Die verspätete Beförderung – und der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch

Ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs kann in Anwendung des dem Vorrang des Primär- vor dem Sekundärrechtsschutz dienenden Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB daran scheitern, dass der Beamte von einem ihm zumutbaren Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschrift in vorwerfbarer Weise keinen Gebrauch gemacht hat.

Die verspätete Beförderung – und der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch

Der Begriff des Rechtsmittels im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB ist – in Übereinstimmung mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung – weit auszulegen. Er umfasst auch aus dem besonderen beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis erwachsende Erkundigungs- und Rügeobliegenheiten eines Beamten.

Wenn der Dienstherr in dem allen Betroffenen zugänglichen Intranet über ein von ihm regelmäßig praktiziertes jährliches Beförderungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen informiert, hat ein an seinem beruflichen Fortkommen interessierter Beamter die Obliegenheit, sich ggf. über weitere Einzelheiten dieses Verfahrens zu erkundigen, seine Nichteinbeziehung in den zur Beförderung in Aussicht genommenen Personenkreis sowie in die Auswahlentscheidung zu rügen und gegen drohende Ernennungen Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen.

Die Prüfung der Voraussetzungen des § 839 Abs. 3 BGB ist vorrangig vor einem Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verwirkung, das – neben dem sog. Zeitmoment (längerer Zeitraum der Untätigkeit) – voraussetzt, dass auf Seiten des Verpflichteten (hier: des Dienstherrn) – oder eines Dritten – ein schützenswertes Vertrauen vorliegt, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht, und dass dieses Vertrauen auch betätigt wurde, indem der Verpflichtete – oder der Dritte – sich darauf eingerichtet hat (sog. Umstandsmoment).

Der Beamte hat mithin keinen Schadensersatzanspruch, weil er es schuldhaft unterlassen hat, den Schadenseintritt durch Gebrauch eines zumutbaren Rechtsmittels im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB abzuwenden.

Diese Prüfung ist vorrangig vor einem Rückgriff auf das – vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte – Rechtsinstitut der Verwirkung, das – neben einem längeren Zeitraum der Untätigkeit (sog. Zeitmoment) voraussetzt, dass auf Seiten des Verpflichteten (hier: des Dienstherrn) – oder eines Dritten – ein schützenswertes Vertrauen vorliegt, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht, und dass dieses Vertrauen auch betätigt wurde, indem der Verpflichtete – oder der Dritte – sich darauf eingerichtet hat (sog. Umstandsmoment)1. Ob diese Voraussetzungen im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfall zu bejahen wären, war jedoch nicht entscheidungserheblich.

Das Rechtsinstitut des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt2. Es findet seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Als im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelndes und insofern „quasi-vertragliches“ Institut gewährleistet der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie dies § 280 Abs. 1 BGB für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht3.

Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch war ursprünglich auf Verletzungen der Fürsorgepflicht bezogen. Er ist in der Rechtsprechung aber nachfolgend auch auf andere Pflichtverletzungen ausgedehnt worden, insbesondere auf die Verletzung der Auswahlgrundsätze aus Art. 33 Abs. 2 GG4.

Ein Beamter kann danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamts den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden5.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat die Dienstherrrin den Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten verletzt und dies zu vertreten. Diese Rechtsverletzung ist für den vom Beamten erlittenen Schaden auch kausal. Der Beamte hat aber nicht die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Verhinderung des Schadenseintritts ausgeschöpft.

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Die Nichteinbeziehung des Beamten in die Bewerberauswahl von Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 9 BBesO in der Beförderungsrunde des Jahres 2009 wegen Nichterfüllung der anhand des allgemeinen Dienstalters berechneten Mindestwartezeit war mit Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BBG und § 5 Abs. 3 Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG – in der Fassung vom 14.09.19946 nicht vereinbar.

Abs. 2 GG sowie die einfach-rechtlichen Konkretisierungen in den Beamtengesetzen gewährleisten jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauswahl ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben. Andere Kriterien können bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben7. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind8.

Die in einem bestimmten Statusamt oder allgemein geleistete Dienstzeit gehört nicht zu den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien. Zwar kann sich das Dienstalter auf die Beurteilung von leistungsbezogenen Gesichtspunkten auswirken, weil sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung häufig leistungsfördernd niederschlagen wird. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter stets auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen grundsätzlich nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar9.

An das Dienstalter anknüpfende Wartezeitregelungen stehen daher nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Grundsatzes der Bestenauswahl dienen und mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers im bisherigen Statusamt festgestellt werden soll. Dieser Zweck, die zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen, setzt dem zeitlichen Umfang solcher „Bewährungszeiten“ Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose zu schaffen. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen10.

Daran gemessen hat die Dienstherrrin den Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten zum einen dadurch verletzt, dass sie für ihn zum maßgeblichen Zeitpunkt – hier zum Beförderungsstichtag am 1.03.2009 – keine dienstliche Beurteilung oder ein vergleichbares Beurteilungssurrogat erstellt hat, sondern die Vergabe der Beförderungsstellen allein anhand einer an das Dienstalter anknüpfenden Wartezeitregelung ausgerichtet hat. Zum anderen hat sie es rechtswidrig unterlassen, den Beamten über den Ausgang der Beförderungsrunde 2009 zu unterrichten (sog. Konkurrentenmitteilung)11. Die gleichwohl vorgenommenen Ernennungen von statusgleichen Beamten auf Beförderungsämter der Besoldungsgruppe A 9 BBesO ist deshalb mit dem Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) unvereinbar gewesen.

Die Dienstherrrin hat die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beamten auch zu vertreten.

Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamtenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des bürgerlichen Rechts12. Zu vertreten hat der Dienstherr danach Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Von den für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten muss verlangt werden, dass sie die Sach- und Rechtslage unter Heranziehung aller ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden. Dazu gehören auch die Auswertung der Rechtsprechung und ggf. die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob in Aussicht genommene Personalentscheidungen am Maßstab der relevanten Rechtsnormen Bestand haben können13.

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Nach diesen Maßstäben hat die Dienstherrrin den Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls als Fahrlässigkeit zu vertreten. Bei sorgfältiger rechtlicher Prüfung hätten die Verantwortlichen erkennen müssen, dass die Anforderung einer allein am Dienstalter orientierten Mindestwartezeit im Statusamt eines Fernmeldehauptsekretärs für eine Beförderung in ein Statusamt nach Besoldungsgruppe A 9 BBesO den in der relevanten Rechtsprechung entwickelten Maßstäben nicht entspricht. Hieran konnte jedenfalls nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.20049 und vom 17.08.200514 kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen.

Dem Beamten ist dadurch ein Schaden entstanden, dass er erst im Jahr 2016 und nicht bereits früher – hier zum 1.03.2009 – in ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO befördert worden ist. Kausalität ist gegeben, wenn der Beamte nach den Gegebenheiten des Einzelfalles ohne den Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre15. Die dazu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts – jahrelanger Einsatz des Beamten auf einem höherwertigen Dienstposten, faktische Unmöglichkeit nachträglich zu erstellender Leistungsbewertungen für die Zeit bis zum Beförderungsstichtag am 1.03.2009 und Nichtberücksichtigung der späteren (weniger günstigen) dienstlichen Beurteilung des Beamten vom Juli 2011 – lassen keine Rechtsfehler erkennen.

Einem Schadensersatzanspruch des Beamten steht aber der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen.

Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht anerkannt ist16.

Die Vorschrift ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat17: Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitsakt mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, d.h. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen18. Der für rechtmäßige hoheitliche Eingriffe geltende Grundsatz „Dulde und liquidiere“ gilt nicht im Bereich der Haftung für rechtswidrige Eingriffe19. Soweit der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, gilt daher ebenfalls: es gibt kein „Dulde und liquidiere“. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat20.

Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB gilt auch beim Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs. Der zu Unrecht nicht einbezogene und nicht ausgewählte Bewerber kann Schadensersatz für die Verletzung seines Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG nur dann beanspruchen, wenn er sich bemüht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er rechtliche Schritte im Vorfeld der absehbaren Auswahlentscheidung – durch Erkundigung und Rüge der Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis und der Nichtauswahl – oder nach deren Ergehen – durch die Beantragung von Primärrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO – eingeleitet hat21.

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Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das Bundesverwaltungsgericht teilt, alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine Amtspflichtverletzung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung oder Verringerung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind22. Der Begriff des Rechtsmittels ist nicht auf die in den Verfahrensvorschriften vorgesehenen Behelfe beschränkt, sondern umfasst auch andere, rechtlich mögliche und geeignete – förmliche oder formlose – Rechtsbehelfe (z.B. Gegenvorstellungen, Erinnerungen an die Erledigung eines Antrags, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden), ist also in einem weiten Sinn zu verstehen23. Maßgeblich für die Einordnung einer Handlung als Rechtsbehelf in diesem Sinne ist es, ob sie potentiell geeignet ist, den bevorstehenden Schadenseintritt noch abzuwenden. Der Rechtsbehelf muss sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und ihre Beseitigung beziehungsweise Vornahme bezwecken und ermöglichen24.

Rechtsmittel in diesem Sinne, die der Durchsetzung des Anspruches auf Beförderung dienen, sind zuvörderst, aber nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen bevorstehende Ernennungen. Um solchen Primärrechtsschutz gegen die im Jahre 2009 oder später vorgenommenen Beförderungen von einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 BBesO in ein solches der Besoldungsgruppe A 9 BBesO hat der Beamte nicht nachgesucht. Unterlassener Primärrechtsschutz steht sekundärem beamtenrechtlichen Schadensersatz vorliegend indes deshalb nicht entgegen, weil an die zum Beförderungsstichtag am 1.03.2009 nicht berücksichtigten Beamten keine Konkurrentenmitteilungen versandt worden sind. Ebenso wenig sind die betroffenen Beamten auf anderem individuellen Weg über ihre Nichtbeförderung unterrichtet worden. Unabhängig davon liegt der relevante Zeitpunkt für die Beförderungen im Jahre 2009 vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Gewährung wirkungsvollen Primärrechtsschutzes in Fällen der Rechtsschutzverhinderung bei der Beamtenernennung25, sodass nach der Ernennung der ausgewählten Beamten ein dagegen gerichtetes Primärrechtsschutzgesuch des Beamten nicht aussichtsreich, jedenfalls aber nicht zumutbar gewesen wäre.

Unabhängig von der Inanspruchnahme von gerichtlichem Primärrechtsschutz kann zu den Rechtsmitteln im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB im Vorfeld beamtenrechtlicher Beförderungen nicht generell, jedoch je nach den Umständen des Einzelfalls auch der an den Dienstherrn gerichtete Antrag, befördert zu werden, gehören. Wenn – wie dies im Streitfall gegeben war (dazu sogleich) – der Dienstherr in dem von ihm eingerichteten, für alle Betroffenen zugänglichen Intranet über ein von ihm regelmäßig praktiziertes jährliches Beförderungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen informiert, hat ein an seinem beruflichen Fortkommen interessierter Beamter die Obliegenheit, sich ggf. über weitere Einzelheiten dieses Verfahrens zu erkundigen, seine Nichteinbeziehung in den zur Beförderung in Aussicht genommenen Personenkreis sowie in die Auswahlentscheidung zu rügen und gegen die drohende Ernennung Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen. Mit einer Erkundigung nach Möglichkeiten seiner Beförderung und der Rüge, er sei in den Kreis der dafür in Aussicht genommenen Personen rechtswidrig nicht einbezogen und nicht ausgewählt worden, bringt der Beamte seinen Anspruch zum Ausdruck, bei der Auswahl insbesondere nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG berücksichtigt zu werden. Mit einem solchen – formlosen – Begehren bekräftigt der Beamte diesen Anspruch mit der Folge, dass der Dienstherr verpflichtet ist zu prüfen, ob der Beamte in die Auswahlentscheidung einzubeziehen und ggf. zu befördern ist. Der Beamte darf schon dabei all das geltend machen, was ihm seiner Auffassung nach den Vorzug gegenüber anderen Bewerbern verschafft. Unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes kann der Beamte das angestrebte Ziel der Beförderung weiter verfolgen, wenn der Dienstherr zuvor mit dem Begehren befasst war und – vermeintlich oder tatsächlich – einen anderen Bewerber rechtsfehlerhaft bevorzugt hat26.

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Die Erkundigungs- und Rügeobliegenheit für an ihrem beruflichen Fortkommen interessierte Beamte hat ihren rechtlichen Grund in dem durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG geprägten besonderen Dienst- und Treueverhältnis, das Dienstherrn und Beamten verbindet. Ein Beamter, der an seinem beruflichen Fortkommen interessiert ist und sich über Einzelheiten des – hier durch die für die konzernangehörigen Mitarbeiter im Intranet der Telekom zugänglichen „Dienstrechts-Infos“ – durch den Dienstherrn bekanntgemachten Beförderungsverfahren im Unklaren ist, hat die Obliegenheit, sich bei seinem Dienstherrn danach zu erkundigen und für den Fall von als unzureichend angesehenen Auskünften diese zu rügen und gegen drohende Ernennungen Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das diesen Aspekt im Rahmen seiner Ausführungen zum Rechtsinstitut der Verwirkung problematisiert, bedeutet eine solche Erkundigungs- und Rügeobliegenheit nicht, dass dadurch die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Obliegenheiten bzw. Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten „ohne sachliche Rechtfertigung grundlegend verschoben“ werden.

Die grundgesetzliche Vorgabe, dass jedes öffentliche Amt nach Eignung, Befähigung und Leistung zu vergeben ist (Grundsatz der Bestenauswahl, Art. 33 Abs. 2 GG), dient in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung öffentlicher Ämter mit möglichst leistungsfähigen Beamten. Daneben dient die Vorschrift – in zweiter Linie – auch dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen innerhalb des öffentlichen Dienstes; hieraus folgt ihr grundrechtsgleicher Charakter und damit ihre Gewährleistung als subjektives Recht27. Auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe sind im Laufe der Jahrzehnte in der beamtenrechtlichen Rechtsprechung – unter Betonung der vorstehend an zweiter Stelle benannten Zielrichtung – eine Vielzahl von rechtlichen Kautelen in Gestalt von formell- und materiell-rechtlichen Anforderungen entwickelt worden, die der Dienstherr im Verfahren der Besetzung von Beförderungsstellen, bei der Erstellung von hierfür in erster Linie maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen und bei der Auswahl unter einer Mehrzahl von Bewerbern zu beachten hat (z.B. Mitteilungs, Dokumentations- und Plausibilisierungspflichten). In einer diese Entwicklung einbeziehenden Gesamtschau der wechselseitigen aus dem Beamtenverhältnis herrührenden (Treue-)Pflichten stellt es keine „grundlegende Verschiebung“ der Obliegenheiten und Pflichten in diesem Gesamtgefüge und keine Überforderung eines an seinem beruflichen Fortkommen interessierten Beamten dar, wenn ihm angesonnen wird, sich bei seinem Dienstherrn zu erkundigen, wenn ihm Einzelheiten eines – jedenfalls in den Grundzügen bekannt gemachten – Beförderungsverfahrens unbekannt oder unklar sind. Solche Auskünfte zu erlangen, wird regelmäßig auf einfache Art und Weise möglich sein, in erster Linie durch Nachfrage bei dem zuständigen (dem Beamten regelmäßig bekannten oder jedenfalls leicht zu ermittelnden) Personalsachbearbeiter, hilfsweise oder ergänzend auch beim oder über den Personalrat oder den Betriebsrat bei den Postnachfolgeunternehmen. Kosten, wie bei einer – bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ggf. ohnehin notwendig werdenden – Beauftragung eines Mitglieds der rechtsberatenden Berufe wären damit jedenfalls zunächst nicht verbunden.

Anhaltspunkte dafür, dass den bei der Deutsche Telekom AG und ihren Tochterunternehmen beschäftigten oder in-sich-beurlaubten Beamten solches unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich und sind auch im Rechtsgespräch mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht deutlich geworden.

Ob es der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB einzulegen, hängt davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Verletzte angehört28. Dies ist hier zu bejahen.

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Die Deutsche Telekom AG hat nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in den fraglichen Zeiträumen – hier ab dem Jahr 2009 – im für die Beschäftigten allgemein zugänglichen Intranet mit den jedenfalls seit dem Jahr 2002 regelmäßig erscheinenden „Dienstrechts-Infos“ Hinweise über die wesentlichen Grundzüge ihrer Beförderungspraxis veröffentlicht. Danach hat sie zu bestimmten Stichtagen jährliche Beförderungsverfahren für Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes durchgeführt. Diese – auch in der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts erörterten – Hinweise waren zwar allgemein gehalten und inhaltlich unvollständig. Auch haben sie nicht vorgesehen, die nicht berücksichtigten Beamten über die „Beförderungsmeldungen“ und das „Ergebnis der Beförderungsprüfung“ zu benachrichtigen. Die im Intranet allen Beamten jedenfalls seit dem Jahr 2002 durchgängig zugänglichen und regelmäßig veröffentlichten „Dienstrechts-Infos“ der Telekom enthielten aber – wenn auch in wechselndem Umfang – grundlegende Angaben zu den jährlich wechselnden Beförderungsmeldungen und Beförderungsstichtagen sowie Erläuterungen zur damals von der Dienstherrrin (rechtswidrig) praktizierten Wartezeitregelung für die Beförderung der aus dienstlichem Interesse beurlaubten und in-sich-beurlaubten Beamten. Darüber hinaus wies die Telekom diese Beamten in den „Dienstrechts-Infos“ unter der Rubrik „Intranet“ auf einschlägige Navigationslinks hin, deren Titelzeilen u.a. wie folgt lauteten: „Beschäftigungsbedingungen“, „Allgemeines Dienst- und Laufbahnrecht“ und insbesondere auch „Beförderung im dienstlichen UoB.“. Diese Hinweise haben jedem an seinem beruflichen Fortkommen interessierten Beamten – und damit auch dem Beamten – hinreichend Anlass (Anstoßfunktion) gegeben, sich bei der Telekom nach den Einzelheiten des Beförderungsverfahrens zu erkundigen und ggf. eine Nichtberücksichtigung zu rügen. Hätte der Beamte dies bereits im Jahre 2009 vor dem allgemein bekannten Beförderungsstichtag am 1.03.2009 getan, wäre er in der Lage gewesen, seine Rechte weiter zu verfolgen und damit den Schaden abzuwenden.

Hiernach hat es der Beamte fahrlässig und damit schuldhaft unterlassen, sich im Jahre 2009 über die jährliche Beförderungspraxis und die Einzelheiten, d.h. das konkrete „Wie“ und „Wann“ des dem Grunde nach durch die „Dienstrechts-Infos“ behördenintern für jeden Beschäftigten bekannten Beförderungsverfahrens zu erkundigen und seine Nichteinbeziehung und Nichtauswahl zu rügen. Dazu hat der Beamte aufgrund der im Intranet der Telekom und ihrer Tochterunternehmen veröffentlichten Informationen über die jährliche Beförderungspraxis und das Beförderungsverfahren hinreichend Anlass gehabt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Beamte früher selbst einmal Betriebsratsmitglied gewesen ist, ihm von daher die regelmäßigen Beförderungsrunden nicht verborgen geblieben sein können und er sich auf diese erkennbar rechtswidrige Praxis über lange Jahre eingelassen hat. Erst nachdem die Dienstherrrin dazu übergegangen war, für die beurlaubten und in-sich-beurlaubten Beamten dienstliche Beurteilungen zu erstellen und der Beamte unter dem 14./15.07.2011 lediglich mit der Gesamtnote „erfüllt die Anforderungen teilweise“ beurteilt worden war, die für die angestrebte Beförderung seinerzeit nicht ausreichte, hat er – im November 2011 – Schadensersatz für die Nichtbeförderung in den Jahren seit 2009 beantragt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Juni 2018 – 2 C 19.17

  1. vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29.08.1996 – 2 C 23.95, BVerwGE 102, 33 S. 36; BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – BGHZ 211, 105 Rn. 40 f. m.w.N.[]
  2. vgl. BVerwG, Urteile vom 24.08.1961 – 2 C 165.59, BVerwGE 13, 17, 18 ff.; vom 19.03.2015 – 2 C 12.14, BVerwGE 151, 333 Rn. 9 sowie vom 20.10.2016 – 2 C 30.15, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 78 Rn. 18, jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. zur Bezugnahme auf Grundsätze der positiven Vertragsverletzung im Arbeitsrecht BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.01.2010 – 2 BvR 811/09 – BayVBl 2010, 303 Rn. 9[]
  4. BVerwG, Urteile vom 25.08.1988 – 2 C 51.86, BVerwGE 80, 123, 124 f.; und vom 19.03.2015 – 2 C 12.14, BVerwGE 151, 333 Rn. 10[]
  5. stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17.08.2005 – 2 C 37.04, BVerwGE 124, 99, 101 f.; vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 15; vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, BVerwGE 145, 185 Rn. 9; und vom 30.10.2013 – 2 C 23.12, BVerwGE 148, 217 Rn. 42[]
  6. BGBl. I S. 2325[]
  7. stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – BVerfGK 12, 265, 268[]
  8. stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn.19 f.; und vom 19.12 2014 – 2 VR 1.14, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 16 ff.[]
  9. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 – 2 C 23.03, BVerwGE 122, 147, 151[][]
  10. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 – 2 C 23.03, BVerwGE 122, 147, 152; Beschluss vom 25.10.2011- 2 VR 4.11, NVwZ-RR 2012, 241 Rn. 35; Urteil vom 26.09.2012 – 2 C 74.10, BVerwGE 144, 186 Rn. 23[]
  11. vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178, 1179[]
  12. BVerwG, Urteil vom 17.08.2005 – 2 C 37.04, BVerwGE 124, 99, 104 m.w.N.[]
  13. BVerwG, Urteil vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 39[]
  14. BVerwG, Urteil vom 17.08.2005 – 2 C 37.04, BVerwGE 124, 99, 102 ff.[]
  15. BVerwG, Urteile vom 19.03.2015 – 2 C 12.14, BVerwGE 151, 333 Rn. 27; und vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 42 f.[]
  16. vgl. Papier/Shirvani, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Aufl.2017, § 839 Rn. 329 f.[]
  17. BVerwG, Beschlüsse vom 06.06.2014 – 2 B 75.13, Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 12; und vom 03.11.2014 – 2 B 24.14, Buchholz 232.0 § 78 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 7[]
  18. BGH, Urteil vom 15.11.1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17, 22; vgl. auch Wöstmann, in: Staudinger, BGB, 2013, § 839 Rn. 335; Papier/Shirvani, a.a.O. § 839 Rn. 330[]
  19. vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl.2013, S. 94[]
  20. vgl. BGH, Urteile vom 29.03.1971 – III ZR 98/69 – BGHZ 56, 57, 63; und vom 04.07.2013 – III ZR 201/12 – BGHZ 197, 375 Rn. 22; BVerwG, Beschlüsse vom 06.06.2014 a.a.O. Rn. 12; und vom 03.11.2014 a.a.O. Rn. 7[]
  21. zu letzterem bereits BVerwG, Urteile vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 48; vom 19.03.2015 – 2 C 12.14, BVerwGE 151, 333 Rn. 11; und vom 20.10.2016 – 2 C 30.15, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 78 Rn. 27, jeweils m.w.N.[]
  22. vgl. bereits BGH, Urteil vom 21.03.1963 – III ZR 8/62 – VersR 1963, 849, 851 unter Berufung auf das Urteil vom 09.07.1958 – V ZR 5/57 – BGHZ 28, 104, 106[]
  23. vgl. nur BGH, Urteile vom 04.06.2009 – III ZR 144/05 – BGHZ 181, 199 Rn. 25; und vom 04.07.2013 – III ZR 201/12 – BGHZ 197, 375 Rn. 18 m.w.N.; s. auch: Wöstmann, in: Staudinger, BGB, 2013, § 839 Rn. 337 ff., 341[]
  24. BGH, Urteil vom 16.10.2008 – III ZR 15/08 – WM 2009, 86 Rn. 24[]
  25. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102 Rn. 31, 59[]
  26. BVerwG, Urteil vom 18.04.2002 – 2 C 19.01, Buchholz 237.95 § 20 SHLBG Nr. 2 S. 2[]
  27. stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16.12 2015 – 2 BvR 1958/13, BVerfGE 141, 56 Rn. 31 und BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 2 C 12.14, BVerwGE 151, 333 Rn. 15[]
  28. vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17, 25[]
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Gesamtschuldnerausgleich unter Beamten - und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte