren Stellung zu nehmen. Beabsichtigt das Gericht von der Möglichkeit des § 411 a ZPO Gebrauch zu machen, muss es den Beteiligten vor der Anordnung der Verwertung rechtliches Gehör gewähren3.
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Rechtsbeschwerdeführer rügen zu Recht, dass ihnen hinsichtlich der aus dem Sachverständigengutachten vom 28.03.2015 verwerteten Feststellungen kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden ist. Weder das Amts- noch das Landgericht haben die beabsichtigte Verwertung des Sachverständigengutachtens angekündigt oder den Beteiligten rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Verwertung gewährt. Dass dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen Einsicht auch in die Beiakte gewährt wurde, in der sich das Gutachten befindet, vermag das für ein Vorgehen nach § 411 a ZPO erforderliche rechtliche Gehör nicht zu ersetzen.
Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Oktober 2016 – XII ZB 152/16
- im Anschluss an die BGH, Beschlüsse vom 27.04.2016 XII ZB 611/15 FamRZ 2016, 1149; und vom 16.11.2011 XII ZB 6/11 FamRZ 2012, 293[↩]
- BGH, Beschluss vom 27.04.2016 XII ZB 611/15 FamRZ 2016, 1149 Rn. 14[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 27.04.2016 XII ZB 611/15 FamRZ 2016, 1149 Rn. 15; und vom 16.11.2011 XII ZB 6/11 FamRZ 2012, 293 Rn. 24[↩]