Keine Steuerbescheide per Computer-Fax

Eine vom Finanzamt mittels Computer-Fax (sog. Ferrari-Fax-Verfahren) übersandte Einspruchsentscheidung ist nach einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts Köln nichtig, wenn sie mit keiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Sie entfaltet keine Rechtswirkung und setzt damit auch die einmonatige Klagefrist nicht in Gang.

Keine Steuerbescheide per Computer-Fax

In dem Verfahren wendete der Kläger ein, dass er die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes nicht erhalten habe, obwohl das Finanzamt den Sendebericht der Übermittlung per Computer-Fax vorgelegt hatte. Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln kommt es aber gar nicht auf den Erhalt der Einspruchsentscheidung durch den Kläger an, da die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bereits unwirksam sei. Bei der Übermittlung durch Computer-Fax handele es sich nämlich um einen elektronischen Verwaltungsakt, der nur dann gültig sei, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werde.

Die qualifizierte elektronische Signatur soll sicherstellen, dass ein elektronisches Dokument, typischerweise eine eMail, tatsächlich vom Absender stammt und unverfälscht übermittelt worden ist. Diese wird allerdings kaum im elektronischen Rechtsverkehr angenommen, obwohl sie dort vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist.

Eine einheitliche Rechtsprechung zu dieser Frage besteht freilich auch beim Finanzgericht Köln nicht. Aktuell wertete der 6. Senat des Finanzgerichts Köln die Übermittlung per Computerfax als elektronisch übermittelten Verwaltungsakt. Ein halbes Jahr früher hat der 5. Senat des Finanzgerichts Köln freilich genau gegenläüfig entschieden, dass ein per Computer-Fax übermitteltes Fax dann kein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt sei, wenn das Empfangsgerät keine elektronische Aufzeichnung ermögliche1.

Weiterlesen:
Kanalreparatur als außergewöhnliche Belastung

Gegen das Urteil des 5. Senats des Finanzgerichts Köln wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt2. Der 6. Senat hat in seinem Urteil nun ebenfalls die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Der Bundesfinanzhof hat diese Frage bisher noch nicht geklärt. Zwar existiert zur Bekanntgabe per Telefax bereits ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 19983, das jedoch noch auf der früheren Fassung der AO beruht, wonach schriftliche Verwaltungsakte nur schriftlich bekannt gegeben werden konnten. Allerdings hat sich das Bundesverwaltungsgericht bereits mit dieser Frage befasst und das Computer nicht als elektronisches Dokument, sondern lediglich als schriftliches Dokument angesehen, für das eine digitale Signatur nicht erforderlich ist4.

In der Rechtsprechung werden Telefaxe und Computerfaxe kontrovers als elektronische Dokumente5 bzw. als schriftliche Dokumente4 behandelt6.

Der 5. Senat des Finanzgerichts Köln hat darauf abgestellt, ob das Empfangsgerät das eingehende Dokument elektronisch aufzeichnen und weiter bearbeiten kann oder ob es die Sendung lediglich auf Papier ausdrucken kann7. Diese Differenzierung findet sich auch im Schrifttum8. Andere Stimmen in der Literatur machen die Abgrenzung davon abhängig, worauf der Entäußerungswille der Behörde gerichtet sei9.

Der 6. Senat des Finanzgerichts Köln packt nun die Finanzverwaltung bei ihrer eigenen Verwaltungsauffassung: Die Finanzverwaltung sieht Telefaxe grundsätzlich als elektronische Dokumente an10.

Konsequent ist der 6. Senat des FG freilich auch nicht: Er verlangt die elektronische Signatur nicht für das Fax an den Steuerpflichtigen, sondern lediglich für die eMail des Mitarbeiters im Finanzamt an das Rechenzentrum der Finanzverwaltung, mit dem der Faxversand ausgelöst wird.

Weiterlesen:
Rettungsdienste sind nicht gemeinnützig

Der 6. Senat des FG Köln stützt sich bei seiner Einordnung der Einspruchsentscheidung als elektronisches Dokument auf formale Überlegungen: Im Gesetzgebungsverfahren ist zwar in erster Linie hervorgehoben worden, dass eine verstärkte Nutzung der eMail erreicht werden solle11. Gleichwohl wurde das Telefax in der Gesetzesbegründung ausdrücklich als elektronisch übermitteltes Dokument eingestuft12. Da um die Zulässigkeit einer Klageerhebung durch Computerfax jahrelang vor Gericht gestritten wurde13, liegt es nahe anzunehmen, dass mit dem dritten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften alle einschlägigen Fragen – und damit auch die Behandlung von Telefaxen – geregelt werden sollten14. Bei den modernen Telefaxgeräten besteht typischerweise die von § 87a Abs. 1 Satz 2 AO vorausgesetzte Möglichkeit, das eingegangene Dokument in einer für den Empfänger bearbeitbaren Weise aufzuzeichnen. Für einen elektronischen Verwaltungsakt spricht zudem, dass die abschließende Entscheidung des Sachgebietsleiters allein in der Freigabe einer am Bildschirm sichtbaren Datei besteht. Der Sachgebietsleiter ist gleichsam unmittelbar in die elektronische Übermittlung eingebunden. Der Paraphierung der ausgedruckten Einspruchsentscheidung ist demgegenüber keine besondere rechtliche Bedeutung beizumessen.

Ist die durch Gesetz für Verwaltungsakte angeordnete Schriftform von der Finanzbehörde nicht gewahrt worden, kann sie nach § 87a Abs. 4 Satz 1 AO durch die elektronische Form ersetzt werden, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Diese Vorschrift gilt für Einspruchsentscheidungen schon deshalb, weil diese nach § 366 AO „schriftlich“ zu erteilen sind. Die Anordnung der Schriftform bedeutet, dass der Inhalt des Verwaltungsakts in einem Schriftstück dokumentiert werden muss, welches die erlassende Behörde erkennen lässt und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthält (§ 119 Abs. 3 AO). Angesichts dieser klaren gesetzlichen Regelung kann sich der 6. Senat nicht der Ansicht der Finanzverwaltung anschließen, durch Telefax bekannt gegebene Verwaltungsakte seien zwar elektronische Verwaltungsakte im Sinne des § 122 Abs. 2a AO, auf sie sei aber § 87a AO nicht anwendbar15. Überzeugen kann ferner nicht die Auffassung von Thürmer16, dass eine qualifizierte Signatur unterbleiben könne, wenn einer Erklärung im Papierformat ausnahmsweise auch ohne eigenhändige Unterschrift des Ausstellers im Rechtsverkehr Bedeutung beigemessen würde, wie das nach §§ 366, 119 Abs. 3 Satz 2 AO bei der Einspruchsentscheidung der Fall ist, für welche die Namenswiedergabe ausreicht17. Nach der Auffassung von Thürmer verbliebe für § 87a Abs. 4 Satz 1 AO praktisch kein Anwendungsbereich mehr. Die Notwendigkeit einer elektronischen Signatur besteht dagegen auch bei einer elektronischen Einspruchsentscheidung; sie soll nämlich deren Authentizität und Integrität gewährleisten.

Weiterlesen:
Steuer-Querulanten

Für Verwaltungsakte ist die elektronische Form im Sinne des § 87a Abs. 4 Satz 1 AO nur ausgeschlossen, soweit es um Pfändungsverfügungen (§ 309 Abs. 1 Satz 2 AO) und Arrestanordnungen (§ 324 Abs. 2 Satz 3 AO) geht. Bei Einspruchsentscheidungen besteht ein entsprechender Ausschluss nicht.

Die elektronische Form ersetzt eine gesetzliche Schriftform für Verwaltungsakte nur dann, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz (§ 2 Nr. 3 SigG) versehen ist (§ 87a Abs. 4 Satz 2 AO) und das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lässt (§ 119 Abs. 3 Satz 3 AO i.V.m. § 7 SigG).

§ 87a Abs. 6 Satz 1 AO ist, so der 6. Senat des Finanzgerichts Köln, nicht einschlägig. Nach dieser Norm kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Fälle der Absätze 3 und 4 neben der qualifizierten elektronischen Signatur bis zum 31. Dezember 2011 auch ein anderes sicheres Verfahren zulassen, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt. Die auf dieser Grundlage erlassene Steuerdaten-Übermittlungsverordnung vom 28. Januar 200318 enthält nur Ausnahmen für Fälle nach § 87a Abs. 3 AO, also für der Schriftform unterliegende Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen der Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde. Für die hier interessierenden formbedürftigen Verwaltungsakte der Finanzbehörde hat das Bundesfinanzministerium von der Möglichkeit des § 87a Abs. 6 Satz 1 AO keinen Gebrauch gemacht.

Weiterlesen:
Die schuldhaften Pflichtverletzung eines Entrichtungssteuerschuldners

Der Verstoß gegen das gesetzliche Formerfordernis ist ein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 AO und führt ebenso wie im Zivilrecht bei Rechtsgeschäften (§ 125 Satz 1 BGB) – zur Nichtigkeit des betreffenden Verwaltungsakts19. Dieselbe Rechtsfolge tritt ein, wenn wie im Streitfall bei gesetzlich vorgeschriebener Schriftform ein Verwaltungsakt in elektronischer Form ohne qualifizierte elektronische Signatur übermittelt wird20.

Die Nichtigkeit nach § 125 Abs. 1 AO schließt die Möglichkeit einer Heilung gemäß § 126 AO oder die Anwendung von § 127 AO aus. Auf die tatsächliche Frage, ob das Telefax des Beklagten vom Gerät des Klägers aufgezeichnet worden ist oder nicht (§ 122 Abs. 2a AO), kommt es, so der 6. Senat des FG Köln, nicht an.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 05. November 2009 – 6 K 3931/08 (nicht rechtskräftig)

  1. FG Köln, Urteil vom 11.03.2009 – 5 K 1396/05[]
  2. X R 22/09[]
  3. BFH, Urteil vom 08.07.1998 – I R 17/96, BStBl II 1999, 48[]
  4. BVerwG, Beschluss vom 30.03.2006 – 8 B 8/06, NJW 2006, 1989[][]
  5. BGH, Beschluss vom 25.04.2006 – IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214[]
  6. offen gelassen vom FG Düsseldorf, Urteile vom 24.04.2008 – 12 K 4730/04 E, EFG 2008, 1088; und vom 26.03.2009 – 11 K 508/06 E, EFG 2009, 1078[]
  7. FG Köln, Urteil vom 11.03.2009 – 5 K 1396/05, EFG 2009, 1079; zustimmend Rosenke, EFG 2009, 1080, Revision beim BFH anhängig unter Az. X R 22/09[]
  8. Pahlke in Pahlke/Koenig, § 122 Rn. 87 und Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 AO Rn. 327[]
  9. Schmitz/Schlatmann, NVwZ 2002, 1281, 1286[]
  10. vgl. AO-Anwendungserlass zu § 122 Nr. 1.8.2, BStBl I 2003, 17, und aktuell BStBl I 2008, 26; zustimmend Frotscher in Schwarz, § 122 AO Rn. 136a; siehe auch Finanzministerium NRW, Erlass vom 01.04.2004, S 0066, unter 2.1.1.[]
  11. BT-Drs. 14/9000 S. 2, 27, 29, 30, 31, 40, 43[]
  12. BT-Drs. 14/9000 S. 32[]
  13. GmS OGB, Beschluss vom 05.04.2000 – GmS OGB 1/98, NJW 2340; BVerfG, Beschluss vom 04.07.2002 – 2 BvR 2168/00, NJW 2002, 3534[]
  14. Roßnagel NJW 2003, 469, 470[]
  15. vgl. AO-Anwendungserlass zu § 122 Nr. 1.8.2, BStBl I 2003, 17 und aktuell BStBl I 2008, 26; zustimmend Frotscher in Schwarz, § 122 AO Rn. 136a[]
  16. in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO und FGO, Loseblattausgabe, § 87a Rn. 114[]
  17. wie hier Schmieszek in Beermann/ Gosch, AO und FGO, Loseblattausgabe, § 87a Rn. 99.1[]
  18. BGBl I S. 138[]
  19. BGH, Urteil vom 07.05.1991 – IX ZR 30/90, NJW 1991, 2147 zu § 324 Abs. 2 AO; BFH, Urteil vom 05.05.1999 – II R 44/96, BFH/NV 2000, 8 zu § 157 Abs. 1 Satz 1 AO[]
  20. Pahlke in Pahlke/Koenig, § 119 Rn. 27; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur AO, Loseblattausgabe, § 119 Rn. 15; Wagner in Kühn/von Wedelstädt, § 87a Rn. 12[]
Weiterlesen:
Kindergeldbezug aufgrund inländischer Einkünfte - und der fehlerhafte Steuerbescheid