Vor dem Bundesverfassungsgericht war jetzt eine Verfassungsbeschwerde erfolgreich, die sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung richtete.

Der Beschwerdeführer beantragte Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Köln sowie einer weiteren nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt, in denen er sich zunächst in Untersuchungshaft und später in Strafhaft befunden hatte. Er sei im Jahr 2007 insgesamt 151 Tage unter menschenunwürdigen Haftbedingungen untergebracht worden: Die ihm jeweils zugewiesenen Hafträume, die er sich mit einem Mitgefangenen habe teilen müssen, hätten lediglich eine Grundfläche von 8 m² aufgewiesen. Die darin befindliche Toilette sei nur durch eine verstellbare Holzwand mit einer kleinen Sichtschutzfläche vom übrigen Raum abgetrennt gewesen. Der Tisch, an dem die Mahlzeiten eingenommen worden seien, sei nur einen Meter von der Toilette entfernt gewesen. Abgesehen von etwa einem Monat, in dem er aufgrund einer Arbeitstätigkeit den Haftraum täglich für 8 Stunden habe verlassen können, habe er sich im Übrigen 23 Stunden täglich mit wechselnden Mitgefangenen darin befunden. Die Mitgefangenen des Beschwerdeführers hätten keine Arbeit gehabt. Nicht arbeitende Gefangene hätten in den genannten Justizvollzugsanstalten nur zweimal wöchentlich duschen dürfen. Bei sämtlichen Mitgefangenen habe es sich zudem um starke Raucher gehandelt, was in den kleinen Hafträumen zu einem unerträglichen Gemisch aus Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengerüchen geführt habe.
Auf seine Proteste und Verlegungsanträge sei ihm nur jeweils mitgeteilt worden, dass eine Verlegung nicht möglich sei, da die Justizvollzugsanstalten überbelegt seien und es eine Warteliste gebe. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung habe er nicht gestellt, weil das Land mangels räumlicher Kapazitäten kontinuierlich gerichtliche Entscheidungen ignoriere.
Das Landgericht Köln wies das Prozesskostenhilfegesuch des Beschwerdeführers zurück1. Ein Entschädigungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG stehe ihm nicht zu. Die gemeinsame Unterbringung von Strafgefangenen stelle ohne das Hinzutreten erschwerender, den Strafgefangenen benachteiligender Umstände keine Verletzung der Menschenwürde dar. Die Gewährung einer Geldentschädigung setze nicht nur das Vorhandensein von besonders bedrückenden räumlichen Verhältnissen voraus, sondern der zu unterstellende beengte Zustand des Haftraums müsse den betroffenen Gefangenen seelisch oder körperlich nachhaltig und dauerhaft belastet haben. Dazu trage der Beschwerdeführer nur unsubstantiiert vor. Zudem habe dieser dadurch, dass er jedenfalls für einen Monat einer Arbeit nachgegangen sei und im Übrigen eine Stunde Freigang gehabt habe, Vergünstigungen erhalten, durch welche die Haftbedingungen gemildert worden seien. Ein Entschädigungsanspruch sei überdies gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer es schuldhaft unterlassen habe, den ihm nach dem Strafvollzugsgesetz bzw. den für die Untersuchungshaft geltenden Vorschriften möglichen Rechtsbehelf einzulegen. Denn dadurch hätte er den von ihm jetzt geltend gemachten Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht durch menschenunwürdige Haftbedingungen abwenden können. Die mündlichen und schriftlichen Anträge auf Verlegung in eine Einzelzelle reichten hierfür nicht aus. Denn sonst würden sich zahlreiche Strafgefangene gegen die als menschenunwürdig empfundene Belegung der Hafträume nicht wehren, um dann später eine nicht unerhebliche finanzielle Entschädigung zu verlangen. Komme die Anstaltsleitung einem Antrag eines Strafgefangenen auf Einzelunterbringung nicht nach, habe der Strafgefangene nach § 109 StVollzG Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Dieser Antrag sei gemäß § 112 Abs. 1 StVollzG innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu stellen. Soweit der Beschwerdeführer hierzu geltend mache, dass ein Antrag ohne Erfolgsaussichten gewesen wäre, weil die Anstaltsleitung geantwortet habe, keine Einzelzellen in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben, sei das zur Begründung nicht ausreichend, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst gar nicht zu stellen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass entweder – wenn ein Antrag sachlich begründet sei – dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattgegeben werde und daraufhin eine entsprechende Verlegung auf eine Einzelzelle erfolge oder aber – wenn der Antrag gegebenenfalls auch nach Ausschöpfung aller weiteren Rechtsbehelfe nicht begründet sei – dem Antrag auf Verlegung auch nicht nachgekommen zu werden brauche. Keinesfalls sei davon auszugehen, dass die Justizvollzugsanstalt der Anordnung der Vollstreckungskammer auf Verlegung in eine Einzelzelle nicht nachgekommen wäre. Dies gelte entsprechend für den Fall der Untersuchungshaft. Soweit in der Rechtsprechung Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung im Hinblick auf den Zeitraum vor der mutmaßlichen Entscheidung der Vollstreckungskammer bewilligt worden sei, komme dies nicht zum Tragen, weil nach den vorstehenden Ausführungen schon gar nicht davon auszugehen sei, dass menschenunwürdige Haftbedingungen vorgelegen hätten.
Die gegen diese Entscheidung des Landgerichts Köln erhobene sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht Köln aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts Köln zurück2.
Mit seiner daraufhin erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit. Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzen und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll allerdings nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen3.
Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren „durchentschieden“ werden können4. Dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit widerstrebt es daher, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass es eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, obwohl dies erheblichen Zweifeln begegnet, als einfach oder geklärt ansieht und sie deswegen bereits im Verfahren der Prozesskostenhilfe zum Nachteil des Unbemittelten beantwortet5. Ein solcher Verstoß ist erst recht anzunehmen, wenn das Fachgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur abweicht6.
Gemessen an diesen Grundsätzen hält die angegriffene, Prozesskostenhilfe vollumfänglich versagende Entscheidung des Landgerichts Köln einer Überprüfung anhand von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht stand.
Dies gilt zunächst für die von dem Landgericht vorgenommene Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsbegründende Voraussetzung der Menschenwürdeverletzung.
Bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG Grenzen gesetzt7. Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt die Verpflichtung des Staates, den Strafvollzug menschenwürdig auszugestalten, mithin das Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht8. Die Menschenwürde ist unantastbar und kann deshalb auch nicht auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung wie die – hier nicht einschlägigen, weil sie nicht zu Eingriffen in die Menschenwürde ermächtigen – § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollzG oder § 144 StVollzG eingeschränkt werden9.
Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht, wobei als ein die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann.
So wird nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Unterbringung in einem mehrfach belegten Haftraum ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen, wenn eine Mindestfläche von 6 m² und 7 m² pro Gefangenen nicht eingehalten wird und die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist10. Der Bundesgerichtshof ließ die rechtliche Würdigung der Instanzgerichte unbeanstandet, nach der die Unterbringung von fünf Gefangenen in einem 16 m² großen Haftraum mit integrierter Toilette ohne räumliche Abtrennung menschenunwürdig sei11. In einer weiteren Entscheidung erkannte der Bundesgerichtshof als einen die Haftsituation abmildernden Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit an12. Ähnlich erachtete der Berliner Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung die Unterbringung eines Gefangenen in einer Einzelzelle mit einer Grundfläche von 5,25 m² ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten, nicht gesondert gelüfteten Toilette über drei Monate hinweg als Verstoß gegen die Menschenwürde13. Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Unterbringung von Gefangenen bei Nichteinhaltung der genannten Mindestflächen ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten Toilette als Verstoß gegen die Menschenwürde qualifiziert14.
Das Landgericht Köln ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsbegründende Voraussetzung der Menschenwürdeverletzung von der geschilderten fach- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Die von dem Landgericht als gegeben unterstellten räumlichen Haftbedingungen erfüllen die oben genannten Kriterien für eine Menschenwürdeverletzung, da in den vom Beschwerdeführer bewohnten Hafträumen die üblicherweise veranschlagten Mindestflächen pro Gefangenen unterschritten wurden und die jeweils in die Zelle integrierte Toilette nicht räumlich abgetrennt und belüftet war. Deutet man die Ausführungen des Landgerichts dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, für die anspruchsbegründende Voraussetzung einer Menschenwürdeverletzung seien – jenseits der Unterschreitung der Mindestfläche pro Gefangenen und einer in die Zelle integrierten Toilette ohne räumliche Abtrennung und Belüftung – zusätzliche Umstände erforderlich, können sich diese nicht auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen. Denn auch die insoweit in Bezug genommene Junktim-Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt keinen Zweifel daran, dass derartige räumliche Haftbedingungen bereits für sich genommen eine menschenunwürdige Behandlung sein können11. Der Bundesgerichtshof hat insofern Zusatzerfordernisse nicht für die Ebene der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgestellt, sondern ausschließlich für die Ebene der Rechtsfolgen15, und zwar um bei der Frage der Geldentschädigung den Besonderheiten des Falles gerecht zu werden16. Auch die zweite als Referenz herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann hierfür nicht als Beleg dienen, da sie eine gänzlich andere Konstellation betraf. Zum einen ging es dort um eine bloße Doppelbelegung entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG – eine Überschreitung der Mindestfläche pro Gefangenen ohne räumliche Abtrennung und Belüftung der Toilette stand nicht in Rede. Zum anderen hatte der betroffene Gefangene Arbeit und befand sich in der Zeit von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr jeweils in einer teilgelockerten Station mit offenem Bereich12.
Versteht man die weiteren Ausführungen des Landgerichts Köln dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, im vorliegenden Fall hätten jedenfalls Umstände vorgelegen, welche die räumlichen Haftbedingungen abgemildert hätten, erweisen sich diese Erwägungen verfassungsrechtlich als nicht tragfähig. Der vom Landgericht angeführte Gesichtspunkt, der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom 7. September 2007 bis zum 9. Oktober 2007 einer Arbeit nachgegangen, geht ins Leere, weil der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum keine Ansprüche geltend gemacht hat. Soweit das Landgericht darauf verweist, dass der Beschwerdeführer täglich an Sport- und Freizeitgruppen habe teilnehmen können, ist bereits nicht ersichtlich, wie das Landgericht zu dieser Erkenntnis gelangt ist, da weder der Beschwerdeführer noch das Land dies im fachgerichtlichen Verfahren vorgetragen haben. Außerdem hat das Landgericht Köln selbst seinen rechtlichen Ausführungen als unstreitige Tatsache zugrunde gelegt, dass sich der Beschwerdeführer täglich für dreiundzwanzig Stunden zusammen mit jeweils wechselnden Mitgefangenen in einem Haftraum befunden habe. Abgesehen davon ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts nicht und ist auch sonst nicht erkennbar, wie sich die – nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren – in der Regel halbstündigen Sport- und Freizeitangebote maßgeblich auf die Einschlusszeit und damit die Haftbedingungen hätten auswirken können. Gleiches gilt, soweit das Landgericht auf die tägliche Stunde Hofgang rekurriert17. Dessen ungeachtet kann die Frage, ab welcher Stundenzahl die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit in der Zelle die räumlichen Haftbedingungen derart abmildert, dass nicht mehr von einer Menschenwürdeverletzung auszugehen ist, auch nicht als hinreichend geklärt im Sinne des oben erörterten Maßstabes der Rechtsschutzgleichheit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden.
Das Landgericht Köln durfte die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens schließlich nicht an der fehlenden Menschenwürdeverletzung mit der Begründung scheitern lassen, der Beschwerdeführer könne subjektiv nicht erheblich in seiner Menschenwürde betroffen gewesen sein, weil er keine Rechtsbehelfe eingelegt habe. Deutet man die Ausführungen des Landgerichts dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, der Beschwerdeführer habe konkludent in die räumlichen Haftbedingungen eingewilligt, sei mithin aufgrund eines Grundrechtsverzichts nicht in seiner Menschenwürde verletzt worden, ist dies ebenfalls nicht tragfähig. Zum einen hat das Landgericht Köln nicht geprüft, ob die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Untersuchungsgefangener schon einfachrechtlich durch § 119 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F.18 verstellt war beziehungsweise ob die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine konkludente Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Strafgefangener erfüllt waren19. Zum anderen hat das Landgericht Köln nicht geprüft, ob die Menschenwürde überhaupt ein disponibles Grundrecht ist, das einen Grundrechtsverzicht zulässt20. Auch diese Rechtsfragen können nicht als hinreichend – zu Lasten des Beschwerdeführers – geklärt im Sinne des oben erörterten Maßstabes der Rechtsschutzgleichheit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden.
Auch die von dem Landgericht Köln vorgenommene Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsvernichtende Einwendung des § 839 Abs. 3 BGB genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Dabei kann offenbleiben, ob die Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe die ihm mögliche und zumutbare Einlegung der Rechtsbehelfe, insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz, nach dem Strafvollzugsgesetz für die Zeit als Strafgefangener (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) und nach der Strafprozessordnung für die Zeit als Untersuchungsgefangener (vgl. § 119, § 126 Abs. 1 und 2 StPO a.F. in Verbindung mit Nrn. 73, 75 Abs. 1 UVollzO) im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB schuldhaft versäumt, verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Denn das Landgericht hat jedenfalls die hypothetische Kausalität der versäumten Rechtsbehelfe für die Verhinderung des Schadenseintritts mit verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Begründung vollumfänglich bejaht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Schadensersatzpflicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. Wenn die Einlegung eines Rechtsbehelfs erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, entfällt der Schadensersatzanspruch nur für diesen späteren Schäden, bleibt jedoch für die bereits vorher entstandenen bestehen21. Für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt ist der Schädiger beweispflichtig22. Bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wie nach der wirklichen Rechtspraxis entschieden worden wäre23.
Das Landgericht Köln ist zu Lasten des Beschwerdeführers von der nach der geschilderten höchstrichterlichen Rechtsprechung üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast abgewichen. Die Annahme des Landgerichts, dass einem Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG, nicht zuletzt im einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 StVollzG, – und wohl auch nach § 119, § 126 Abs. 1 und 2 StPO a.F. in Verbindung mit Nrn. 73, 75 Abs. 1 UVollzO – stattgegeben worden wäre und sofort eine entsprechende Verlegung auf eine Einzelzelle erfolgt wäre, mit der Folge, dass eine Menschenwürdeverletzung gänzlich verhindert worden wäre, kann sich nicht auf ein entsprechend substantiiertes Vorbringen des insofern darlegungspflichtigen Landes stützen. Zu der Frage der hypothetischen Kausalität der jeweils unterlassenen Rechtsbehelfe hat das Land überhaupt nicht Stellung genommen. Außerdem hat das Landgericht seinen rechtlichen Ausführungen als unstreitig zugrunde gelegt, dass es in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten eine Warteliste für Verlegungen gegeben habe. Der Beschwerdeführer hat ferner ausdrücklich bestritten, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs den Schaden sofort und damit gänzlich verhindert hätte, und, obwohl ihm diesbezüglich nicht die Darlegungslast zufiel, auch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte hierfür aufgezeigt, namentlich aus der Strafvollzugsstatistik 2005 zur Mehrfachbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes zitiert, Beispielsfälle von Strafgefangenen aus einem benachbarten Oberlandesgerichtsbezirk des Landes benannt sowie auf eine Reihe von Beschlüssen des benachbarten Oberlandesgerichts verwiesen, die ein entsprechendes Vollzugsdefizit der Justizvollzugsanstalten mangels räumlicher Kapazitäten konstatierten24. Danach wäre es an dem Land gewesen, nicht nur überhaupt zur hypothetischen Kausalität der jeweils nicht eingelegten Rechtsbehelfe vorzutragen, sondern substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen und – hierbei allerdings unter Berücksichtigung des einstweiligen Rechtsschutzes – ab welchem Zeitpunkt diese im Hinblick auf die Haftbedingungen des Beschwerdeführers praktische Wirkung entfaltet hätten.
Ferner hat das Landgericht Köln bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die Rechtsfolgenseite des geltend gemachten Anspruchs, die Gewährung einer Geldentschädigung, eine schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfrage durchentschieden.
Der Bundesgerichtshof macht eine Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen von Zusatzerfordernissen wie etwa der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, ferner dem Anlass und dem Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens abhängig. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität stellt er hierbei auf eine konkrete Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohles ab25. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dem entschiedenen Fall diese Zusatzerfordernisse erkennbar an der kurzen Dauer jener menschenunwürdigen Unterbringung von lediglich zwei Tagen festgemacht. Insofern hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Sachverhalt besondere Umstände aufwies, welche die dort aufgestellten Vorgaben für die Gewährung einer Geldentschädigung nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig erscheinen lassen26. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte geht dementsprechend dahin, bei einer längeren Dauer der menschenunwürdigen Unterbringung auf Zusatzerfordernisse wie etwa eine Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohls zu verzichten beziehungsweise diese als gegeben anzusehen27.
Das Landgericht Köln hat in seinem Beschluss vernachlässigt, dass sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs insoweit mit einem wesentlich abweichenden Sachverhalt befasste und ihr Ergebnis nicht zweifelsfrei auf den vorliegenden Fall übertragen werden konnte28.
Nach dem Vorbringen des Landes selbst im Prozesskostenhilfeverfahren hat der Beschwerdeführer jedenfalls circa zwei Wochen (vom 10. Oktober 2007 bis zum 24. Oktober 2007) durchgehend ohne das Hinzutreten mildernder Umstände unter den genannten Haftbedingungen im Haftraum 205 in der Justizvollzugsanstalt H. zugebracht.
Für die Zeit vom 19. Januar 2007 bis zum 20. Februar 2007 verteidigt sich das Land damit, dass die Unterbringung mit einem Mitgefangenen in dem Haftraum 227 in der Justizvollzugsanstalt Köln wegen der Suchtkrankheit des Beschwerdeführers zu dessen eigener Sicherheit erfolgt sei, um der Gefahr eines Suizids vorzubeugen. Für die Zeit vom 28. Februar bis zum 17. März 2007 trägt das Land vor, dass die Verlegung in den Haftraum 213 in der Justizvollzugsanstalt K. auf Wunsch des Beschwerdeführers erfolgt sei, wobei dieser jedoch entgegnet, dass er den Wunsch nur geäußert habe, um der Unterbringung mit einem ihm neu zugewiesenen heroinsüchtigen Mitgefangenen zu entgehen. Hierbei ist jedoch zweifelhaft, ob diese von dem Land vorgetragenen Motive für die Unterbringung die räumlichen Haftbedingungen derart abzumildern geeignet sind, dass nicht mehr von einer Menschenwürdeverletzung auszugehen ist. Denn es ist fraglich, ob die Argumentation, man habe einen suchtkranken, unter Umständen suizidgefährdeten Menschen zu seinem Wohl unter objektiv menschenunwürdigen räumlichen Haftbedingungen untergebracht, in verfassungsrechtlicher Hinsicht trägt, scheint sie doch zunächst allenfalls den Mangel an räumlichen Kapazitäten in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten zu akzentuieren. Dies kann jedoch letztendlich dahinstehen. Denn ungeachtet dessen ist nach dem eigenen Vortrag des Landes ein Zeitraum zu veranschlagen, welcher im Verhältnis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die dort zugrunde liegende Unterbringungsdauer um ein Vielfaches übersteigt.
Damit hat das Landgericht Köln auch diesbezüglich eine schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage, die, wie die geschilderte obergerichtliche Rechtsprechung zeigt, in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden kann, ohne Erörterung der Problematik in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden.
Weiterhin steht nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit fest, dass der Beschwerdeführer auch im Fall einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde29.
Zu einer anderen Prognose gelangt man auch nicht, wenn man die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hypothetischen Kausalität im Rahmen des § 839 Abs. 3 BGB bei Amtshaftungsklagen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung berücksichtigt30. In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof für die hypothetische Kausalität des unterlassenen Rechtsbehelfs ausdrücklich nicht auf die (hypothetische) Möglichkeit der Justizvollzugsanstalten abgestellt, den betroffenen Gefangenen anderweitig menschenwürdig unterzubringen, sondern an die aus dem Gebot der Achtung der Menschenwürde folgende rechtliche Erwägung angeknüpft, dass die Strafvollstreckung zu unterbrechen sei, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht komme. Damit hat der Bundesgerichtshof nicht nur – in der Sache überzeugend – die Pflicht des Staates formuliert, im Falle menschenunwürdiger Haftbedingungen sofort auf die Durchsetzung des Strafanspruchs zu verzichten, sondern – weil dieser Pflicht das Recht des betroffenen Gefangenen korrespondieren dürfte, bei der Vollstreckungsbehörde die Unterbrechung beziehungsweise die Aufschiebung der Strafe zu beantragen (vgl. § 455 StPO) – auf diese Weise auch einen neuen Weg der Rechtsverteidigung offen gelegt. Allerdings haben weder die Parteien jenes Ausgangsverfahrens noch die des vorliegenden Ausgangsverfahrens noch sonst Rechtsprechung und Schrifttum in der Vergangenheit eine derartige Rechtsschutzmöglichkeit jemals erwogen. Damit steht im Fall der Zurückverweisung für die Beurteilung des hier allein in Frage stehenden Prozesskostenhilfeverfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsschutzmöglichkeiten zu dem maßgeblichen Zeitpunkt in der Rechtspraxis tatsächlich effektiv umgesetzt worden wären und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre. Dies wird sich nur mithilfe der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens klären lassen, wobei das Land hierfür die Beweislast trägt. Angesichts dieser Ungewissheit obliegt es den Fachgerichten zu prüfen, ob und inwieweit die Nichteinlegung des Rechtsbehelfs bereits in der Vergangenheit entstandene Ansprüche aus § 839 BGB tangiert.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09
- LG Köln, Beschluss vom 18.08.2008 – 5 O 120/08[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 27.01.2009 – 7 W 101/08[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, 356 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, 359[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, 359 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.02.2003 – 1 BvR 1526/02, NJW 2003, 1857, 1858; vom 08.11.2004 – 1 BvR 2095/04, NJW-RR 2005, 500, 501; und vom 29.05.2006 – 1 BvR 430/03[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.2002 – 2 BvR 553/01, NJW 2002, 2699, 2700[↩]
- vgl. BVerfGE 45, 187, 228; 109, 133, 150; BVerfGK 7, 120, 123[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.2002 – 2 BvR 553/01, NJW 2002, 2699,2700[↩]
- vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.07.2003 – 3 Ws 578/03, NJW 2003, 2843, 2845; OLG Naumburg, Beschluss vom 03.08.2004 – 4 W 20/04, NJW 2005, 514; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005 – 12 U 300/04, NJW-RR 2005, 1267; OLG Hamburg, Urteil vom 14.01.2005 – 1 U 43/04; OLG Koblenz, Urteil vom 15.03.2006 – 1 U 1286/05; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.01.2006 – 1 Ws 147/05; OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2008 – 11 W 78/07; OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2009 – 11 U 88/08[↩]
- vgl. BGHZ 161, 33, 35[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2006 – III ZB 89/05, NJW 2006, 3572[↩][↩]
- vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 03.11.2009 – 184/07[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27.02.2002 – 2 BvR 553/01, NJW 2002, 2699, 2700; vom 13.03.2002 – 2 BvR 261/01, NJW 2002, 2700, 2701; BVerfG, Beschluss vom 13.11.2007 – 2 BvR 2201/05[↩]
- vgl. BGHZ 161, 33, 37, 38[↩]
- vgl. BVerfGK 7, 120, 124[↩]
- vgl. BGHZ 161, 33[↩]
- in der für das Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. April 1987, gültig bis zum 31. Dezember 2009[↩]
- vgl. OLG Celle, Urteil vom 02.12.2003 – 16 U 116/03, NJW-RR 2004, 380, 381; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005 – 12 U 300/04, NJW-RR 2005, 1267, 1268[↩]
- vgl. ablehnend: BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 – 2 WD 12/00, 13/00, NJW 2001, 2343, 2344; BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 11 AL 11/08[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.01.1986 – III ZR 77/84, NJW 1986, 1924; speziell für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen: OLG München, Beschluss vom 10.08.2006 – 1 W 1314/06, NJW 2007, 1986[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2003 – III ZR 342/02, NJW 2004, 1241, 1242; Urteil vom 11.03.2010 – III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2003 – III ZR 342/02, NJW 2004, 1241, 1242[↩]
- vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.06.2008 – 11 W 54/08, 11 86/07, 11 W 77/07, 11 W 78/07, 11 W 85/07[↩]
- vgl. BGHZ 161, 33, 37[↩]
- vgl. BVerfGK 7, 120, 121, 124[↩]
- vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14.01.2005 – 1 U 43/04; OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2009 – 11 U 88/08[↩]
- vgl. abgrenzend zu anderen Fallgestaltungen: BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07[↩]
- vgl. BVerfGE 90, 22, 26 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2010 – III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465, 1466[↩]