Steuerhinterziehung – und die Vermögensabschöpfung

Nach § 73 Abs. 1 StGB ist zwingend einzuziehen, was der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat erlangt hat.

Steuerhinterziehung – und die Vermögensabschöpfung

Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht.

„Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist1.

Der Umfang des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist nach dem „Bruttoprinzip“ zu bemessen, d.h. dass grundsätzlich alles, was der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat erhalten oder was er durch diese erspart hat, ohne gewinnmindernde Abzüge einzuziehen ist2. Der Einziehung unterliegen damit nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche und obligatorische Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen, sowie konkrete Chancen auf einen Vertragsabschluss bzw. die Verbesserung einer Marktposition3. Beim „Erlangen“ handelt es sich dabei um einen tatsächlichen Vorgang; auf die zivilrechtlichen Besitzoder Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an4.

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart5. Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einem durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt6.

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Im Hinblick auf den Charakter der Tabaksteuer als Verbrauchsteuer bzw. Warensteuer7 ergibt sich ein unmittelbarer messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt daher lediglich der Betrag, den der Kurierfahrer als Entlohnung bzw. als Kostenersatz für die Durchführung der Transportfahrten erlangt hat, der Einziehung, wenn er durch die Kurierfahrten keinen darüber hinaus gehenden wirtschaftlichen Vorteil durch die Hinterziehung von Tabaksteuer erzielt hat, weil sich die im Wert der Tabakwaren verkörperte Steuerersparnis nicht in seinem Vermögen in irgendeiner Form widerspiegelt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. August 2019 – 1 StR 225/19

  1. st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18, zum Abdruck in BGHSt bestimmt; vom 08.02.2018 – 3 StR 560/17, Rn. 10; und vom 24.05.2018 – 5 StR 623/17 und 624/17 Rn. 8; Beschluss vom 21.08.2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8; BT-Drs. 18/9525, S. 61[]
  2. vgl. BT-Drs. 18/9525 S. 61, BGH, Urteile vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18; und vom 18.12 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 25[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 mwN[]
  4. vgl. BGH aaO mwN[]
  5. st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 mwN; und vom 18.12 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom 04.07.2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11.05.2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13.07.2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406; und vom 28.11.2000 – 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn.20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415[]
  6. BGH, Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18[]
  7. dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN[]
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