Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben

Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.

Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben

Inhaltsadressat eines Verwaltungsaktes ist derjenige, gegen den er sich richtet, für den er bestimmt ist und gegen den er wirken soll1. Bei Steuerbescheiden ist dies der Steuerschuldner, bei Feststellungsbescheiden der Feststellungsbeteiligte, gegen den sich die Feststellungen richten (vgl. § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind2. Der Feststellungsbeteiligte ist regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO)3.

Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft erfolgt die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die Erbengemeinschaft (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BewG).

Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwertes (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) ist der Erbe, für dessen Besteuerung die Feststellung des Grundbesitzwertes von Bedeutung ist. § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BewG regelt den Fall der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Erben. Die Regelung soll bewirken, dass der Feststellungsbescheid für die durch die Erbengemeinschaft vertretenen Miterben Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit und des festgestellten Wertes hat sowie darüber, dass die wirtschaftliche Einheit allen Miterben zuzurechnen ist4. Damit wird die Erbengemeinschaft jedoch nicht zum Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids, denn die zu treffenden Feststellungen sind nicht für die Besteuerung der Erbengemeinschaft selbst, sondern bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die von den Feststellungen betroffenen Miterben von Bedeutung. Inhaltsadressaten der gesonderten Feststellung bleiben die Miterben auch, wenn die Feststellung gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolgt.

Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt. Für Bewertungsstichtage nach dem 30.06.2011 (vgl. § 205 Abs. 1 BewG n.F.5) folgt dies ausdrücklich aus § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG n.F., wonach diejenigen, die eine Steuer schulden, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist, am Feststellungsverfahren beteiligt sind. Für frühere Bewertungsstichtage folgt dies aus der Rechtsprechung des BFH, wonach den in Betracht kommenden Steuerschuldnern der Gegenstand der Wertfeststellung i.S. des § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG zuzurechnen ist und diese Steuerpflichtigen am Feststellungsverfahren beteiligt sind6.

Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten. Dabei ist es ausreichend, wenn sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids ergeben, z.B. aus einer Anlage7, aus den Erläuterungen des Bescheids oder aus einem in Bezug genommenen Bericht über eine Außenprüfung8.

Formalismus und Wortklauberei sind unangebracht; entscheidend ist vielmehr, ob sich der Inhaltsadressat sicher identifizieren lässt9. Daher ist die Bezeichnung Erbengemeinschaft mit dem Zusatz der Namen der Erben ausreichend, denn die Mitglieder der Erbengemeinschaft können einem solchen Bescheid entnehmen, dass dieser sich gegen sie als Erbengemeinschaft richtet10.

Letztlich können an die Bezeichnung des Inhaltsadressaten bei einem Feststellungsbescheid keine geringeren Anforderungen gestellt werden als in den Fällen, in denen gegen die Erbengemeinschaft -ausnahmsweise- als Steuerschuldnerin oder Gesamtrechtsnachfolgerin des Steuerschuldners Steuerbescheide erlassen werden. Auch in diesen Fällen muss der an die Erbengemeinschaft gerichtete Steuerbescheid mangels Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft zur Identifizierung grundsätzlich den Namen des Erblassers und die Namen der einzelnen Miterben enthalten11. Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung12.

Aus § 154 Abs. 3 BewG kann nicht hergeleitet werden, dass die Bezeichnung der Miterben im Feststellungsbescheid entbehrlich wäre. Diese Vorschrift enthält lediglich Regelungen über die (erleichterte) Bekanntgabe des Feststellungsbescheids, trifft aber keine Regelung über dessen Inhaltsadressaten.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte der Feststellungsbescheid den Inhaltsadressaten nicht hinreichend genau bezeichnet und war daher nichtig: Weder aus dem Adressfeld, noch aus der Bezeichnung „O-Erbengemeinschaft“ noch aus den weiteren Erläuterungen des Bescheids lässt sich entnehmen, aus welchen Mitgliedern die Erbengemeinschaft besteht. Der Bescheid enthält zwar den Hinweis, dass er mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft ergeht. Namentlich bezeichnet sind die Miterben jedoch nicht. Es kann dahinstehen, ob die spätere Bezeichnung in der Einspruchsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt, denn eine Heilung der mangelnden Bezeichnung der Inhaltsadressaten in der Einspruchsentscheidung war nicht möglich13.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. September 2015 – II R 31/13

  1. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO Rz 18[]
  2. BFH, Urteile vom 17.09.1997 – II R 49/95, BFH/NV 1998, 417; vom 02.07.2004 – II R 73/01, BFH/NV 2005, 214; und vom 07.07.2004 – II R 77/01, BFH/NV 2005, 73[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 1998, 417, m.w.N.[]
  4. BT-Drs. 16/7918, S. 40[]
  5. i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131[]
  6. BFH, Urteil vom 06.07.2011 – II R 44/10, BFHE 234, 107, BStBl II 2012, 5, Rz 24 und 30[]
  7. vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 179 AO Rz 8, m.w.N.[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 17.11.2005 – III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287[]
  9. BFH, Urteil in BFH/NV 2005, 73[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2005, 73[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 29.11.1972 – II R 42/67, BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372, zur Grunderwerbsteuer, und BFH, Beschluss vom 17.11.1987 – V B 111/87, BFH/NV 1988, 682, zur Umsatzsteuer[]
  12. vgl. 2.4.1.3 AOAE zu § 122[]
  13. BFH, Urteil in BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO Rz 19, § 125 AO Rz 7; Söhn in HHSp, a.a.O., § 179 AO Rz 162[]