Haftraum mit zwei Rauchern – und einem Nichtraucher

Einem Gefangenen, der als Nichtraucher in einem Haftraum mit zwei Rauchern untergebracht ist, steht nach Ansicht des Landgericht Schwerin ein Schmerzensgeldanspruch gegen das Land zu.

Haftraum mit zwei Rauchern – und einem Nichtraucher

Der Häftling hat gem. §§ 839 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen das Land einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. € 500, 00 wegen seiner Unterbringung als Nichtraucher mit zwei stark rauchenden Mithäftlingen im Zeitraum vom 27.02.2010 bis zum 03.03.2010.

Das Land hat durch die Unterbringung des Häftlings als Nichtraucher im Zeitraum vom 27.02. bis zum 03.03.2010 mit zwei starkenden Rauchern in einem Haftraum seine Amtspflichten i.S.v. § 839 Abs. 1 BGB verletzt.

Diese Amtspflichtverletzung ist auch als schuldhaft anzusehen, denn die vom Land vorgetragenen Umstände – die zudem vom Häftling bestritten worden sind – rechtfertigen die von den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt getroffene Unterbringungsentscheidung nicht, auch nicht für einen Zeitraum von fünf Tagen. Das Land hat durch hinreichende Organisationsmaßnahmen, so u.a. durch eine ausreichende Anzahl von Hafträumen und ausreichendes Personal sicherzustellen, dass die – wie vom Land angeführt – besonderen Haftvorgaben und -bedingungen sowie Haftzwecke sowohl für die Vollzugshäftlinge als auch für die Untersuchungshäftlinge gewährleistet und durchgesetzt werden können, ohne dass damit eine Beeinträchtigung des Schutzes des Häftlings vor einer gesundheitlichen Gefährdung und eine nicht nur unerhebliche Belästigung durch das Rauchen von Mithäftlingen verbunden ist.

Das Gericht geht auch davon aus, dass es durch diese rechtswidrige Unterbringungsentscheidung beim Häftling durch das damit verbundene unfreiwillige „Passivrauchen“ zu nicht nur ganz unerheblichen körperlichen Beeinträchtigungen sowie Belästigungen gekommen ist.

Dass Passivrauchen per se eine nicht ausschließbare gesundheitliche Gefährdung darstellt, ist inzwischen eine anerkannte Tatsache1 und entsprechend hat der Häftling auch einen Anspruch auf Schutz vor dieser Gefährdung durch rauchende Mitgefangene und rauchendes Aufsichtspersonal2. Unstreitig hat der Häftling darauf hingewiesen, dass er Nichtraucher ist und dem Rauchen der Mithäftlinge auch nicht ausgesetzt sein wollte. Damit ist der Häftling unfreiwillig einer nicht ausschließbaren Gesundheitsgefährdung ausgesetzt und bereits damit in nicht nur unerheblichen Maße körperlich beeinträchtigt und belästigt worden.

Unstreitig ist weiterhin, dass sich trotz Lüftung über den gesamten Zeitraum Dunstwolken im Haftraum befunden haben. Soweit das Land diese Angabe des Häftlings als widersprüchlich ansieht, kann sich das Gericht dieser Wertung nicht anschließen. Vielmehr spricht das Vorhandensein von Dunstwolken trotz Lüftung für eine starke Rauchentwicklung/-intensität.

Das Gericht geht auch davon aus, dass sich der Häftling nach der ersten Nacht wegen der von ihm angeführten Kopfschmerzen in ärztlicher Behandlung befand. Es ist weder erkennbar noch vom Land vorgetragenen worden, dass diese – unstreitige ärztliche Behandlung – auf andere Ursachen beruhte. Das pauschale Bestreiten des Landes ist insoweit unerheblich.

Ebenfalls geht das Gericht auch davon aus, dass es beim Häftling zum Auftreten von Kopfschmerzen gekommen ist. Dem steht nicht entgegen, dass – worauf das Land zu Recht hinweist – konkrete Angaben zu Intensität und Zeitdauer fehlen. Denn gleichwohl lässt sich hinreichend nachvollziehbar und glaubhaft aus den weiteren Angaben des Häftlings (ärztliche Behandlung, Schmerztabletten, ununterbrochene Dunstwolke) ableiten, dass es zum Auftreten von Kopfschmerzen gekommen ist.

Dem Häftling steht daher gegenüber dem Land die Zahlung eines Schmerzensgeldes zu, wobei das Gericht die Zahlung eines Betrages i.H.v. € 500,00 für angemessen aber auch ausreichend hält.

Der Schmerzensgeldanspruch erfüllt grundsätzlich eine Doppelfunktion. Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich seiner nicht vermögensrechtlichen Schäden und Genugtuung für die erlittenen körperlichen Beeinträchtigungen bieten, wobei das Ausmaß der Lebensbeeinträchtigung hier im Vordergrund steht.

Maßgebend für die Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs waren daher die folgenden Gesichtspunkte:

Der Häftling ist unfreiwillig als Nichtraucher dem Rauch zweier stark rauchender Mithäftlinge auf engstem Raum – sowohl tagsüber als auch nachts – ausgesetzt gewesen, wobei es trotz Lüftung zu einer starken Rauchentwicklung im Haftraum gekommen ist. Der Häftling war damit für fünf Tage durch dieses unfreiwillige „Passivrauchen“ einer nicht ausschließbaren Gesundheitsgefährdung ausgesetzt.

Es ist beim Häftling auch zum Auftreten von Kopfschmerzen gekommen. Allerdings ist – soweit der Häftling diese mit „stark“ angibt – eine über das mit Kopfschmerzen in der Regel verbundene allgemeine Unwohlsein hinausgehende Intensität sowie die Dauer und Form einer damit ggf. verbundenen starken Lebensbeeinträchtigung mangels Darlegung hinreichend konkreter und objektivierbarer Beschwerdeumstände nicht feststellbar.

Den hierzu erfolgten Beweisangeboten des Häftling war insoweit auch nicht nachzugehen. Weder für die Beiziehung der Gefangenenakte noch für die Vernehmung der angebotenen Zeugen lagen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor. Sie waren vielmehr auf Ausforschung gerichtet und daher unzulässig, zumal es auch nicht Aufgabe des Gerichts ist, sich aus einer Akte die maßgebenden Umstände herauszusuchen. Ebenfalls war auch der Häftling nicht als Partei zu vernehmen, da weder das Land dieser zugestimmt hat, noch die Voraussetzungen des § 448 ZPO vorlagen.

Der Häftling befand sich wegen dieser Beschwerden nach der ersten Nacht in ärztlicher Behandlung. Weitere Behandlungen haben erkennbar nicht stattgefunden.

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass es zu weiteren erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen gekommen ist. Soweit der Häftling das Auftreten von „Atembeschwerden“ behauptet ist mangels hinreichend konkreter Angaben zu den tatsächlichen Beschwerdeumständen (Form, Intensität, Zeit, Dauer) nicht von einer damit verbundenen erheblichen Lebensbeeinträchtigung auszugehen.

Daher war auch zu diesem Umstand den Beweisangeboten des Häftling ebenfalls nicht nachzugehen. Weder für die Beiziehung der Gefangenenakte noch für die Vernehmung der angebotenen Zeugen lagen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor. Sie waren auf Ausforschung gerichtet und daher unzulässig und der Häftling war auch nicht als Partei zu vernehmen, da weder das Land dieser zugestimmt hat noch die Voraussetzungen des § 448 ZPO vorlagen.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Häftling die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung erst durch ein langwieriges Verfahren über mehrere Instanzen erreichen konnte sowie dass dem Häftling gegenüber – erkennbar – zum damaligen Zeitpunkt für die getroffenen Unterbringungsentscheidung keinerlei Begründung/Erklärungen abgegeben worden sind.

Einzubeziehen ist auch der Umstand, dass der Entscheidung der Bediensteten der Justizvollzugsanstalt – erkennbar – kein schikanöses Verhalten zugrunde gelegen hat. Das Land hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher besonderer Umstände es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Dies lässt die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zwar nicht entfallen, gleichwohl ist dies bei der Bemessung der Höhe einer möglichen Entschädigung zu berücksichtigen.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass es über die fünf Tage hinaus zu keinen weiteren körperlichen Beeinträchtigungen und insbesondere auch zu keinen dauerhaften Gesundheitsschäden gekommen ist.

Auch handelt es sich bei den fünf Tagen, in denen der Häftling der erheblichen Rauchentwicklung durch die stark rauchenden Mitgefangenen ausgesetzt war, um einen relativ begrenzten Zeitraum.

Landgericht Schwerin, Urteil vom 4. Mai 2015 – 4 O 165/15

  1. vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.01.1997 – 2 BvR 1915/91[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss v. 07.12.2007 -2 BvR 1987/07[]