Im Falle einer Einstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten ist das Ermessen über eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO eröffnet, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände vorliegen, die bei weiterer Hauptverhandlung eine Konkretisierung des Tatverdachts bis zur Feststellung der Schuld in Frage stellen.

Eine Entscheidung über den Ausschluss einer Entschädigung nach § 5 StrEG ist erst nach endgültiger strafrechtlicher Erledigung des historischen Geschehens, dem die Strafverfolgung zugrunde liegt, veranlasst.
Entscheidung über die Verfahrenskosten
Nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kann im Falle der Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen eines Angeklagten der Landeskasse aufzuerlegen. Die Vorschrift setzt eine zweistufige Prüfung voraus. Zunächst ist zu prüfen, bei welchem Verdachtsgrad davon ausgegangen werden kann, die Verurteilung sei „nur deshalb nicht“ erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht, sodann ist vom Tatgericht das Ermessen auszuüben, ob eine Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ergehen kann.
Nach neuerer Rechtsprechung ist dem Tatgericht die Ermessensentscheidung eröffnet, wenn zum Zeitpunkt der Feststellung des Verfahrenshindernisses ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände vorliegen, die bei weiterer Hauptverhandlung eine Konkretisierung des Tatverdachts bis zur Feststellung der Schuld in Frage stellen [1].
Die ältere Rechtsprechung ging hingegen davon aus, eine Versagung der Auslagenerstattung komme nur dann in Betracht, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung erfolgt wäre [2]. Diese Auffassung wird indes, soweit ersichtlich, mit guten Gründen nicht mehr vertreten, weil der Anwendungsbereich von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO auf Fälle beschränkt wäre, in denen ein Verfahrenshindernis in der Hauptverhandlung erst nach dem letzten Wort eines Angeklagten zu Tage träte [3] und damit die Anwendbarkeit der Vorschrift praktisch obsolet wäre.
Verbleibt es damit für die Anwendbarkeit von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO bei einer erheblichen Verurteilungswahrscheinlichkeit, so ist dieser Fall hier gegeben. Der Angeklagte ist der ihm in der Anklageschrift zur Last gelegten Taten weiterhin erheblich verdächtig und es ist derzeit nichts ersichtlich, was diesem Tatverdacht entgegensteht.
Bei der Ausübung des dadurch eröffneten Ermessens über eine Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich Rechnung zu tragen. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, soll es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheine grob unbillig, etwa weil der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist [4]. Im Rahmen der Ermessenentscheidung kann darüber hinaus Berücksichtigung finden, ob das Verfahrenshindernis von vornherein erkennbar war, oder ob es als Ergebnis einer langwierigen Aufklärung des Sachverhaltes erst später zutage trat [5]. Zu beachten ist dabei stets, dass nach der Intention des Gesetzgebers die Möglichkeit der vom Regelfall abweichenden Kostenentscheidung nur für seltene Ausnahmefälle eröffnet sein sollte [6].
Unter Anwendung dieser Grundsätze wird das Ermessen zutreffend ausgeübt, wenn keine Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten getroffen, sondern es bei der gesetzlichen Regel belassen wird, wonach die Landeskasse mit den Kosten und Auslagen des Verfahrens zu belasten ist: Die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten war weder unvorhersehbar noch beruhte sie auf einem ihm vorwerfbaren Verhalten.
Haftentschädigung
Anders verhält es sich mit der Entscheidung über eine Entschädigung für die erlittene Freiheitsentziehung.
Zwar kann die Versagung einer Entschädigung nicht auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG gestützt werden, weil hier dieselben Erwägungen gelten, die schon bei der insoweit wortgleichen Kostenvorschrift nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO dazu geführt haben, den Angeklagten nicht mit den Kosten und Auslagen des Verfahrens zu belasten. Jedoch ist darüber hinaus nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 StrEG eine Entschädigung für freiheitsentziehende Maßnahmen dann ausgeschlossen, wenn zwar keine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt, aber eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Das Gesetz stellt für die Entscheidung über den Ausschluss einer Entschädigung nach § 5 StrEG nicht auf das konkrete prozessuale Verfahren ab – das hier mit der Einstellung nach § 260 Abs. 3 StPO beendet ist -, sondern auf die endgültige strafrechtliche Erledigung des historischen Geschehens, das der Strafverfolgung zugrunde liegt [7]. Sofern durch eine Entscheidung über dieses Geschehen noch kein Strafklageverbrauch eingetreten ist, solange also die strafrechtliche Verfolgung wegen der Tat noch andauert, ist deshalb kein Raum für eine Entscheidung über eine strafrechtliche Entschädigung. Diese Entscheidung ist erst veranlasst nach einer abschließenden Entscheidung über das der Tat im Sinne von § 264 StPO zugrundeliegende Geschehen.
So liegt es hier. Gegen den Angeklagten ist wegen derselben Tat, die Gegenstand des Einstellungsurteils war, ein Sicherungsverfahren anhängig, in dem eine Maßregel gegen ihn verhängt werden kann, die nach § 5 StrEG einen Ausschluss des Entschädigungsanspruchs zur Folge hätte. Eine Entscheidung über den Strafrechtsentschädigungsanspruch kann daher erst nach Abschluss jenes Verfahrens erfolgen.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 6. August 2013 – 2 Ws 144/13
- in diesem Sinne OLG Rostock, Beschluss vom 15.01.2013 – I Ws 342/12; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 246; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; vgl. auch BGH NStZ 2000, 330; KG StraFo 2012, 289; OLG Köln, Beschluss vom 26.04.2012 – 2 Ws 284/12; ThürOLG NStZ-RR 2007[↩]
- so noch KG StraFo 2005, 483; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 288[↩]
- BGH NStZ 2000, 330, 331; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 224; so jetzt auch unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung KG StraFo 2012, 289[↩]
- vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 467, Rz. 18 m.w.N.; KK-Gieg, StPO, 6. Auflage, § 467, Rz. 10[↩]
- BGH NJW 1995, 1297; Löwe-Rosenberg-Hilger, StPO, 26. Aufl., § 467, Rz. 57[↩]
- vgl. Meyer-Goßner a. a. O. § 467 Rz. 18[↩]
- vgl. Meyer, StrEG, 8. Aufl., § 2 Rz. 21[↩]