Nach § 56 Abs. 1 FGO ist Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Revision nur zu gewähren, wenn der Revisionskläger ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses gestellt und die zur Begründung des Antrags vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht hat (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO). Bei der Beurteilung, ob eine Behörde sich die Versäumung einer gesetzlichen Frist als schuldhaft anrechnen lassen muss, gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe, wie sie die Rechtsprechung für das Verschulden von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe entwickelt hat1.

Bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze über externe Dienstleister braucht eine Behörde das Verschulden eines Mitarbeiters in der Absendestelle nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn eine wirksame Ausgangskontrolle besteht oder der Mitarbeiter zumindest auf die Bedeutung und Eilbedürftigkeit des Schriftstücks ausdrücklich hingewiesen wurde2. Daher ist eine Behörde zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet, die voraussetzt, dass die Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes, d.h. die Übergabe des Schriftstücks an den externen Dienstleister oder Empfangsboten, durch eine Person kontrolliert wird, die den gesamten Bearbeitungsvorgang überwachen kann. Die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle reichen hierfür ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet, weil dadurch noch nicht ausreichend sichergestellt ist, dass das Schriftstück auch tatsächlich unmittelbar zur Weiterbeförderung an die Post gelangt. Vielmehr ist erforderlich, dass die ordnungsgemäße Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes durch einen Absendevermerk der Poststelle in den Akten festgehalten wird3. Ist eine solche zentrale Ausgangskontrolle nicht vorgesehen, muss zumindest derjenige, der den Vorgang zuletzt bearbeitet hat oder an der Bearbeitung beteiligt war, die mit der Absendung beauftragte Poststelle auf die Frist und die Wichtigkeit des Schriftstücks hinweisen4.
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch bei der Versendung fristwahrender Schriftstücke im Wege des Behördenaustausches. Dies folgt daraus, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach behördeneigene Mitarbeiter zuverlässiger arbeiten würden als etwa solche der Post. Vergleichbarkeit herrscht auch insoweit, als im Wege des Behördenaustausches nicht nur fristwahrende, sondern ebenso auch sonstige Schriftstücke transportiert werden. Dies macht es notwendig, bei fristwahrenden Schriftstücken eine Ausgangskontrolle vorzusehen oder aber zumindest die mit der behördeninternen Weiterleitung beauftragte Poststelle auf die Frist und die Wichtigkeit des Schriftstücks hinzuweisen und dies zu dokumentieren. Auch ist zu bedenken, dass gerade die behördeninterne Weiterleitung über eine vorgesetzte oder sonstige Dienststelle mit besonderen Fehlerquellen behaftet sein kann, weshalb sich unter Umständen sogar eine Pflicht ergeben kann, wegen des Eingangs des fristwahrenden Schriftsatzes beim Empfänger nachzufragen5.
Im vorliegenden Fall wollte der Bundesfinanzhof dem Finanzamt daher keine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist gewähren:
Nach den vorgenannten Maßstäben hat das Finanzamt keine Tatsachen vorgetragen, die die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unverschuldet erscheinen lassen. Sein Sachvortrag schließt die –nicht nur theoretische oder ganz entfernt liegende– Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis nicht aus, so dass die Gewährung von Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.
Im Streitfall hat das Finanzamt zwar hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Revisionsbegründung rechtzeitig gefertigt, gezeichnet und in den Postausgang gelegt wurde. Der zuständige Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle konnte aber gerade nicht versichern, dass er das entsprechende Schreiben persönlich der Poststelle übergeben und auf die Wichtigkeit des Schriftstücks hingewiesen hätte. Insofern reicht die –auch vom Leiter der Poststelle des Finanzamt bestätigte– Angabe, er habe wichtige Schriftstücke regelmäßig persönlich in die Poststelle gebracht, nicht aus, um die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis im Streitfall auszuschließen. Dazu wäre glaubhaft zu machen gewesen, dass der Sachgebietsleiter jedes fristwahrende Schriftstück stets persönlich in die Poststelle gebracht und auf die jeweilige Frist und die entsprechende Wichtigkeit des Schriftstücks hingewiesen hätte.
Auch die Angabe des Sachgebietsleiters, das Schriftstück habe am nächsten Tag nicht mehr in seinem Postausgang gelegen und es habe der Postaustausch mit dem BFH bis dahin reibungslos funktioniert, bedeutet nicht zwingend, dass die Revisionsbegründungsschrift die Poststelle erreicht hat und von dort auch korrekt weitergeleitet wurde. Das Finanzamt hat dazu nämlich gerade keine eidesstattliche Versicherung des mit der Postabholung und ‑weiterleitung konkret betrauten Z, sondern nur eine solche seines Vorgesetzen, des Leiters der Poststelle, beigebracht. Dieser hat allerdings nur angegeben, die Ausgangspost sei im Zeitraum vom 15.09. bis 19.10.2010 zeitnah erledigt worden und es sei kein Schriftstück über mehrere Tage liegen geblieben. Dies als wahr unterstellt, ist es aber nicht ausgeschlossen, dass die Revisionsbegründungsschrift die Poststelle gar nicht erreicht hat oder aufgrund falscher Zuordnung einem falschen Adressaten zugeleitet wurde6.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. Mai 2013 – IV R 24/10
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschlüsse vom 16.01.2007 – IX R 41/05, BFH/NV 2007, 1508; vom 25.11.2008 – III R 78/06, BFH/NV 2009, 407[↩]
- BFH, Beschluss vom 10.07.1996 – II R 12/96, BFH/NV 1997, 47[↩]
- BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2007, 1508, und in BFH/NV 2009, 407[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2009, 407[↩]
- vgl. etwa BFH, Beschluss vom 07.04.1998 – VII R 70/96, BFH/NV 1998, 1115[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschluss vom 08.09.1998 – VII R 136/97, BFH/NV 1999, 73[↩]