Verlustverrechnung bei privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien – und die Übergangsregelung

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass die auf fünf Jahre befristete Übergangsregelung zur Verrechnung von sog. Altverlusten mit Einkünften aus Kapitalvermögen aus § 20 Abs. 2 EStG, die der Abgeltungsteuer unterliegen, verfassungsgemäß ist.

Verlustverrechnung bei privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien – und die Übergangsregelung

Der Einwand, der Steuerpflichtige unterliege einer faktischen Verlustvernichtung, weil er keine Neugewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften mehr erzielen werde, stellt jedenfalls dann keinen neuen Gesichtspunkt dar, der zu einer erneuten Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung durch den Bundesfinanzhof Anlass gibt, wenn der Steuerpflichtige in der Vergangenheit steuerbare verrechenbare Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften hätte realisieren können, hiervon aber aus wirtschaftlichen Gründen Abstand genommen hat.

Hat der Bundesfinanzhof in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage erläutert werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten sein könnte. Wenn die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe bei erneuter Überprüfung durch den Bundesfinanzhof eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen, muss die Nichtzulassungsbeschwerde abschlägig beschieden werden1.

Die Frage, ob die Übergangsregelung des § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung -EStG 2013-2, nach der § 23 Abs. 3 Sätze 3 und 9 EStG a.F. letztmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden sind, verfassungswidrig ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt. Sowohl der IX. Senat des Bundesfinanzhofs3 als auch der hier erkennende VIII. Senat4 haben weder hinsichtlich der Beschränkung der Verlustverrechnungsmöglichkeit für vor dem 01.01.2009 entstandene Altverluste aus Wertpapieren mit Neugewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften dem Grunde nach noch hinsichtlich der Länge der Fünfjahresfrist, während der auch eine Verlustverrechnung der Altverluste mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.20075 -Neugewinnen- möglich war, Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Übergangsregelung.

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Zur Frage, ob eine faktische Verlustvernichtung die Verfassungsgemäßheit der Übergangsregelung in Frage stellen kann, hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs sich in seinem Urteil in BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 313 am Rande geäußert. Er hat ausgeführt, in der „Zusammenschau der Gegebenheiten“, maßgeblich des Umstands, dass der Steuerpflichtige bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften mit der Wahl des Veräußerungszeitpunkts über die Steuerbarkeit des Gewinns und Verlusts bestimmen könne, stelle der Wegfall der Verrechenbarkeit von Altverlusten aus Wertpapiergeschäften mit ebensolchen Neugewinnen nach dem 31.12.2008 eine grundsätzlich hinzunehmende (verfassungsgemäße) wirtschaftliche Entwertung des Verlustverrechnungspotenzials aus den Altverlusten dar. Ob dann, wenn feststehe, dass der Steuerpflichtige faktisch keine Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften mehr erzielen könne (sog. faktische Verlustvernichtung in Form eines Definitiveffekts), eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblich sein könne, hat der IX. Senat mangels Entscheidungserheblichkeit im dortigen Streitfall nicht erörtert.

Hierauf stützen sich die Anleger und machen geltend, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse stehe im Streitjahr 2015 fest, dass eine Verrechnung ihrer Altverluste aus Wertpapiergeschäften mit Neugewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 faktisch nicht mehr in Betracht komme. Der drohende Verlustuntergang gebiete verfassungsrechtlich eine Verlängerung der Übergangsregelung des § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG 2013, um ihnen über die Fünfjahresfrist hinaus im Streitjahr eine Verrechnung der Altverluste mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG zu ermöglichen.

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Allein daraus, dass die Anleger sich auf die Situation eines faktischen Verlustuntergangs im Streitjahr berufen, folgt aber kein neuer Gesichtspunkt, der im Streitfall eine erneute Befassung des Bundesfinanzhofs mit der Verfassungsgemäßheit der Länge der Übergangsfrist erforderlich macht. Die Anleger tragen auch vor, dass sie vor dem Streitjahr die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Altverluste aus Wertpapiergeschäften mit einem dann steuerbaren Gewinn aus der Veräußerung einer Immobilie zu verrechnen, von deren Verkauf sie aber aus wirtschaftlichen Gründen Abstand genommen hätten. Der Gesichtspunkt, dass ein Steuerpflichtiger es bei privaten Veräußerungsgeschäften durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts weitgehend in der Hand hat, ob er steuerbare oder nicht steuerbare Gewinne erzielen will, war für den IX. Senat des Bundesfinanzhofs in Rz 20 bis 22 des Urteils in BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 313 jedoch ein maßgebliches Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Der Bundesfinanzhof schließt hieraus, dass jedenfalls ein Steuerpflichtiger, der wie die Anleger nicht sämtliche Möglichkeiten der Verlustverrechnung mit Neugewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften nutzt und damit auch über die Höhe seines später möglicherweise verfallenden Altverlusts disponiert, keiner verfassungsrechtlich bedenklichen faktischen Verlustvernichtung unterliegt. Er befindet sich verfassungsrechtlich betrachtet in derselben Situation wie andere Steuerpflichtige, die ihre Altverluste aus Wertpapiergeschäften bis zum Ablauf der Übergangsfrist nicht verrechnen können und dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für die Anleger.

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Da es an einer klärungsbedürftigen verfassungsrechtlichen Rechtsfrage fehlt, ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO stellt einen Spezialfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar und setzt die Darlegung und das Vorliegen einer hinreichend bestimmten und im Allgemeininteresse liegenden, klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage voraus. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu der unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt ist. Daran fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den Bundesfinanzhof geboten erscheinen lassen6. Daran fehlt es hier.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. September 2021 – VIII B 138/20

  1. BFH, Beschluss vom 06.03.2019 – VIII B 94/18, BFH/NV 2019, 935, Rz 3, 4[]
  2. aufgehoben durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266, mit Wirkung vom 31.07.2014[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 06.12.2016 – IX R 48/15, BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 313[]
  4. BFH, Urteile vom 03.11.2015 – VIII R 37/13, BFHE 252, 274, BStBl II 2016, 273, Rz 14 ff.; vom 29.08.2017 – VIII R 5/15, BFHE 259, 329, BStBl II 2018, 66, Rz 22[]
  5. BGBl I 2007, 1912[]
  6. BFH, Beschluss vom 09.10.2020 – VIII B 162/19, BFH/NV 2021, 289, Rz 14[]
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