Vorsteuerabzug – und die Einzelheiten der Rechnung

Die Leistungsbezeichnung gelieferter Gegenstände erfordert, sofern Artikelnummern oder Herstellerbezeichnungen nicht erkennbar sind, eine zur Identifizierung geeignete Beschreibung der Beschaffenheit der Gegenstände.

Vorsteuerabzug – und die Einzelheiten der Rechnung

Das Lieferdatum ist auch dann zu benennen, wenn es mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt.

Substantiierte Darlegungen zur Leistungserbringung (durch den Rechnungsaussteller oder einen Dritten) sind jedenfalls dann erforderlich, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel rechtfertigen.

Der Unternehmer kann gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Gem. § 14 Abs. 4 UStG muss die Rechnung u. a. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers (Nr. 1), die diesem erteilte Steuernummer oder Umsatzsteueridentifikationsnummer (Nr. 2), das Ausstellungsdatum (Nr. 3), die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung (Nr. 5) sowie den Zeitpunkt der Lieferung und sonstigen Leistung (Nr. 6) enthalten. Diese Anforderungen beruhen auf den Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 (MwStSystRL)1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs genügt es in Bezug auf die notwendigen Rechnungsangaben grundsätzlich nicht, dass die Rechnung die betreffenden Angaben ihrer Art nach enthält, vielmehr müssen die Angaben zutreffend sein2. Zudem müssen Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer grundsätzlich identisch sein3.

Die Feststellungslast hat der den Vorsteuerabzug geltend machende Empfänger zu tragen.

Der Bundesfinanzhof hat in der Entscheidung vom 22.07.2015 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach der Steuerpflichtige die Obliegenheit habe, sich über die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu vergewissern. Schon in dem Urteil vom 19.04.20074 hat er für die aufgrund der Feststellungslast dem Steuerpflichtigen obliegende Mitwirkungspflicht auch die Beweisnähe berücksichtigt und die Glaubhaftmachung entscheidungserheblicher Tatsachen durch den den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer verlangt.

Der Europäische Gerichtshof hat in verschiedenen neueren Urteilen über die Frage entschieden, inwieweit dem den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmer Nachprüfungspflichten auferlegt werden dürfen.

Nach den Entscheidungen zu den Verfahren C-80/11 und C-142/115, C-642/116 und C-643/117 kann von dem Steuerpflichtigen nicht generell verlangt werden zu prüfen, ob nach den Umständen der Rechnungsaussteller über die in der Rechnung bezeichneten Gegenstände verfügen und sie liefern konnte und ob der Rechnungsaussteller seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist. Etwas anderes gelte nur, wenn der Steuerpflichtige über Anhaltspunkte verfüge, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen8. Gleichermaßen sei der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn die Behörde nachweist, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz Mehrwertsteuer hinterzogen wurde9. Insbesondere die Entscheidungen – C-80/11 und – C-142/11 und – C-324/11 standen unter der Prämisse, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorlagen und der Steuerpflichtige über keine Anhaltspunkte verfügte, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt zu der Entscheidung C-80/11, C-142/11 war der Umsatz zudem so durchgeführt, wie es sich aus der zugehörigen Rechnung ergab.

Die Versagung des Vorsteuerabzugs sei, so der Unionsgerichtshof, nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil sich herausstellt, dass die Leistung erbracht, aber nicht von dem in der Rechnung angegebenen Leistenden bzw. dessen Personal oder dessen Subunternehmer bewirkt wurde, insbesondere wenn dies daraus zu schließen sei, dass die betreffenden Unternehmen nicht über das erforderliche Personal etc. verfügten oder die auf der Rechnung geleistete Unterschrift sich als falsch erwiesen hat10. Etwas anderes gelte nur, wenn die genannten Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllten und der Steuerpflichtige gewusst habe oder habe wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in den Betrug einbezogen war. In der Entscheidung C-324/11 weist der Unionsgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass durch die genannten Umstände (der Erbringung von Dienstleistungen von einem anderen als dem Rechnungsaussteller) die Prämisse nicht in Frage gestellt sei, dass die nach der Richtlinie vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Vorsteuerrechts erfüllt seien. In Tz. 32 der Entscheidung nimmt er hierfür Bezug auf die in Art. 226 der Richtlinie 2006/112 vorgeschriebenen Angaben, insbesondere diejenigen, die zur Bestimmung des Ausstellers der Rechnungen und der Art der Dienstleistungen erforderlich sind.

Der Uniongsgerichtshof betont zudem, es dürfe auch nicht mittelbar über die Beweiswürdigung eine generelle Nachprüfungspflicht des Steuerpflichtigen begründet werden11.

Nach Prüfung der aufgezeigten Rechtsprechung des Unionsgerichtshof hat der Bundesfinanzhof nunmehr seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes allein im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens gem. §§ 163, 227 AO berücksichtigungsfähig sind12.

Zu den genannten Entscheidungen des EuGH vertritt der BFH zudem die Ansicht, dass der EuGH das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkt erweitert, sondern begrenzt habe, da er den Vorsteuerabzug im Falle der grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung selbst dann versage, wenn die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs vorliegen13.

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Im hier vom Finanzgericht Hamburg entschiedenen Streitfall ist der Vorsteuerabzug aus allen in Rede stehenden Rechnungen mangels ausreichender Leistungsbeschreibung, aus den Rechnungen der Firma G, der Firma F und der Rechnung der Firma C vom 30.03.3007 zusätzlich mangels Angabe des Lieferdatums, aus den Rechnungen der Firmen E, D und C zusätzlich mangels Nachweises der Leistungserbringung, aus den Rechnungen der Firma C ab 12.06.2007 zusätzlich wegen unrichtiger Steuer- bzw. USt-ID-Nummer zu versagen.

Keine der in Rede stehenden Rechnungen erfüllt die Anforderungen an eine für den Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung mit ausreichender Leistungsbeschreibung.

Die in allen Rechnungen vergleichbare Form der enthaltenen Bezeichnung der in Rechnung gestellten Ware als Jacke, Hose (z. T.: Capri-Hose), Rock, Kleid, Bluse, Shirt, Top etc. genügt, selbst unter Berücksichtigung der teilweisen Kennzeichnung als Damenbekleidungsstück, nicht, um die „Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände“ gem. § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG bzw. die „Art der gelieferten Gegenstände“ gem. Art. 226 Nr. 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vormals: Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG i. d. F. der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20.12 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung) zu beschreiben.

Nach Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG ist eine eindeutige und leicht nachvollziehbare Identifizierung der Eingangsleistung erforderlich, durch die eine eindeutige Nachprüfbarkeit der abgerechneten Leistung gewährleistet und die mehrfache Abrechnung der Leistungen ausgeschlossen wird14.

Der Bundesfinanzhof hat zur Lieferung von hochpreisigen Uhren und Armbändern entschieden, dass die bloße Angabe der Gattungsbezeichnung nicht genügt15. Auf der anderen Seite hat er für die Lieferung von Computerbauteilen und Software offen gelassen, ob die Angabe von Serien- bzw. Lizenznummern handelsüblich ist16. Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern hat den Hinweis auf „Textilien gemischt“ auch im Bereich des Niedrigpreissektors nicht für genügend erachtet17.

In der Literatur wird die Bedeutung des in der Richtlinienfassung nicht enthaltenen Zusatzes „handelsüblich“, auch im Vergleich zu der früheren Formulierung (bis 31.12.2003) im nationalen Umsatzsteuerrecht („handelsübliche Bezeichnung des Gegenstands der Lieferung“) diskutiert18 und werden Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit erwogen19. Die Gesetzesbegründung der der Anpassung an die Richtlinie dienenden Neufassung zum 01.01.200420 trifft hierzu keine Aussage. Die Finanzverwaltung (UStAE Abschn. 14.05. Abs. 15) differenziert zwischen ggf. ausreichenden, die Bestimmung des Steuersatzes ermöglichenden Sammelbezeichnungen und nicht genügenden Gruppenbezeichnungen allgemeiner Art.

Vor dem Hintergrund des dargelegten Sinns und Zwecks der Regelung ist nach Ansicht des Finanzgerichts der Begriff „Art“ nicht als Synonym für die Bezeichnung einer Gattung auszulegen, sondern als Synonym für die „Beschaffenheit“ zu verstehen, die eine zur Identifizierung erforderliche plastische Beschreibung der entsprechenden Merkmale erfordert. Dies dürfte regelmäßig mit derjenigen Bezeichnung übereinstimmen, mit der auch der Hersteller die Waren üblicherweise in den Verkehr bringt und die damit handelsüblich ist21.

Neben der Herstellerangabe bzw. der Angabe einer etwaigen Eigenmarke gehört hierzu auch die Benennung von Größe, Farbe, Material (ggf. auch: Sommer- oder Winterware), Schnittform (langer oder kurzer Arm, lange oder kurze Hose, Jogginghose, Schlupfhose etc.).

Mögen auch im hier vorliegenden Niedrigpreissektor, insbesondere unter Berücksichtigung des bei großen Liefermengen greifenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die Anforderungen geringer sein als im hochpreisigen Bereich, so ist auch hier die Angabe zumindest gewisser Identifizierungsmerkmale zumutbar. Soweit die Ware selbst nicht mit dem Namen oder einer Kennzeichnung des Herstellers bzw. einer Eigenmarke gekennzeichnet war, müssen jedenfalls andere Beschaffenheitsmerkmale angeführt werden, die eine Identifizierung hinreichend ermöglichen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Unternehmer erklärt, die bezogenen Waren seien nicht mit Etiketten versehen gewesen, die unmittelbare Angaben zum Hersteller enthielten. Dies deckt sich mit der Erklärung der Betriebsprüferin in der mündlichen Verhandlung, sie habe im Rahmen ihrer Prüfung bei den seinerzeit vorhandenen Waren keine entsprechenden Hinweise wahrgenommen. Eine weitere Befragung des Unternehmers hat nicht zu einer hinreichend sicheren Feststellung darüber geführt, ob/inwieweit die in Rede stehenden Textilien jedenfalls intern auf den Hersteller hinweisende Kennzeichnungen enthielten. Der Unternehmer hat beispielhaft für andere als die hier in Rechnung gestellten Textilien auf eine Kurzbezeichnung „J 006“ bzw. „J 812“ hingewiesen, die für ihn erkennbar einem bestimmten Hersteller zuzuordnen sei. Unklar ist geblieben, ob/inwieweit Entsprechendes auch für andere bezogene Textilien, insbesondere für die hier in Rede stehenden Textilien galt. Die Betriebsprüferin hatte nach ihren Angaben bei den zur Zeit der Prüfung vorhandenen Waren außer der Waschanleitung keine weitere Kennzeichnung wahrgenommen.

Selbst wenn solche Hinweise auf den Hersteller gefehlt haben (sollten), hätte es nach Ansicht des Finanzgerichts umso mehr einer Beschreibung der Art der Ware nach deren äußerlich wahrnehmbarer Beschaffenheit bedurft. Gerade angesichts der großen Zahl der jeweils von den einzelnen Posten in Rechnung gestellten Waren (nach den Rechnungen beginnend mit knapp unter 100 bis zu mehreren hundert Stück) ist davon auszugehen, dass eine Zusammenfassung in Gruppen nach einzelnen Beschaffenheitsmerkmalen möglich war, die in Bezug auf den Aufwand das Maß der Verhältnismäßigkeit nicht überschreitet.

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Die Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der Firmen G (2007 – 2009), F (2007) und aus der Rechnung der Firma C GmbH vom 30.03.2007 kann der Unternehmer schon deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, weil die Rechnungen mangels Angabe des Lieferdatums nicht den formalen Anforderungen für den Vorsteuerabzug genügen.

§ 14 Abs.4 Nr. 6 UStG in der seit 19.12.2006 geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.200622 verlangt neben den schon vorerwähnten Daten als weitere Angabe „den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung oder der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt“. Absatz 5 S.1 betrifft die Vereinnahmung des Entgeltes vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung.

In der vorhergehenden Fassung verlangte § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG Angaben über „den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung oder der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1, sofern dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist“.

Mit der Vorschrift in § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG sollte die Richtlinienregelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b Unterabs. 1 7. Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der Fassung der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20.12 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 226 Ziff. 7 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG – MwStSysRL) umgesetzt werden. Hiernach muss die Rechnung u. a. enthalten: „… das Datum, an dem die Gegenstände geliefert wurden …, oder das Datum, an dem die Vorauszahlung im Sinne des Artikels 220 Nummern 4 und 5 geleistet wird, sofern dieses Datum feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist“.

Der BFH hat schon zu der alten Fassung des § 14 Abs.4 Nr. 6 UStG vor Geltung des JStG 2007 vertreten, dass die Angabe des Leistungszeitpunkts auch dann zwingend sei, wenn das Leistungsdatum mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt, und auf die Angabe nur in den eng begrenzten Fällen der Voraus- und Anzahlungsrechnungen verzichtet werden könne23. Auch die Richtlinie beziehe die Ausnahmeregelung in dem letzten Halbsatz der Norm („sofern …“) nur auf die Alternative der An- bzw. Vorauszahlung, anderenfalls hätte die Formulierung lauten müssen „sofern diese Daten feststehen …“24.

Entgegen der Ansicht des Unternehmers kann das Lieferdatum den Rechnungen der Firma G auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden. Aus dem aufgedruckten Vermerk „Waren erhalten“ kann selbst in Verbindung mit dem Rechnungsdatum und dem Hinweis auf die in der Spalte unter dem Rechnungsdatum aufgeführte Versandart „Selbstabholung“ nicht mit hinreichender Sicherheit auf das Rechnungsdatum als das Abholdatum geschlossen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Rechnung gleichzeitig der Lieferschein ist. So weist auch der BFH in dem genannten Urteil darauf hin, dass der Lieferschein in der Praxis regelmäßig vor der Warenauslieferung erstellt wird und das Ausstellungsdatum des Lieferscheins nicht zwingend mit dem Leistungsdatum identisch ist (vgl. a. UStAE 2014/2015 14.5. Abs.16 Nr. 1; hier wird für den Fall der Angabe des Zeitpunkts der Lieferung in einem Lieferschein neben dem Lieferscheindatum eine gesonderte Angabe des Leistungsdatums verlangt). Umgekehrt ist es möglich und entspricht wohl dem Regelfall, dass die Rechnung erst zu einem späteren Zeitpunkt erteilt wird25. Schon wegen der unterschiedlichen Handhabung bei einer Rechnung einerseits und einem Lieferschein andererseits kann aus einem Dokument, das gleichzeitig Rechnung und Lieferschein ist, ohne gesonderten Ausweis des Leistungsdatums kein ausreichend sicherer Schluss auf den Leistungszeitpunkt gezogen werden. Die Möglichkeit erst späterer Rechnungsstellung zeigt im Übrigen der eigene Vortrag des Unternehmers im Einspruchsverfahren, wonach er einige Rechnungen für schon bezogene Waren erst am 06.10.2008 angemahnt habe26. Dennoch liegen Rechnungen mit den in dem Schreiben genannten Daten und dem Gesamtbetrag (brutto) des in der Mahnung genannten Bruttobetrages vor. Dies würde zudem gegen die Richtigkeit des Rechnungsdatums sprechen, sofern man hierfür auf die Begebung oder Erstellung der Rechnung abstellte. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die erst nach dem 6.10.2008 übersandten Rechnungen schon an den angegebenen Tagen im September erstellt wurden; anderenfalls hätte der Unternehmer sie wohl bei der Abholung der Ware mitgenommen. Schon die Betriebsprüferin hatte in ihrem Bericht notiert (was von dem Unternehmer in der Klagschrift unvollständig zitiert wurde), dass die Rechnungen für die mitgenommenen Waren entweder vor Ort ausgestellt wurden oder später mit der Post kamen. Ein eindeutiger Hinweis auf das Datum der Abholung kann schon aus diesem Grunde nicht aus der Angabe des Datums auf der Rechnung entnommen werden.

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Auch auf den Rechnungen der Firma F, die zum Teil nur als Rechnungen, zum Teil gleichzeitig als Lieferschein bezeichnet sind und zudem einen Hinweis auf die Selbstabholung nicht enthalten, ist ein Lieferdatum nicht aufgedruckt; dieses kann aus vorerwähnten Gründen ebenfalls nicht im Wege der Auslegung erkannt werden.

Entsprechendes gilt für die (nicht auch als Lieferschein bezeichnete) Rechnung der Firma C vom 30.03.2007, die – worauf die Beteiligten in dem Erörterungstermin hingewiesen wurden – ebenfalls keine Angabe des Lieferdatums aufweist.

Das Finanzgericht Hamburg teilt im Ergebnis die Rechtsansicht des Bundesfinanzhofs zur Notwendigkeit und Gemeinschaftskonformität der Pflichtangabe des Leistungsdatums selbst in Fällen der Identität von Lieferdatum und Rechnungsdatum.

Der Bundesfinanzhof weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die Finanzverwaltung ohne Angabe eines Leistungsdatums nicht erkennen kann, wann die Umsatzsteuer und der damit korrespondierende Anspruch auf Vorsteuerabzug entstanden ist bzw. dass ohne eine solche Pflichtangabe stets Unsicherheit darüber entstünde, ob das Leistungsdatum mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt oder aus anderen Gründen fehlt27. Zudem müsste für die Prüfung, ob auf die Angabe des Leistungsdatums verzichtet werden kann, zunächst dieses für die Feststellung der Identität von Leistungs- und Rechnungsdatum ermittelt werden28. Zwar bestünden diese Probleme auch für die Tatbestandsalternative der Voraus- oder Anzahlung. Indes ist hier eine Ausnahmeregelung gerechtfertigt, weil dem Leistenden und Rechnungssteller der Vorauszahlungsrechnung das Vorauszahlungsdatum i. d. R. nicht bekannt ist; denn die Vorauszahlung dürfte regelmäßig erst nach oder gleichzeitig mit der Rechnungsstellung erfolgen29.

Die Richtlinienregelung steht der genannten Auslegung im Ergebnis nicht entgegen.

Zwar könnte der letzte, das Datum und das hierauf bezogene Verb (feststeht) im Singular benennende Satzteil der Richtlinienregelung (in der deutschen wie auch der englischen und französischen Sprachfassung) theoretisch grammatikalisch auf die beiden Tatbestandsalternativen bezogen werden. Laut Duden wird im Falle der Verwendung der ausschließenden (disjunktiven) Konjunktion „oder“ das Verb im allgemeinen im Singular verwendet und wird die Verwendung des Plurals bei voranstehendem Subjekt eher als Ausnahme angesehen. Jedoch spricht eine teleologische Auslegung anhand der erfolgten Darlegung von Sinn und Zweck der Regelung für einen Bezug des letzten Satzteils nur auf die unmittelbar voranstehende Tatbestandsalternative der Vorauszahlung. Auch der EuGH, der in dem Urteil C-368/09 „Pannon Gep“ die besagte Richtlinienregelung zitiert, beschränkt sich in dem dortigen, eine erbrachte Dienstleistung betreffenden Fall bei der Darstellung der Vorschriften auf das Zitat nur des ersten Satzteils einschließlich „erbracht bzw. abgeschlossen wird“ und erwähnt auch später generell die Notwendigkeit der genauen Angabe des Tages, an dem die Dienstleistung abgeschlossen wurde, ohne eine mögliche Ausnahme zu erwähnen.

Hinsichtlich der 5 Rechnungen der Firma C GmbH ab einschließlich 12.06.2007 ist der Vorsteuerabzug aufgrund unzutreffender Angabe der Steuernummer bzw. der USt-ID-Nummer des leistenden Unternehmers gem. § 14 Abs.4 Nr. 2 UStG zu versagen.

Diese Rechnungen nennen die Steuernummer, USt-ID-Nummer und die Handelsregisternummer, unter der die Firma D registriert war (auf die 50 % der Geschäftsanteile der C GmbH per 30.06.2006 – bis zu deren Rückübertragung auf H per 12.09.2006 und Weiterübertragung auf J per 26.03.2007 – übertragen worden waren) und die in deren auch hier streitigen Rechnungen von April/Mai 2007 verzeichnet waren.

Das Finanzgericht geht mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs davon aus, dass der Vorsteuerabzug grundsätzlich die Vorlage formal vollständiger und inhaltlich richtiger Rechnungen voraussetzt. Es kann unentschieden bleiben, ob für einzelne Inhalte, die nicht Gegenstand der Wahrnehmung des Rechnungsempfängers sind bzw. die dieser nicht überprüfen kann, Ausnahmen anzuerkennen sind. Im Streitfall ist die Versagung des Vorsteuerabzugs nach Ansicht des Finanzgerichts wegen der Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Steuernummer bzw. der USt-ID-Nummer für den Unternehmer gerechtfertigt. Angesichts der Abweichungen der Angaben in den Rechnungen der Firma C ab 12.06.2007 zu den Angaben betr. USt-ID-Nummer und Steuernummer in den Rechnungen der Firma aus März und Mai 2007 und des Vorliegens der früheren Rechnungen der Firma D aus den Monaten April und Mai 2007 war mit Erhalt der Rechnungen ab 12.06.2007 die Unrichtigkeit der Rechnungsangaben für den Unternehmer erkennbar.

Hinsichtlich der Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der Firmen E, D und C GmbH fehlt es an der Darlegung und dem Nachweis der Leistungserbringung.

Die Erkenntnisse, die sich aus den beigezogenen Akten und Ermittlungsunterlagen zu den genannten Firmen ergeben, zeigen Ungereimtheiten bzw. Ungewöhnlichkeiten auf, die in Verbindung mit der Art der vorliegenden Eingangsrechnungen Zweifel an der Leistungserbringung rechtfertigen. Diese hat der Unternehmer nicht ausgeräumt. Er trägt insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast.

Liegen wie hier objektive Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Leistungserbringung rechtfertigen, sind substantiierte Darlegungen zu der tatsächlichen Erbringung der in Rechnung gestellten Leistungen erforderlich. Dies ist angesichts dessen, dass die Leistungserbringung Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Rechnungsempfängers ist, auch zumutbar.

Aus den Akten ergibt sich im Wesentlichen folgendes Bild der genannten Firmen.

Die E wurde im Jahr 2006 von der Belgierin Frau A.S. in U mit einer weiten Spanne von Geschäftsgegenständen (Kauf und Verkauf, Groß und Einzelhandel mit Textilien, Teppichen, Lebensmittel, Fahrzeughandel) gegründet. Zum …2007 erfolgte eine Gewerbeummeldung mit nunmehrigem Geschäftsgegenstand im Bereich des Hochbaus, Stahlbetonbaus etc. mit ausdrücklichem Hinweis auf die Frage „weiterhin ausgeübt“: reine Verwaltungstätigkeit, kein Handel“. Nach Unklarheiten über das Fortbestehen der Geschäftsanschrift in U und Hinweisen des Finanzamtes auf eine Sitzverlegung nach – V übernahm per … 11.2008 der Vater von A.S., … J.S., die Geschäftsanteile nebst Geschäftsführung und beschloss am 22.01.2009 gleichzeitig mit der Übertragung der Anteile und der Geschäftsführung auf W neben der Sitzverlegung nach Q als neuen Geschäftsgegenstand den Betrieb von Gaststätten (neben dem Handel u. a. mit Textilien). Der Firmenname sollte nunmehr „Restaurant Z GmbH“ lauten. Hierfür erhielt die Firma mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Q vom 20.04.2009 eine vorläufige Gaststättenerlaubnis. Per Beschluss vom 20.04.2009 änderte W den Firmennamen wiederum in „E GmbH“. Unter der am 14.05.2009 als Geschäftsführerin eingesetzten B.K. oder dem Nachfolgegeschäftsführer C.M., BB, wurde der Sitz nach M (XX-Straße) verlegt. Der Geschäftsführer C.M. meldete am 03.03.2010 per … 09.2009 ein Gewerbe beinhaltend den Betrieb von Gaststätten, Handel mit Textilien u. a. an und schloss am 01.10.2009 einen Gewerberaum-Mietvertrag für die XX-Straße in M. Nach einer in einem Aktenvermerk des Finanzamts in L festgehaltenen telefonischen Mitteilung des Geschäftsführers C.M. vom 24.11.2009 (auf Nachfrage zu dem eingereichten Fragebogen zur steuerlichen Erfassung) soll sich in der XX-Straße ein Büro befunden haben, sollten Lagerräume später in GG und M hinzukommen und nur ein Handel mit Textilien erfolgen. Mit Schreiben vom 16.07.2010 kündigte der Geschäftsführer C.M. den Mietvertrag. Zum … 06.2010 meldete er das Gewerbe wegen Krankheit ab. Auf das schon von dem Finanzamt L mitgeteilte Ergebnis der Umsatzsteuernachschau vom 09.08.2010 wird verwiesen.

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Steuererklärungen für 2008 und 2009 wurden nicht eingereicht. Schätzungsbescheide des Finanzamts L für diese Jahre vom Januar 2011 wurden im Februar 2011 öffentlich zugestellt. Anschriften der ehemaligen Geschäftsführer A.S., W und B.K. waren nicht ermittelbar, Versuche einer Haftungsinanspruchnahme der im Ausland ermittelten oder vermuteten J.S. und C.M. wurden nicht unternommen.

Handelsregistereintragung vom … 11.2011 ist die C wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Ermittlungen der Steuerfahndung B betreffend die D bezogen sich ausweislich des im gerichtlichen Verfahren nachgeforderten Berichts vom 14.10.2008 auf Vorgänge betreffend 2006 und im Zusammenhang mit der Lieferung von medizinischen Schnelltests und insoweit bestehendem Verdacht eines Umsatzsteuerkarussells. Die Ermittlungen begannen mit Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Geldtransaktionen über einen Betrag von 635.000 € unter Beteiligung des bis Mai 2006 für die D Verantwortlichen H.

Nach einem Teilbericht vom 02.04.2007 über die Umsatzsteuersonderprüfung waren im Rahmen der Prüfung Quittungen für Barverkäufe von Textilien aus den Jahren 2005 und 2006 vorgelegt worden. Jedoch konnten keine Angaben dazu gemacht werden, wo und durch wen der Verkauf der entsprechenden Textilien erfolgt war.

Für die D wurden keine Jahressteuererklärungen für das Jahr 2006 eingereicht und ergingen im Laufe des Jahres 2006 für Oktober bis Dezember 2006 sowie Januar, Februar, April und Mai 2007 mangels Voranmeldung Schätzungsbescheide.

Nach Aktenlage war die D spätestens seit November 2011 nicht mehr erreichbar. In Bezug auf das von dem Beklagten erwähnte Datum der Nichterreichbarkeit ab 28.02.2007 erwähnt der Bericht der Steuerfahndung allein, dass laut einem am 20.06.2007 (ohne Datum und Unterschrift) eingegangenen Schreiben der Firma D deren früherer Prokurist CC seit dem 28.02.2007 nicht mehr bei der D GmbH beschäftigt sei. In den Körperschaftsteuerakten der D befindet sich ein Rückumschlag vom 15.11.2007 als Hinweis auf die fehlende Erreichbarkeit der Firma unter der bekannten Geschäftsanschrift. Dies scheint insofern mit den Ausführungen in dem Bericht vom 14.10.2008 übereinzustimmen, als hier die bei der Firma in der Zeit vom 04.09.2006 bis 02.11.2007 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung erwähnt wird und sich allein hierauf der spätere Hinweis beziehen dürfte, dass die D „seitdem“ nicht mehr erreichbar gewesen sei. Ein weiterer Rückumschlag vom 22.11.2007 befindet sich in der Akte betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen.

Damit bezieht sich das festgestellte Datum der fehlenden Erreichbarkeit allerdings auf einen Zeitpunkt nach Ausstellung der hier in Rede stehenden Rechnungen.

Hinsichtlich der in den Rechnungen ebenso wie im Handelsregister als Geschäftsführerin bezeichneten K ergibt sich aus der im gerichtlichen Verfahren eingereichten Meldeabfrage eine Abmeldung „unbekannt“ zum 01.10.2006. Indes befindet sich in einem in der Haftungsakte D (H) abgelegten Hefter eine weitere Meldeabfrage vom 07.11.2007 betreffend K, wonach diese vom 31.01.2007 bis zum 29.04.2007 in DD gemeldet, aber im Anschluss ab 29.04.2007 (und damit vor dem Datum der letzten mit ihrer Unterschrift versehenen Rechnung) unbekannt verzogen war.

Schließlich hat sich im Rahmen der Überprüfung der ebenfalls streitgegenständlichen Rechnungen der C GmbH herausgestellt, dass Letztere in Rechnungen ab dem 12.06.2007 Steuernummer, USt-ID-Nummer und die Handelsregisternummer der D verwendet hat.

Die Firma D wurde im April 2010 als vermögenslos gelöscht.

Die Feststellungen der Steuerfahndung B betr. die (nach Ablehnung einer Insolvenzeröffnung mangels Masse im April 2010 im November 2014 als vermögenslos gelöschte, seit … 01.2009 als EE bzw. EE GmbH auftretende) Firma C beruhen im Wesentlichen auf Erklärungen, die der seinerzeit Beschuldigte und seit 05.04.2007 im Handelsregister als Geschäftsführer der C eingetragene J im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmungen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Steuerfahndung B wegen Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der C GmbH (…) bzw. in Schreiben gegenüber dem Finanzamt für Körperschaften – II B abgegeben hat. Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung hatte er allein erklärt, seinerzeit eine Tätigkeit mit der Firma C im Textilhandel geplant zu haben. Weitergehend hatte er im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vorgetragen, der vormals als Geschäftsführer tätige (und im Handelsregister eingetragene) H habe ihm die Firma übertragen, allerdings ohne ihm die Geschäftsräume zu überlassen (das Ladenlokal sei einem Inder übergeben worden) oder Geschäftsunterlagen zu übergeben (Letztere sollten sich bei der Staatsanwaltschaft befunden haben), weshalb er, J, nicht für die Firma habe tätig werden können. Ab September 2007 habe er schon wegen der schweren Krankheit seiner (später verstorbenen) Tochter dort nicht arbeiten können. Allerdings habe er z. T. aus Gefälligkeit Unterschriften unter Rechnungen geleistet, u. a. unter eine Rechnung der Firma C vom 15.07.2008 (die hier nicht im Streit ist und ausweislich der unter der Schwärzung im Fragenkatalog erkennbaren Firma nicht an den Unternehmer gerichtet war).

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Nach der Wiedergabe in dem (in der Strafakte abgelegten) Gutachten des Insolvenzverwalters FF über das Vermögen der EE GmbH vom 13.04.2010 hatte J gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt, das von H übernommene Unternehmen bereits 2 Monate nach der Übernahme eingestellt zu haben. Für diesen Zeitraum hätte er Waren von einem Bekannten bezogen, an den er „die nicht veräußerte Ware“ wieder zurückgegeben habe.

Die aufgezeigten Ermittlungsergebnisse betreffend die E zeigen äußerst ungewöhnliche Geschäftsverläufe in Bezug auf die häufigen Wechsel der Geschäftsführer, Wechsel der Firmenbezeichnung und der Geschäftsgegenstände. Dies in Verbindung mit der Aufnahme eines Gaststättenbetriebs in Q vor Erstellung der hier in Rede stehenden drei Rechnungen (vom 03.09., 22.10. und 11.11.2009) sowie der Tatsache, dass den – wenn auch erst im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau des Folgejahres befragten – Anwohnern des an der späteren Geschäftsanschrift gelegenen Mehrfamilienhauses die Firma nicht bekannt war, rechtfertigt weitergehende Anforderungen an die Darlegung der Lieferung von Textilien.

Für die Lieferungen der D gilt Entsprechendes aufgrund der bei dieser Firma in früherer Zeit festgestellten mangelnden Übereinstimmung zwischen Eingangs- und Ausgangsbelegen sowie der sich aus den Steuerakten und den die Firma betreffenden Ermittlungsunterlagen ergebenden Anhaltspunkten für die Unzuverlässigkeit der für die Firma verantwortlichen Geschäftsführerin zumindest in Bezug auf melderechtliche Anforderungen. Auch die Verwicklung der Firma bzw. der für sie handelnden Personen in Geschehnisse, die Anlass zu Ermittlungen wegen des Verdachts eines Umsatzsteuerkarussells mit medizinischen Schnelltests begründet haben, bietet Anlass, in Bezug auf die im Streitfall in Rede stehenden Rechnungen substantiierte Darlegungen dafür zu verlangen, dass die in Rechnung gestellten Leistungen erbracht wurden.

Hinsichtlich der C vermag sich das Gericht ohne die unmittelbare Vernehmung des Zeugen J zwar keine vollständige Überzeugung von der fehlenden Geschäftstätigkeit mit der genannten Firma in dem für die hier in Rede stehenden Rechnungen maßgeblichen Jahr 2007 zu bilden. Ebenso wenig kann sich das Gericht Feststellungen des gegen J ergangenen Strafurteils zu Eigen machen. Das Strafverfahren war im Hinblick auf den Verdacht der Umsatzsteuerhinterziehung 2007 am 27.09.2012 gem. § 170 Abs.2 StPO – und betr. Umsatzsteuer Juli/August 2008 sowie Januar 2009 gem. § 154 StPO – eingestellt worden. Wegen Umsatzsteuerhinterziehung betreffend die Voranmeldungszeiträume September bis Dezember 2008 erging am 30.05.2013 ein Strafbefehl. Nach einem auf das Strafmaß (bzw. die Höhe des Tagessatzes) beschränkten Einspruch erfolgte am 02.09.2013 eine (weitere) Einstellung gem. 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen für November und Dezember 2008 und sodann in Bezug auf die verbleibende Hinterziehung der für September und Oktober 2008 voranzumeldenden Steuern eine (rechtskräftig gewordene) Verurteilung durch das Amtsgericht. Der Tatvorwurf lautete dahingehend, dass J gem. § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erklärt hat. Dem lag die Feststellung zugrunde, dass J während der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit und darüber hinaus Rechnungen unter dem Namen der C GmbH mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt hatte, denen eine Leistungserbringung nicht zugrunde lag.

Jenseits der möglichen Überzeugungsbildung geben die schriftlichen Vernehmungsprotokolle ebenso wie der der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt für das Jahr 2008 aber Anhaltspunkte für Zweifel, die eine substantiierte Darlegung zu der Durchführung der in Rechnung gestellten Lieferungen erfordert. Den Inhalt der schriftlichen Vernehmung als Anlass für eine Darlegungspflicht zu nehmen, verbietet der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ebenso wenig wie die Verwertung beigezogener Akten30. Das Finanzgericht beschränkt sich auf diese Form der Verwertung, ohne dem Vernehmungsprotokoll Beweiswert für eine Überzeugungsbildung beizumessen. Von dem Versuch, den zunächst von Amts wegen geladenen, aber nicht erschienenen Zeugen J zwecks Durchführung einer unmittelbaren Vernehmung zu erreichen, nimmt das Finanzgericht Abstand. Die Beteiligten sind auf diese Möglichkeit in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.

Für die Würdigung ist sowohl hinsichtlich der Rechnungen der Firma D als auch hinsichtlich der Rechnungen der Firmen E und C GmbH in besonderer Weise zu beachten, dass die vorliegenden Rechnungen ausnahmslos eine nur äußerst vage Beschreibung des Gegenstands der Lieferung beinhalten. Mangels Angaben betr. Artikelnummer, Hersteller, etwaigen Produkteigennamen oder näherer Beschreibung der Ware nach Größe oder Material oder Schnittbeschaffenheit (Letzteres mit Ausnahme der vereinzelt erwähnten Tops bzw. Capri-Hosen) ist eine Wiedererkennbarkeit und Nachverfolgbarkeit der Waren bzw. ein Abgleich mit etwaigen Ausgangsrechnungen unmöglich.

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Spätestens dies in Verbindung mit den vorstehend aufgezeigten objektiven Unregelmäßigkeiten in der Sphäre der Rechnungsaussteller macht substantiierte Darlegungen des Unternehmers zu der Durchführung der in Rechnung gestellten Lieferungen erforderlich.

Ohne weitergehende Darlegungen und Nachweise kann weder die Lieferung der in Rechnung gestellten Waren gerade von den Rechnungsausstellern noch allgemein die Lieferung der nämlichen von der Rechnung erfassten Waren – sei es auch von dritter Seite – festgestellt werden.

Damit liegt nicht eine den EuGH-Entscheidungen C-18/13 bzw. C-324/11 vergleichbare Fallgestaltung vor, in der offenbar jeweils festgestellt worden war, dass die Leistung zwar erbracht war, aber nicht von den Rechnungsausstellern geleistet wurde.

Die für eine Leistungserbringung der in Rechnung gestellten Waren erforderlichen Darlegungen ist der Unternehmer schuldig geblieben, weshalb er die Feststellungslast zu tragen hat.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 30. September 2015 – 5 K 85/12

  1. vgl. BFH, Urteil vom 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl II 2011, 235 zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG – Sechste Richtlinie[]
  2. BFH, Beschluss vom 20.01.2015 – XI B 112/14; ausdrücklich auch in Bezug auf den Geschäftssitz: BFH, Urteil vom 22.07.2015 – V R 23/14, auch zur Rechtsprechungsänderung zum sog. Briefkastensitz; krit. zur Versagung des Vorsteuerabzugs allein wegen unzutreffender Angabe des Geschäftssitzes: Sächsisches FG, Beschluss vom 04.03.2014 – 4 V 297/13; FG Münster, Beschluss vom 12.12.2013 – 5 V 1934/13 U, EFG 2014, 395; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2014 – 7 V 7027/14, EFG 2014, 1445; für Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes s. Stadie in: Rau/Dürrwächter UStG § 15 Lfg.07.2013 Rn. 152 ff., 227, 567 ff. und UStG 3. Aufl.2015 § 15 Rn. 221 ff.[]
  3. BFH Urteil vom 07.07.2005 – V R 60/03, BFH/NV 2006, 139[]
  4. BFH, Urteil vom 19.04.2007 – V R 48/04, BStBl II 2009, 315 Tz. 65[]
  5. EuGH, Urteil vom 21.06.2012 – C-80/11 und 142/11, UR 2012, 591[]
  6. EuGH, Urteil vom 31.01.2013 – C-642/11, DB 2013, 439[]
  7. EuGH, Urteil vom 31.01.2013 – C-643/11 UR 2013, 346[]
  8. EuGH, Urteil vom 31.01.2013 – C-643/11[]
  9. EuGH, Urteil vom 31.01.2013 – C-643/11 Tz. 60; s. a. EuGH, Urteil vom 13.02.2014 – C-18/13, BB 2014, 863 Tz. 27 ff.; Urteil vom 06.09.2012 – C-324/11, UR 2012, 851 Tz. 53[]
  10. EuGH, Urteil vom 13.02.2014 – C-18/13 Tz. 31 f.; Urteil vom 06.09.2012 – C-324/11 Tz. 49, 53[]
  11. EuGH, Urteile vom 31.01.2013 – C-642/11 und C-643/11[]
  12. BFH, Urteil vom 22.07.2015, aaO; BFH Urteile vom 30.04.2009 – V R 15/07, BStBl II 2009, 744; und vom 08.10.2008 – V R 63/07, BFH/NV 2009, 1473[]
  13. BFH, Urteil vom 22.07.2015, aaO; und schon BFH, Urteil vom 30.04.2009, aaO[]
  14. BFH, Urteil vom 14.10.2002 – V B 9/02, BFH/NV 2003, 213; vgl. a. BFH Urteil vom 15.05.2012 – XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836; BFH Beschluss vom 05.02.2010 – XI B 31/09, BFH/NV 2010, 962[]
  15. BFH, Beschluss vom 29.11.2002 – V B 119/02, BFH/NV 2003, 518[]
  16. BFH, Beschluss vom 06.04.2006 – V B 22/06, HFR 2006, 1023; im veröffentlichten Leitsatz bezogen auf die Gerätenummer von Mobiltelefonen[]
  17. FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10.03.2003 2 – V 118/02, FGReport 2004, 31[]
  18. Stadie in: Rau/Dürrwächter UStG § 14 Lfg. Sept.2013 Rn. 384; Widmann in: Schwarz UStG § 14 Lfg. 3/2014 Rn. 102; Weymüller UStG 2015 § 14 Rn. 353 ff.[]
  19. vgl. hierzu Birkenfeld, Handbuch des Umsatzsteuerrechts, § 163 Lfg.04.2009 Rn. 233[]
  20. BTDrs 15/1562 S. 48[]
  21. vgl. Leitmeier/Zühlke StBp 2005 S. 170, 171[]
  22. BGBl I 2006, 2878; vgl. BT-Drs. 6/22/06 S. 131: „redaktionelle Änderung“[]
  23. BFH, Urteil vom 17.12.2008 – XI R 62/07, BStBl II 2009, 432[]
  24. BFH, a. a. O.; zweifelnd, im Ergebnis aber offen lassend FG Nürnberg, Urteil vom 02.07.2013 – 2 K 360/11, EFG 2013, 1531; die Rspr. des BFH abl. Stadie in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG § 14 Lfg. Sept.2013 Rn.400 ff.; wie der BFH mit Hinweis auf den vorbehaltlosen Hinweis auf die Notwendigkeit der Angabe des Lieferdatums in der Entscheidung des EUGH vom 15.07.2010 – C-368/09, UR 2010, 693: FG Hamburg, Urteil vom 25.11.2014 – 3 K 85/14, BB 2015, 533 Tz. 75 ff. Juris[]
  25. s. a. BFH a. a. O.; vgl. a. Pflicht zur Rechnungslegung gem. § 14 Abs.2 Nr. 2 S. 2 UStG innerhalb von 6 Monaten nach Ausführung der Leistung; s. im Übrigen zu dem Begriff des Ausstellungsdatums Stadie a. a. O. Rn. 73, 110, 358: Im Sinne von Übermittlung, Angebot zur Empfangnahme, nicht dagegen im Sinne von Ausstellung – gemeint wohl: Erstellung[]
  26. nach der Auflistung der Daten in dem Schreiben vom 06.10.2008 betreffend Ankäufe vom 18., 23., 26. und 30.09.[]
  27. BFH, a. a. O.[]
  28. s. a. Michel DB 2009, 549[]
  29. s. BFH a. a. O.[]
  30. vgl. Seer in: Tipke/Kruse FGO § 81 Lfg. Okt.2014 Tz. 29[]