Verfahrenseinstellung – und kein rechtliches Gehör bei der Auslagenentscheidung?

Vor einer Auslagenentscheidung ist der Betroffene zu hören, wenn er durch das Auferlegen der eigenen Auslagen oder der Auslagen des Nebenklägers beschwert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Auslagenentscheidung Bestandteil einer Verfahrenseinstellung ist, die auch ohne Zustimmung des Angeklagten erfolgen kann.

Verfahrenseinstellung – und kein rechtliches Gehör bei der Auslagenentscheidung?

So äußerte das Bundesverfassungsgericht jetzt in einem obiter dictum verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende Einstellungsentscheidung des Landgerichts München I. Das Landgericht hatte dem Angeklagten ohne vorherige Anhörung im Rahmen der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO seine notwendigen Auslagen auferlegt1.

Es erscheint im Hinblick auf die den Angeklagten belastende Auslagenentscheidung verfassungsrechtlich bedenklich, die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge des Angeklagten, mit der er insbesondere die Nichtberücksichtigung seines äußerst zeitnah an das Landgericht übersandten Schriftsatzes rügte, allein deswegen zu verwerfen, weil dem Angeklagten bei nicht zustimmungsbedürftigen Einstellungen außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 33 Abs. 1 StPO kein Anspruch auf rechtliches Gehör zustehe.

Diese Begründung legt nahe, dass das Landgericht den Umfang des Gehörsanspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG verkannt hat. Die Vorschriften der §§ 33, 33a StPO beschränken die gebotene Anhörung nicht auf Tatsachen und Beweisergebnisse, sondern erfassen über den Wortlaut der Bestimmungen hinaus jeden Aspekt rechtlichen Gehörs. Dazu gehört im Grundsatz die Gelegenheit, sich vor einer belastenden Entscheidung zur Rechtslage zu äußern2. Vor einer Auslagenentscheidung ist der Betroffene zu hören, wenn er durch das Auferlegen der eigenen Auslagen oder der Auslagen des Nebenklägers beschwert wird3.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. Februar 2022 – 2 BvR 1910 – /21

  1. LG München I, Beschluss vom 01.06.2021 – 16 Ns 113 Js 238036/15 (2).[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14, Rn. 16; Beschluss vom 18.09.2018 – 2 BvR 745/18, Rn. 57 m.w.N.[]
  3. vgl. VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2019 – 1/18 12 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.03.2004 – 4 Ws 65/04 8; OLG Oldenburg, Beschluss vom 02.07.2010 – 1 Ws 296/10 4; OLG Dresden, Beschluss vom 22.10.2014 – 2 Ws 457/14 u.a. 10[]