Aufgrund der Novellierung der §§ 232 bis 233b StGB durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11.10.2016 [1] sind an die Stelle des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 StGB aF) die Regelungen der schweren Zwangsprostitution getreten (§ 232a Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB nF) [2].

Relevante Änderungen im Regelungsgehalt der Straftatbestände waren hierdurch weder bezweckt [3] noch sind sie eingetreten [4], allerdings wurde für den auch hier verwirklichten Fall gewerbsmäßigen Handelns durch die Einführung des § 232a Abs. 5 StGB nF die Strafdrohung für minder schwere Fälle gegenüber § 232 Abs. 5 StGB aF geändert.
Soweit die Tatbeendigung erst nach Inkrafttreten der Neuregelungen eintrat, bestimmt sich die Strafbarkeit gemäß § 2 Abs. 2 StGB einheitlich nach der neuen Gesetzesfassung. Demgemäß sind das Tatgeschehen insoweit insgesamt als schwere Zwangsprostitution sowie die Beiträge des Angeklagten als einheitliche Beihilfehandlung hierzu zu werten und im Urteilstenor entsprechend zu bezeichnen.
Dem steht nicht entgegen, dass im hier entschiedenen Fall die am 13.10.1995 geborene Nebenklägerin kurz vor Inkrafttreten der Novellierung das 21. Lebensjahr vollendete und mit Blick auf diese Begehungsvariante daher ausschließlich § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF erfüllt ist.
Hierfür spricht zunächst der Wille des Gesetzgebers:
Der Angeklagte verwirklichte die Alternative „Ausnutzen einer Zwangslage“ (§ 232 Abs. 1 Satz 1 StGB aF) ohne Unterbrechung während des gesamten Tatzeitraums. Dies hat der Gesetzgeber bis zur Gesetzesreform ohne weitere Differenzierungen wie sich auch bereits aus der amtlichen Überschrift des § 232 StGB aF ergibt ebenso als „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ benannt wie eine Erfüllung des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF [5]. Auch im Falle einer wie hier zeitweisen kumulativen Verwirklichung beider Varianten sollte sich nach dem bisherigen gesetzgeberischen Willen an der Deliktsbezeichnung nichts ändern [6].
Die Bezeichnung der hier vorliegenden Fallkonstellation als „Menschenhandel“ hat der Gesetzgeber aber bewusst aufgegeben. Mit der Novellierung sollten die bisherigen Fälle des „Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ unterschiedslos als „Zwangsprostitution“ erfasst werden. Die bisherige Behandlung als „Menschenhandel“ erschien missverständlich, weil gerade nicht der Handel mit Menschen, sondern Handlungen erfasst wurden, die unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung führen [7].
Gestützt wird dies schließlich durch Sinn und Zweck des erst zur Anwendbarkeit der Neufassungen führenden § 2 Abs. 2 StGB. Denn dieser zielt gerade auf eine einheitliche Beurteilung der Tat [8], was konsequenterweise auch für ihre Bezeichnung in der Entscheidungsformel Bedeutung erlangt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 3 StR 437/19
- BGBl. I 2016, 2226[↩]
- vgl. SKStGB/Noltenius/Wolters, 9. Aufl., Vor § 232 Rn. 1 ff.[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/9095, S. 32[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.03.2017 1 StR 607/16, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 18[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/3045, S. 6, 8 f.; BT-Drs. 15/4048, S. 12; BT-Drs. 18/9095, S. 18, 32; s. zur Tenorierung Matt/Renzikowski/Eidam, StGB, § 232 Rn. 4[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/4048, S. 12 [„Grundtatbestand“]; BT-Drs. 18/9095, S. 32; zur Frage, ob in diesen Fällen Tateinheit oder eine Tat vorliegt, s. BGH, Beschluss vom 09.06.2015 2 StR 530/14 4; LK/Kudlich, StGB, 12. Aufl., § 232 Rn. 61; MünchKomm-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 232a Rn. 62; NKStGB/Böse, 5. Aufl., § 232 Rn. 30; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 232 Rn. 78[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/9095, S. 32; SKStGB/Noltenius/Wolters, 9. Aufl., Vor § 232 Rn. 1 ff.; SSWStGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 232a Rn. 1[↩]
- vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 2 Rn. 3[↩]
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