Ist das Zeichen 283 der StVO (absolutes Halteverbot) mit dem Zusatzzeichen, dass dieses Halteverbot auf 15 m begrenzt ist, versehen, wird dadurch eine zuvor eingeräumte Erlaubnis auf dem Gehweg zu parken (durch das Zeichen 315 der StVO) unterbrochen. Diese Unterbrechung gilt für diese 15 m‑Verbotsstrecke, nach den 15 m ist das Parken auf dem Gehweg wieder erlaubt.

So die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart in dem hier vorliegenden Fall einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit wegen Parkens auf dem Gehweg, die mit einer Geldbuße geahndet worden ist. Der Betroffene parkte seinen Pkw verbotswidrig an der rechten Fahrbahnseite mit den beiden rechten Rädern auf dem Gehweg. Durch Zeichen 315 der StVO, das sich in ca. 90 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen befindet, wird das Parken auf dem Gehweg der rechten Fahrbahnseite erlaubt. Ca. 25 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen ist das Zeichen 283 der StVO (absolutes Halteverbot) mit dem Zusatzzeichen, dass dieses Halteverbot auf 15 m begrenzt ist, angebracht. Nach Ende dieses Halteverbots befindet sich ein ca. 6 m langer Gehwegabschnitt. Am Ende dieses Abschnittes ist ein weiteres Zeichen 283 mit einem weißen Pfeil nach links aufgestellt. Der Betroffene hatte seinen Pkw auf dem ca. 6 m langen Gehwegabschnitt geparkt.
Laut Urteil des Amtsgerichts Stuttgart hätte der betroffene bei Anwendung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass dort das Parken verbotswidrig ist und diesen Verstoß auch vermeiden können. Zwar sei das Parken auf dem Gehweg durch Zeichen 315 erlaubt worden. Diese Erlaubnis habe allerdings am Zeichen 283 mit dem Zusatzzeichen geendet. Nach Ende dieser Halteverbotszone gelte wieder mangels weiterer Verkehrszeichen und Markierungen, die das Parken auf dem Gehweg ausdrücklich erlauben, der Grundsatz des §§ 12 Abs. 4, 4 Abs. 4a StVO nach dem das Parken auf dem Gehweg grundsätzlich verbotswidrig sei.
Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart anders gesehen. Nach dessen Auffassung ändert es an der durch Zeichen 315 der StVO eingeräumten Erlaubnis des Parkens auf Gehwegen nichts, dass ca. 25 m vor dem Fahrzeug des Betroffenen das Zeichen 283 (absolutes Halteverbot) mit dem Zusatzzeichen „↑ 15 m ↑“ (Nr. 1001–31 VzKat1), aufgestellt ist.
Entgegen der Auffassung des Betroffenen beruht die Erlaubnis nicht darauf, dass sich die Erläuterung Nr. 2 zu Anlage 2 der StVO Nr. 61 (nur) mit der Wirkung von vorübergehend angeordneten Halteverboten durch Zeichen 283 und 286 befasst. Durch diese gesetzlichen Neuregelung sollte den Straßenverkehrsbehörden (lediglich) erleichtert werden, temporäre Halteverbotsschilder z. B. für Umzüge, Baustellen, Veranstaltungen usw. anzuordnen, ohne jeweils durch Abdeckung, Einsackung, Durchkreuzung u.v.m. jedes Zeichen 315 ungültig machen zu müssen2. Damit ist jedoch nichts über das Regelungsverhältnis zwischen Zeichen 315 und anderen Verkehrszeichen, die dauerhaft angebracht sind, ausgesagt.
Es besteht die Möglichkeit, das erlaubte Gehwegparken durch eine Parkflächenmarkierung zu begrenzen. Weiter kann nach Erläuterung Nr. 4 zu Zeichen 315 (Anlage 3 der StVO Nr. 10) der Anfang des auf Gehwegen erlaubten Parkens durch einen zur Fahrbahn weisenden waagrechten weißen Pfeil im Zeichen, das Ende durch einen solchen von der Fahrbahn wegweisenden Pfeil gekennzeichnet sein. Hier ist keines von beidem gegeben.
Verkehrszeichen stellen nach mittlerweile ganz herrschender Meinung Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar3. Das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt somit auch für Verkehrszeichen ergänzend bzw. lückenschließend, soweit nicht spezielle Rechtsvorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.
Eine abschließende Regelung, mit der Folge, dass das Ende einer solchen Erlaubnisstrecke ausschließlich auf diese Weise festgelegt werden darf, lässt sich der Formulierung in Erläuterung Nr. 4 zu Zeichen 315 (Anlage 3 zur StVO) nicht entnehmen. Da ein zwingend vorgeschriebenes Verkehrszeichen für das Ende der durch Zeichen 315 eröffneten Erlaubnisstrecke in der StVO nicht vorgesehen ist, ist ergänzend die Regelung des § 43 Abs. 2 VwVfG Baden-Württemberg heranzuziehen. Danach bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Die durch Aufstellen des Zeichens 315 eingeräumte Erlaubnis, auf dem Gehweg zu parken, kann durch einen anderen Verwaltungsakt, u.a. eine Allgemeinverfügung in Form eines Verkehrszeichens, aufgehoben werden.
Zwar wäre das Zeichen 283 StVO generell geeignet, die Erlaubnis des Zeichens 315 aufzuheben. Jedoch ist das hierdurch angeordnete absolute Halteverbot mit dem Zusatzzeichen 1001- 31 VzKat 1992 (↑ 15 m ↑) versehen. Die Zusatzzeichen 1001 geben die Länge einer Verbotsstrecke an4. Somit ist der Regelungsgehalt der (die Erlaubnis einschränkenden) Allgemeinverfügung auf die Strecke von 15 m begrenzt. Daher kann i.S. von § 43 Abs. 2 VwVfG nur für diesen räumlichen Bereich, nämlich begrenzt auf die Verbotsstrecke von 15 m, die Erlaubnis, die durch Zeichen 315 angeordnet worden ist, unterbrochen werden. Nach diesen 15 m gilt mangels einer sonstigen Beendigung, Aufhebung oder Änderung die durch Zeichen 315 eingeräumte Erlaubnis des Gehwegparkens fort.
In dieser Weise versteht ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer den Regelungsgehalt der Abfolge der aufgestellten Verkehrszeichen. Schon der erste flüchtige Blick führt wegen des „ins Auge springenden“ Zusatzzeichens zu der Vorstellung, das Haltverbot gelte eben nur für die folgenden 15 m, danach könne das Parken, wie vor diesem Zeichen erlaubt und wie – möglicherweise – gerade auch von anderen Verkehrsteilnehmern praktiziert, wieder fortsetzen werden.
Für eine andere Auslegung besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Das Zeichen 315 eröffnet die Möglichkeit, Anfang und Ende des erlaubten Gehwegparkens durch weiße Pfeile deutlich zu markieren. Auch besteht die Möglichkeit, den Anfang der Verbotsstrecke eines absoluten Halteverbots durch einen zur Fahrbahn weisenden waagrechten Pfeil im Zeichen zu markieren, ohne die Verbotsstrecke mittels Zusatzzeichens von vorneherein auf 15 m zu begrenzen.
Der Betroffene hat nicht verbotswidrig auf dem Gehweg geparkt. Er hat keine Ordnungswidrigkeit begangen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2011 aufzuheben und der Betroffene freizusprechen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 21. Mai 2012 – 4 Ss 40/12
- Katalog der Verkehrszeichen in der Anlage zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung vom 19. März 1992, BAnz. Nr. 66a[↩]
- s. Schubert DAR 2010, 226, 230[↩]
- s. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 41 StVO Rn. 247 m.w.N.[↩]
- s. auch § 40 Abs. 4 StVO für die Länge von Gefahrstrecken[↩]