Es gehört zu den (nicht delegierbaren) Aufgaben des Rechtsanwalts, bei der Bearbeitung der Sache den Ablauf der Klagefrist zu prüfen. Dabei darf ein Prozessbevollmächtigter sich nicht auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei verlassen, sondern hat zu prüfen, ob das dort angegebene Datum mit dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt.
Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist der Umschlag mit dem Zustellungsvermerk aufzubewahren und dem Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Wiedervorlage der Sache zur Prüfung der Frist mit vorzulegen.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz1 in der Vorinstanz ein dem Kläger nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden darin erblickt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Pflichten zur ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation mindestens fahrlässig verletzt habe. Er habe den Umschlag, mit dem die Einspruchsentscheidung zugestellt worden sei, nicht aufbewahrt, sondern entsorgt. Zudem habe er nicht organisatorisch sichergestellt, dass ihm die Umschläge eingehender Post zur Kenntnis gelangten. Schließlich hätten Instrumente gefehlt, um die dem Briefkasten montags entnommene Post den verschiedenen in Betracht kommenden Wochentagen der Postzustellung zuordnen zu können.
Dies ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs frei von Rechtsfehlern und steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung:
Wiedereinsetzung kann nach § 56 Abs. 1 FGO nur gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Versäumung der Klagefrist ist jedoch nicht entschuldbar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gehört es nämlich zu den Aufgaben des sachbearbeitenden Rechtsanwalts, bei der Bearbeitung der Sache eigenständig den Ablauf der Rechtsmittel(begründungs)frist (oder Klagefrist) zu prüfen. Dabei darf ein Prozessbevollmächtigter sich nicht auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei verlassen, sondern hat zu prüfen, ob das dort angegebene Datum mit dem vom Zusteller auf dem Zustellungsumschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt.
Bei der Zustellung gegen Zustellungsurkunde ist der Umschlag mit dem Zustellungsvermerk aufzubewahren und dem Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Wiedervorlage der Sache zur Prüfung der Frist mit vorzulegen2. Jedenfalls diese Verpflichtung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht beachtet.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. Oktober 2021 – IX B 48/21