Ergänzungspfleger bei der Genehmigung der Erbausschlagung eines Kindes

Anlässlich eines Verfahrens auf Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind ist diesem zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses im Sinne von § 41 Abs. 3 FamFG nur dann ein Ergänzungspfleger zu bestellen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB festgestellt sind.

Ergänzungspfleger bei der Genehmigung der Erbausschlagung eines Kindes

Gemäß § 1822 Nr. 2 BGB bedarf der Vormund zur Ausschlagung einer Erbschaft der Genehmigung des Familiengerichts. Nach § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekanntzugeben, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Gemäß § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 9 Abs. 2 FamFG wird bei einer angeordneten Vormundschaft der Geschäftsunfähige vom Vormund vertreten. Nach § 1796 BGB kann das Familiengericht dem Vormund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse namentlich des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.

Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall fehlt es an den Voraussetzungen für die Entziehung der Vertretungsmacht gemäß § 1796 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses bzw. der aus der Bekanntgabe folgenden Konsequenzen (Einlegung eines Rechtsmittels oder Erklärung eines Rechtsmittelverzichts). Die Frage, ob es in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um die Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind geht, zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses im Sinne von § 41 Abs. 3 FamFG, zur Rechtsmitteleinlegung oder zur Erklärung eines Rechtsmittelverzichts der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf, ist allerdings umstritten.

Zum einen wird vertreten, dass dem Minderjährigen in solchen Fällen grundsätzlich ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist1.

Nach der Gegenauffassung ist ein Ergänzungspfleger nur dann zu bestellen, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht2.

Der Bundesgerichtshof folgt der zuletzt genannten Auffassung. Aus § 41 Abs. 3 FamFG, wonach ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekanntzugeben ist, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, folgt nicht, dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB über die in § 1796 BGB bezeichneten Fälle hinaus zu entziehen ist. Nach § 1796 Abs. 2 BGB soll die eine Ergänzungspflegschaft auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht. Eine solche Entscheidung setzt mithin voraus, dass der Tatrichter entsprechende Feststellungen getroffen hat. Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits des hier nicht einschlägigen § 1795 BGB oder des § 1796 BGB3 kommt nicht in Betracht.

Für eine generelle Entziehung des Vertretungsrechts ohne Betrachtung der Umstände des Einzelfalls fehlt es daher bereits an einer gesetzlichen Grundlage. Im Übrigen besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat das Amtsgericht von Amts wegen die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, insbesondere ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Erbausschlagung zum Wohle des Kindes vorliegen. Erhält das Gericht im Rahmen dieser Ermittlungen Kenntnis von einem möglichen Interessenwiderstreit, ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1796 Abs. 2 BGB immer noch möglich.

Daraus wird zudem ersichtlich, dass der gesetzliche Vertreter in Fällen der vorliegenden Art bereits durch das Gericht kontrolliert wird. Die Erbausschlagung steht unter dem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt. Ein Bedürfnis dafür, das der Kontrolle dienende Verfahren sowie das kontrollierende Gericht seinerseits einer generellen weiteren Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu unterstellen, besteht – jedenfalls soweit kein Interessenwiderstreit festgestellt wird – nicht4.

Dem steht auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 nicht entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung nicht deshalb entbehrlich gewesen sei, weil der als gesetzlicher Vertreter der Erben handelnde Nachlasspfleger am Genehmigungsverfahren beteiligt gewesen sei und das rechtliche Gehör im Regelfall nicht durch denjenigen vermittelt werden könne, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle6. Zutreffend ist auch, dass der Gesetzgeber in der Begründung zu § 41 Abs. 3 FamFG auf die vorgenannten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen hat7.

Die Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung unterscheidet sich von der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fallgestaltung indes darin, dass dort der zugleich als Vertreter tätige Nachlasspfleger an dem später zu genehmigenden Erbauseinandersetzungsvertrag aktiv beteiligt war8. Dagegen begehrt der Vormund vorliegend allein die Genehmigung der Erbausschlagung für das minderjährige Kind; es geht also nicht um die Genehmigung einer vertraglichen Gestaltung, an der der gesetzliche Vertreter aktiv mitgewirkt hat, sondern lediglich um die Genehmigung einer einseitigen, gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmenden Erklärung (vgl. § 1945 Abs. 1 BGB).

Im Übrigen wird das gegenläufige Ergebnis auch den Belangen der Praxis nicht gerecht, wie das Kammergericht zu Recht im Einzelnen ausgeführt hat9.

Im Übrigen ist auch sonst nicht ersichtlich, worin ein Interessenwiderstreit bei einem als Vormund tätigen Jugendamt zu sehen sein könnte, das für den Mündel die Erbschaft ausschlägt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12

  1. KG FamRZ 2010, 1171; OLG Köln DNotZ 2012, 219; Musielak/Borth FamFG 4. Aufl. § 41 Rn. 11; Zorn Rpfleger 2009, 421, 431; differenzierend: Büte FuR 2011, 361, 362 [etwa bei Genehmigung eines vom gesetzlichen Vertreters zuvor abgeschlossenen Kaufvertrags]; Kölmel MittBayNot 2012, 108, 109 f. [kein Vertretungsausschluss über § 1796 BGB, sondern über Verfahrensrecht]; Perlwitz/Weber FamRZ 2011, 1350, 1354 f. [Bestellung eines Verfahrensbeistands][]
  2. OLG Brandenburg MittBayNot 2011, 240; Keidel/MeyerHolz FamFG 18. Aufl. § 41 Rn. 4 a; MünchKomm-FamFG/Ulrici 2. Aufl. § 41 Rn. 14 ff.[]
  3. so aber Kölmel MittBayNot 2012, 108, 109 f.[]
  4. s. auch MünchKomm-FamFG/Ulrici 2. Aufl. § 41 Rn. 15[]
  5. BVerfGE 101, 397 = FamRZ 2000, 731[]
  6. BVerfGE 101, 397 = FamRZ 2000, 731, 733[]
  7. BT-Drs. 16/6308 S.197[]
  8. vgl. BVerfGE 101, 397 = FamRZ 2000, 731, 732; s. auch Büte FuR 2011, 361, 362[]
  9. KG FamRZ 2010, 1171, 1173[]