§ 45 Abs. 4 SGB VIII rechtfertigt nicht nur den Erlass solcher Nebenbestimmungen, mit denen die Erlaubnisfähigkeit einer Einrichtung i.S.v. § 45 Abs. 2 SGB VIII sichergestellt werden soll.

§ 45 Abs. 4 SGB VIII berechtigt die zuständige Behörde, im Ermessenswege eine Betriebserlaubnis mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wenn diese geeignet, erforderlich und angemessen ist, um die mit der Erlaubnispflichtigkeit von Einrichtungen nach § 45 SGB VIII verfolgte Zielsetzung, nämlich die Gewährleistung des Wohls der in einer solchen Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen, während des Betriebs der Einrichtung sicherzustellen. § 45 Abs. 4 SGB VIII ermöglicht der zuständigen Behörde daher, aus Gründen der Gefahrenvorsorge den Betrieb einer Einrichtung zu reglementieren, damit auch zukünftig eine Gefährdung des Wohls der in einer Einrichtung untergebrachten Kinder und Jugendlichen vermieden und etwaigen Gefährdungen effektiv begegnet werden kann.
Die Frage, ob das Wohl der Kinder und Jugendlichen in einer Einrichtung i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gewährleistet ist, ist auf der Grundlage des Betreuungskonzeptes mittels einer typisierenden Betrachtung zu beantworten. Atypische Ausnahmefälle können hierbei außer Betracht gelassen werden.
§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII berechtigt die zuständige Behörde, im Ermessenswege1 eine Betriebserlaubnis mit einer Nebenbestimmung zu versehen, wenn diese geeignet, erforderlich und angemessen ist, um die mit der Erlaubnispflichtigkeit von Einrichtungen nach § 45 SGB VIII verfolgte Zielsetzung, nämlich die Gewährleistung des Wohls der in einer solchen Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen, während des Betriebs der Einrichtung und damit auch für die Zukunft sicherzustellen2. Dies gilt auch und gerade dann, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geregelten Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis, deren Vorliegen wiederum unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII regelmäßig anzunehmen ist, erfüllt sind, eine beantragte Erlaubnis also zu erteilen ist. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ermöglicht der zuständigen Behörde auch in einem solchen Fall, aus Gründen der Gefahrenvorsorge den Betrieb einer Einrichtung zu reglementieren, damit auch zukünftig eine Gefährdung des Wohls der in einer Einrichtung untergebrachten Kinder und Jugendlichen vermieden und etwaigen Gefährdungen effektiv begegnet werden kann. Die von dem Träger vertretene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII lässt sich dem Gesetz demgegenüber nicht entnehmen. Einer (spezialgesetzlichen) Regelung, wonach der Erlass von Nebenbestimmungen zulässig ist, mit denen die Erlaubnisfähigkeit einer Einrichtung sichergestellt werden soll, bedarf es im Übrigen auch nicht. Denn gemäß § 32 Abs. 1 Alt. 2 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den – wie in den Fällen des § 45 Abs. 2 SGB VIII – ein Anspruch besteht, ohnehin mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Darüber hinaus verweist § 32 Abs. 1 Alt. 1 SGB X aber auch auf die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen dort, wo dies – wie in § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII – gesetzlich vorgesehen ist.
Für den Erlass nachträglicher Auflagen gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gilt im Ergebnis nichts anderes. Solche dienen zwar letztlich dem Erhalt der Betriebserlaubnis, indem der Widerruf einer erteilten Betriebserlaubnis vermieden wird3. Gleichwohl ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 45 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 7 Satz 1 SGB VIII ergibt, eine nachträgliche Auflage nicht erst dann zulässig, wenn auch die Voraussetzungen für einen Widerruf erfüllt sind, sondern bereits im Vorfeld, um schon den Eintritt dieser Voraussetzungen abzuwenden. Denn während gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII eine Betriebserlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen ist, wenn das Wohl der Kinder oder Jugendlichen in der Einrichtung (konkret4) gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden, kann eine nachträgliche Auflage im Ermessenswege gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zur Sicherung des Wohls der Kinder und der Jugendlichen in der Einrichtung erlassen werden, ohne dass bereits eine konkrete Gefahr i.S.v. § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII vorliegen müsste.
Dies hat nicht zur Folge, dass die Behörde mithilfe einer Auflage nach § 45 Abs. 4 SGB VIII letztlich durchsetzen könnte, dass – was auch nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis ist5 – in einer Einrichtung „optimale Verhältnisse“ herrschen müssen. Auch mit einer im Ermessenswege erlassenen Auflage nach § 45 Abs. 4 SGB VIII darf nur das Ziel verfolgt werden, das Wohl der Kinder und Jugendlichen in einer Einrichtung dauerhaft, also nicht nur im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung, sicherzustellen und Vorsorge dafür zu treffen, dass das Kindeswohl gefährdende Situationen gar nicht erst eintreten oder in einem solchen Fall geeignete Maßnahmen ergriffen werden (können).
Die Auflage, „besondere Vorkommnisse“ zu melden, versetzt die zuständige Behörde in die Lage, beurteilen zu können, ob Maßnahmen zur Abwendung oder zur Vermeidung von Gefährdungen des Wohls der in einer Einrichtung untergebrachten Kinder und Jugendlichen geboten sind, und gewährleistet damit, dass die Behörde ihren Beratungs- und Aufsichtspflichten nachkommen kann (vgl. §§ 8a, 45 Abs. 6 und 7, 46, 79 SGB VIII). Auch der Gesetzgeber geht von der Notwendigkeit aus, dass die zuständigen Behörden über Ereignisse oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen, unverzüglich unterrichtet werden (vgl. § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII). Und auch der Träger selbst bezieht sich an anderer Stelle der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die Gesetzesbegründung zu § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII, in der davon die Rede ist, dass die zuständige Behörde durch die Pflicht zur Anzeige von Ereignissen oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen, in die Lage versetzt werde, auf negative Entwicklungsprozesse in der Einrichtung rechtzeitig zu reagieren6. Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für die Annahme, der Pflicht zur Meldung besonderer Vorkommnisse fehle die notwendige Eignung, im Sinne einer Gefahrenvorsorge etwaigen künftigen Gefährdungen des Wohls der in einer Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen rechtzeitig begegnen zu können.
Mit der Erweiterung des Katalogs der Meldepflichten in § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII um die Pflicht zur Meldung von Ereignissen oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen, verfolgt der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung das Ziel, den Schutz der Kinder und Jugendlichen zu verbessern6. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass entsprechende Meldepflichten nunmehr unmittelbar kraft Gesetzes für jede Einrichtung bestehen und nicht mehr einer gesonderten Regelung im Einzelfall bedürfen. Dies schließt es aber nicht aus, dass auch ohne die bzw. trotz der gesetzliche(n) Regelung in § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII der Erlass entsprechender Auflagen zulässig sein kann. Mit anderen Worten ist nicht erkennbar oder von dem Träger dargelegt, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Meldepflicht nach § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII schaffen musste, weil andernfalls derartige Meldepflichten im Einzelfall nicht mithilfe entsprechender Nebenbestimmungen auf der Grundlage von § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII hätten statuiert werden können.
Dass es mit Blick auf die Neuregelung in § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII keine Notwendigkeit mehr für eine auf § 45 Abs. 4 SGB VIII gestützte Nebenbestimmung gibt, vermag das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ebenfalls nicht zu erkennen. Denn die angefochtene Auflage in der Nebenbestimmung zur Betriebserlaubnis vom 27.10.2010 geht über den Regelungsgehalt des § 47 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII deutlich hinaus. Dort ist lediglich dem Grunde nach geregelt, dass eine Pflicht zur Meldung besonderer Vorkommnisse besteht. Die Auflage zur Betriebserlaubnis vom 27.10.2010 regelt demgegenüber zusätzlich und klarstellend, welcher Stelle gegenüber die Meldepflicht zu erfüllen ist, welche Vorkommnisse bzw. Ereignisse insbesondere eine Meldepflicht auslösen und welche Angaben in einem derartigen Fall zu machen sind. Dass für eine derartige weitergehende Regelung ein Bedürfnis nicht bestehe, legt der Träger insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in der Vergangenheit bereits Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten über Anlass und Umfang der Meldung besonderer Vorkommnisse gegeben hat, nicht dar.
Die Verpflichtung, Vorkommnisse zu melden, „die in eine Kindeswohlgefährdung münden können“, ist ebenso wenig zu unbestimmt wie die Pflicht zur Meldung von „Sittlichkeitsdelikten“. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Meldung „erheblicher Handlungen zum Nachteil betreuter Minderjähriger“. Zumal sie für einen mit dem Betrieb einer Einrichtung nach §§ 19, 45 SGB VIII langjährig erfahrenen Träger hinreichend bestimmbar sind. Die Informationspflicht dient insgesamt dazu, der Behörde die Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse zu ermöglichen und überprüfen zu können, ob in der Einrichtung untergebrachte Kinder bzw. Jugendliche dort auch weiterhin ohne Gefährdung ihres Wohls verbleiben können. Diese Zielrichtung wird in der Auflage ausdrücklich klargestellt: Die Heimaufsicht soll aufgrund der Meldung erkennen können, „ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt bzw. Umstände eingetreten sind oder eintreten können, die zu einer solchen führen können und ob von daher die Voraussetzungen für den Fortbestand der Einrichtung weiter gegeben sind oder ob ggf. Auflagen zu erteilen sind“. Vor diesem Hintergrund sind „Vorkommnisse, die in eine Kindeswohlgefährdung münden können“ solche, bei denen eine Kindeswohlgefährdung zwar noch nicht eingetreten ist, aber voraussichtlich eintreten wird, sofern dem nicht mit geeigneten Mitteln entgegen gewirkt wird. Der – seinerseits interpretationsbedürftige – Begriff der Kindeswohlgefährdung ist dabei nicht anders zu verstehen als in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, namentlich in § 45 Abs. 2 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 SGB VIII. „Sittlichkeitsdelikte“ bezeichnen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Und (sonstige) „erhebliche Handlungen zum Nachteil betreuter Minderjähriger“ beziehen sich auf in ihrer Tragweite vergleichbare Handlungen, die Anlass geben können, die Eignung der Einrichtung zur Betreuung des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen zu überprüfen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 4 Bf 212/12.Z
- vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27.11.2007, 12 A 4697/06, FEVS 59, 318 49[↩]
- vgl. Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 45 Rn. 30[↩]
- vgl. Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 45 Rn. 64[↩]
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2012, 4 Bs 248/12, NordÖR 2013, 32013 ff.[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.03.2000, 16 A 4169/98 9[↩]
- vgl. BT-Drs. 17, 6256, S. 24[↩][↩]