Es ist weder aus verfassungs- noch aus unionsrechtlicher Sicht zu beanstanden, dass § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. auch den Abzug von Veräußerungsverlusten und Teilwertabschreibungen ausschließt.

Nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Abs. 2 genannten Anteil entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. In § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 a.F. ist u.a. der Anteil an einer Körperschaft aufgeführt, deren Leistungen beim Empfänger (u.a.) zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 gehören; Gewinne aus der Veräußerung eines solchen Anteils bleiben bei der Ermittlung des Einkommens der beteiligten Körperschaft außer Ansatz.
Auch von der in § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 a.F. angeordneten Steuerfreistellung von „Gewinnen“ aus der Veräußerung eines Anteils an einer entsprechenden Körperschaft sollen ersichtlich nur positive Veräußerungsgewinne erfasst werden, nicht aber Veräußerungsverluste. Das mag in systematischer Hinsicht nicht vollkommen überzeugen1; es entspricht jedoch dem Regelungskonzept, einschlägige Gewinne nur einmal der Schlussbelastung beim Gesellschafter zu unterwerfen, und das erhellt nicht zuletzt der systematische Zusammenhang zu Abs. 3 der Vorschrift, die korrespondierende Gewinnminderungen –und damit auch Verluste– von der Begünstigung ausnimmt.
Etwas anders ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch nicht aus der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu der parallelen Regelungslage in § 3 Nr. 40 Buchst. c i.V.m. § 17 Abs. 1 und 4 EStG 2002 einerseits und § 3c Abs. 2 EStG 2002 andererseits. Der IX. Senat des BFH vertritt dazu zwar die Rechtsauffassung, der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG 2002 sei jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat2. Eine Übertragung dieser Betrachtungsweise auf die hier in Rede stehende Regelungskonstellation des § 8b Abs. 2 und Abs. 3 KStG 2002 a.F. scheitert indessen. Denn abweichend von § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 verknüpft § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. den Ausschluss der aufgeführten Abzugspositionen nicht mit Einnahmen, welche mit jenen Positionen in Zusammenhang stehen, sondern verlangt einen Zusammenhang zwischen den Gewinnminderungen und den in Abs. 2 der Vorschrift genannten Anteilen. Der maßgebliche Bezugspunkt orientiert sich also an dem durch die Freistellung steuerbegünstigten Besteuerungsobjekt –den veräußerten Anteilen– und nicht an den steuerbegünstigten Einnahmen –den Veräußerungsgewinnen–. Auch das mag aus rechtssystematischer Sicht kritisiert werden3, ändert indes nichts daran, dass der erforderliche Zusammenhang nicht davon abhängig ist, ob die steuerpflichtige Körperschaft in dem nämlichen oder in einem anderen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum tatsächlich Einnahmen aus jenen Anteilen oder Gewinne aus deren Veräußerung erwirtschaftet.
Allerdings ist einzuräumen, dass die von § 8b Abs. 3 KStG a.F. unterstellte Situation einer andernfalls doppelten Berücksichtigung von Verlusten sowohl bei der Tochterkapitalgesellschaft als auch beim Gesellschafter bei endgültigen (Veräußerungs- und Liquidations-)Verlusten kaum vorstellbar ist. Das könnte deswegen abermals aus steuersystematischer, ggf. aber auch aus verfassungsrechtlicher Sicht dafür sprechen, Veräußerungs- und Liquidationsverluste generell von dem Abzugsausschluss des § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. auszunehmen4. Der Bundesfinanzhof sieht die Grenze zur Verfassungsmäßigkeit dennoch nicht als überschritten an. Das Prinzip der Einmalbesteuerung wird weder im Gewinn- noch im Verlustfall strikt umgesetzt; es ist im Gesetz lediglich regelungstypisierend angelegt. Die durchgängige und folgerichtige Korrespondenz zwischen steuerbefreiten Einnahmen einerseits und vom Abzugsverbot betroffenen Ausgaben andererseits ist deshalb unabhängig davon hinzunehmen, dass es in Einzelfällen zu „überschiessenden“ Wirkungen kommen kann. Das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips wird dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise verletzt5.
Auch den von der Klägerin gegen § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. erhobenen unionsrechtlichen Einwendungen kann nicht beigepflichtet werden, so der Bundesfinanzhof.
Sie lassen sich insbesondere nicht auf die Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union, zum ausnahmsweisen Abzug sog. finaler Auslandsverluste stützen6. Denn anders als in denjenigen Situationen, über welche der Europäische Gerichtshof dort zu entscheiden hatte, behandelt § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. Auslands- wie Inlandsbeteiligungen hinsichtlich der Gewinnminderungen und ihres Abzugsausschlusses (ebenso wie § 8b Abs. 2 KStG 2002 die Freistellung damit korrespondierender Veräußerungsgewinne) gleich und ist für eine einseitige Beschränkung von Auslandsbeteiligungen nichts ersichtlich. Überdies geht es im Streitfall um (negative) Positionen im Vermögen (Veräußerungsverlust) und um damit im Zusammenhang stehenden Aufwand (Teilwertabschreibung) auf der Ebene der Anteilseignerin7, nicht aber um den Abzug laufender Verluste der Auslandsgesellschaften; nur um die letztere Frage ging es aber in der EuGH-Rechtssache „Marks & Spencer“, und nur dort stellt sich das Problem des Abzugs „finaler“ Verluste. Die Vorinstanz gelangt deswegen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Recht zu der Erkenntnis, dass bei dieser gesetzlichen Konzeption sich EU-rechtliche Bedenken schon dem Grunde nach nicht ergeben können und der steuerwirksame Abzug jener Positionen deswegen auch nicht eingefordert werden kann.
Das gilt gleichermaßen für den Einwand, in Organschaftsfällen (§§ 14 ff. KStG 2002) wäre bei einer Inlandsbeteiligung anders als bei einer Auslandsbeteiligung eine Verlustberücksichtigung über den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags möglich gewesen. Es ist –zum ersten und vor allem– nichts dafür ersichtlich, dass die Beteiligten ein Organschaftsverhältnis hätten begründen wollen und dass sie die dafür gesetzten Regelungserfordernisse der §§ 14 ff. KStG 2002 –unbeschadet des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrages– überhaupt hätten erfüllen können. Insofern ist der Abgleich mit einem Steuerpflichtigen, der seiner Beteiligungsgesellschaft organschaftlich verbunden wäre, ein rein virtueller, der für die Gegebenheiten des Streitfalls von vornherein nicht zur Annahme einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit veranlasst. Es ist –zum zweiten und ohne dass dies abschließend entschieden werden müsste– ohnehin zu bezweifeln, dass das Erfordernis des § 14 Abs. 1 KStG 2002, zur Begründung eines wirksamen Organschaftsverhältnisses einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen zu müssen, als solches (und unbeschadet seiner Ausgestaltung im Einzelnen) überhaupt gegen Unionsrecht verstößt; es genügt an dieser Stelle der Hinweis auf das „X-Holding“-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. Februar 20108. Und schließlich –drittens– ist zutreffend darauf hinzuweisen, dass sich auch im Inlandsfall kein Verlust der Organgesellschaft ergäbe, der auf die Klägerin übertragen werden könnte; auch bei einer Inlandsbeteiligung wäre die vom Organträger vorgenommene Abschreibung und wäre der erlittene Veräußerungsverlust nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. außerbilanziell gewinnerhöhend zu korrigieren. Nach allem erübrigt sich ein weiteres Eingehen insbesondere auf die Frage nach dem Verhältnis eines (möglichen) Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV i.V.m. Art. 48 EGV9, jetzt Art. 49 AEUV i.V.m. Art. 54 AEUV10) und eines (möglichen) Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) im Hinblick auf sog. Drittstaaten, hier Argentinien11.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Oktober 2010 – I R 79/09
- vgl. z.B. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 266; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 172[↩]
- BFH, Beschluss vom 18.03.2010 – IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627, m.w.N.[↩]
- vgl. Lechner/Schänzle, DB, Beilage 1/2002, 18; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG Rz 85[↩]
- vgl. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 8b KStG Rz 86; Raupach in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 25, 2002, S. 9, 20; Spengel/Schaden, DStR 2003, 2192, 2198 ff.; Briese, StuB 2003, 443; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz 136; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, a.a.O., § 8b Rz 173; Kessler/ Kahl, DB 2002, 2236, 2238[↩]
- ebenso Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rz 108; s. auch Schön, StuW 2000, 151, 158; Birk, StuW 2000, 328, 336[↩]
- vgl. dazu im Zusammenhang mit Verlusten aus ausländischen Tochter-Kapitalgesellschaften: EuGH, Urteil vom 13.12.2005 – C-446/03 [Marks & Spencer], Slg. 2005, I-10837; sowie bezogen auf Auslandsbetriebsstätten: BFH, Urteile vom 09.06.2010 – I R 100/09, BFHE 230, 30, BStBl II 2010, 1065; sowie I R 107/09, BFHE 230, 35, jeweils m.w.N., insbesondere zur EuGH-Rechtsprechung[↩]
- siehe dazu EuGH, Urteil vom 29.03.2007 – C-347/04 [REWE Zentralfinanz], Slg. 2007, I-2647, dort aber im Unterschied zum Streitfall für eine ungleiche steuerliche Behandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.[↩]
- EuGH, Urteil vom 25.02.2010 – C-337/08 [X Holding], DStR 2010, 427[↩]
- nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 1997 Nr. C-340, 1[↩]
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV– i.d.F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl.EU 2007 Nr. C 306/01[↩]
- siehe dazu BFH, Urteil vom 26.11.2008 – I R 7/08, BFHE 224, 50[↩]