Die Benachrichtigungspflicht des Lagerhalters

Bei der Benachrichtigungspflicht des Lagerhalters gemäß Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp handelt es sich um eine vertragswesentliche Pflicht (Kardinalpflicht) im Sinne von Ziffer 27.1 Halbsatz 2 ADSp. Gleiches gilt für die Auswahl eines geeigneten Lagerortes für das dem Lagerhalter anvertraute Gut. Der Auftraggeber des Lagerhalters muss einer schriftlichen Benachrichtigung gemäß Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp unter Berücksichtigung der den Parteien bekannten Umstände zweifelsfrei entnehmen können, dass und wohin das dem Lagerhalter anvertraute Gut umgelagert wurde.

Die Benachrichtigungspflicht des Lagerhalters

Der Lagerhalter haftet für die Beschädigung und Zerstörung der Lagerguts während der Obhutszeit des Lagerhalters grundsätzlich gemäß § 475 HGB auf Schadensersatz. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift haftet der Lagerhalter für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung entsteht, es sei denn, dass der Schaden durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnte. Gemäß § 475 Satz 2 HGB gilt dies auch dann, wenn der Lagerhalter das Gut bei einem Dritten einlagert (§ 472 Abs. 2 HGB).

Sofern die ADSp in den Vertrag einbezogen wurden, gilt: Gemäß Ziffer 24.1 ADSp ist die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes (Güterschaden) im Falle einer wie im Streitfall verfügten Lagerung grundsätzlich der Höhe nach begrenzt. Die Haftungsbegrenzungen gelten nach Ziffer 27.1 Halbsatz 2 ADSp allerdings nicht, wenn der Schaden durch Verletzung vertragswesentlicher Pflichten verursacht worden ist.

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Bei der Auswahl eines geeigneten Lagerplatzes für das dem Lagerhalter anvertraute Gut handelt es sich um eine Kardinalpflicht im Sinne von Ziffer 27.1 Halbsatz 2 ADSp. Der Lagerhalter schuldet aus dem mit seinem Auftraggeber geschlossenen Vertrag neben der Obhut über das Gut vor allem auch die Aufbewahrung der übergebenen Ware in einem dafür geeigneten Lager. Die Erfüllung dieser Hauptleistungspflicht des Lagerhalters ermöglicht erst die ordnungsgemäße Durchführung des Lagervertrags1. Demgemäß obliegt es auch dem Lagerhalter, das Lagergut in einem Raum zu lagern, der nicht aufgrund defekter elektrischer Leitungen oder ungesicherter Lampen brandgefährdet war.

Die Darlegungsund Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Wegfalls von Haftungsbefreiungen und begrenzungen liegt grundsätzlich bei dem geschädigten Anspruchsteller2. Danach ist die Klägerin für die Voraussetzungen einer unbeschränkten Haftung der Beklagten wegen Verletzung vertragswesentlicher Pflichten grundsätzlich beweisbelastet. Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungsund Beweislast wird jedoch dadurch gemildert, dass der Spediteur angesichts des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich eingehend vorzutragen3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast in ausreichendem Maße genügt hat. Dagegen hat die Revision nichts erinnert. Ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist insoweit auch nicht ersichtlich.

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Ein Wegfall der Haftungsbeschränkungen gemäß Ziffer 24 ADSp kann auch auf eine Verletzung der Benachrichtigungspflicht des Lagerhalters nach Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp gestützt werden.

Gemäß Ziffer 15.1 Satz 1 ADSp kann der Spediteur wählen, ob er das ihm übergebene Gut in seinen eigenen oder in fremden Lagerräumen lagert. Erfolgt die Lagerung bei einem fremden Lagerhalter, ist er nach Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp verpflichtet, seinem Auftraggeber dessen Namen und den Lagerort unverzüglich schriftlich bekanntzugeben.

Bei der Informationspflicht des Lagerhalters nach Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp handelt es sich um eine vertragswesentliche Pflicht im Sinne von Ziffer 27.1 Halbsatz 2 ADSp, da der Einlagerer wie der Streitfall gerade zeigt auf diese Weise in die Lage versetzt wird, sich für sein eingelagertes Gut ausreichenden Versicherungsschutz zu besorgen, was für ihn von ganz besonderem Interesse ist. Darüber hinaus erhält der Einlagerer durch eine Benachrichtigung nach Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp die Möglichkeit, von seinem Besichtigungsrecht gemäß Ziffer 15.2 ADSp Gebrauch zu machen. Auch daran hat der Auftraggeber des Lagerhalters ein erhebliches Interesse, weil er eine Unterbringung seines Gutes in ungeeigneten Lagerräumen nicht zu dulden braucht. Eine verspätete oder inhaltlich unzureichende Benachrichtigung des Einlagerers über eine vom Lagerhalter vorgenommene Umlagerung des Gutes in ein dem Auftraggeber unbekanntes Lager führt daher gemäß Ziffer 27.1 Halbsatz 2 ADSp ebenfalls zu einem Wegfall der Haftungsbeschränkungen nach Ziffer 24 ADSp.

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Pflichtangaben für geschäftliche eMails

Die von Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp verlangte Schriftlichkeit der Benachrichtigung des Einlagerers ist durch das EMail-Schreiben zwar eingehalten worden, da der Schriftform gemäß Ziffer 3.02. ADSp die Datenfernübertragung und jede sonst lesbare Form gleichsteht, sofern sie den Aussteller erkennbar macht. Eine Mitteilung über den Wechsel des Lagerortes muss wegen der Bedeutung der Informationspflicht für den Einlagerer aber auch inhaltlich und sprachlich eindeutig sein. Dem ist nur genügt, wenn der Auftraggeber, auf dessen Empfängerhorizont es für das Verständnis einer Benachrichtigung ankommt, der Mitteilung entnehmen kann, dass eine Umlagerung des Gutes bereits vorgenommen wurde. Es dürfen keine Zweifel daran bestehen, ob nur auf eine Lagerungsmöglichkeit hingewiesen wird, eine Umlagerung beabsichtigt ist oder ob sie tatsächlich schon stattgefunden hat.

Solche Zweifel schließt der Wortlaut einer eMail nicht aus, in der lediglich die Rede von einer weiteren Lagermöglichkeit ist. Der Hinweis auf die Möglichkeit, das Gut an einem anderen Ort zu lagern, deutet darauf hin, dass dem Einlagerer ein Angebot zu einer zusätzlichen Lagerkapazität gemacht werden sollte. Dagegen lässt sich dem Wortlaut der eMail allein nicht entnehmen, dass von dieser Lagermöglichkeit schon Gebrauch gemacht wurde.

Der Inhalt einer solchen eMail könnte für eine Bekanntgabe des neuen Lagerortes im Sinne von Ziffer 15.1 Satz 2 ADSp allerdings dann ausreichend sein, wenn zuvor schon Gespräche zwischen den Parteien über eine vom Lagerhalter bereits vorgenommene Umlagerung stattgefunden hatten. Für das Verständnis einer schriftlichen Mitteilung ist nicht allein auf deren Wortlaut abzustellen. Bei der Auslegung von Erklärungen müssen vielmehr auch die den Parteien bekannten Begleitumstände berücksichtigt werden.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 2014 – I ZR 48/13

  1. vgl. OLG Hamburg, TranspR 2003, 259, 260; OLG Köln, TranspR 2006, 401, 403; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Ziff. 27 ADSp Rn. 6a[]
  2. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27.02.1997 – I ZR 221/94, TranspR 1997, 440, 441 = VersR 1997, 1513; Urteil vom 15.11.2001 – I ZR 163/99, TranspR 2002, 452, 458; Urteil vom 08.05.2002 – I ZR 34/00, TranspR 2002, 408, 409 = VersR 2003, 395 mwN[]
  3. BGH, TranspR 2002, 408, 409[]