Innendienst für den polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten

Ein polizeidienstunfähiger Polizeivollzugsbeamter darf nicht in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden, wenn im Polizeidienst ein Dienstposten zur Verfügung steht, dessen Aufgaben er bewältigen kann1.

Innendienst für den polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten

Der Dienstherr muss nach einem solchen Dienstposten suchen. Die Suchpflicht entfällt, wenn feststeht, dass der Beamte krankheitsbedingt voraussichtlich keinerlei Dienst mehr leisten kann oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind2.

Die Voraussetzungen, unter denen ein dauerhaft polizeidienstunfähiger Polizeivollzugsbeamter im Polizeidienst oder in einer anderen Laufbahn weiterverwendet werden kann, sind – soweit hier entscheidungserheblich – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3, Abs. 2 BeamtStG sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind und eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, d.h. die Gesamtheit der bei seiner Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen eingesetzt werden kann3.

Für den Polizeivollzugsdienst haben die Länder aufgrund der Ermächtigung des § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG Sonderregelungen für die Dienstunfähigkeit getroffen. Nach § 110 des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 25.03.2009 – NBG –4 ist ein Polizeivollzugsbeamter dienstunfähig (§ 26 Abs. 1 BeamtStG), wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die ausgeübte oder konkret auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.

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Der Bedeutungsgehalt dieser Regelung ist insbesondere durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.2005 – 2 C 4.04 –5 geklärt, das zur weitgehend wortgleichen Vorschrift des § 194 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen ergangen ist.

Danach ist Maßstab der Polizeidienstfähigkeit nicht das abstrakt-funktionelle Amt eines Polizeibeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde, sondern sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. Der Polizeivollzugsbeamte muss zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer Funktion des Polizeidienstes verwendet werden kann, deren Aufgaben er erfüllen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein6.

Die Weiterverwendung im Polizeidienst setzt voraus, dass dort eine Funktion, d.h. ein Dienstposten, zur Verfügung steht, dessen Aufgaben der Beamte dauerhaft, d.h. voraussichtlich bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenze, bewältigen kann7. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Dienstherr verpflichtet ist, nach einer derartigen Funktion zu suchen. Insoweit können die Anforderungen herangezogen werden, die das Bundesverwaltungsgericht für die Suchpflicht nach § 42 Abs. 3 BBG a.F. aufgestellt hat8.

Maßstab für die Prüfung der gesundheitlichen Eignung sind die Anforderungen derjenigen Dienstposten, die für eine Weiterverwendung des Polizeivollzugsbeamten zur Verfügung stehen9. Diese Eignungsbeurteilung unterliegt der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung10.

Der Dienstherr ist von der Suche nach einer Funktion für die Weiterverwendung im Sinne des § 110 NBG nur dann entbunden, wenn feststeht, dass der Polizeivollzugsbeamte in dem von § 110 NBG vorgegebenen Zeitraum, d.h. in den nächsten zwei Jahren keinerlei Dienst leisten kann oder erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind11. Unter dieser Voraussetzung kommt es auf die konkreten Anforderungen der für die Weiterverwendung in Betracht kommenden Dienstposten nicht mehr an. Daher besteht in diesem Fall keine Pflicht zur Suche nach einem solchen Dienstposten im Polizeidienst, weil deren Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann.

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Entsprechendes gilt für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung außerhalb des Polizeidienstes nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG. Diese Regelungen finden auch für Polizeivollzugsbeamte Anwendung, weil die Länder nach § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG nicht zur Regelung der weiteren Voraussetzungen für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand befugt sind. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung im Sinne von § 26 Abs. 2 BeamtStG setzt allerdings regelmäßig die allgemeine Dienstfähigkeit des Polizeivollzugsbeamten voraus. Eine Suchpflicht besteht nicht, wenn feststeht, dass er generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist. Besteht auch diese nicht, muss er vorzeitig in den Ruhestand zu versetzt werden12.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. November 2014 – 2 B 97.2013 –

  1. im Anschluss an Urteil vom 03.03.2005 – 2 C 4.04, Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2[]
  2. im Anschluss an Urteile vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25; und vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, NVwZ 2014, 1319[]
  3. stRspr; vgl. nur Urteile vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 13 f.; und vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, NVwZ 2014, 1319 Rn. 14, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen[]
  4. GVBl S. 72[]
  5. Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2[]
  6. BVerwG, Urteile vom 03.03.2005 a.a.O. S. 2 f.; und vom 26.04.2012 – 2 C 17.10, NVwZ 2012, 1483 = Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 jeweils Rn. 10[]
  7. BVerwG, Urteil vom 03.03.2005 a.a.O. S. 3 f.[]
  8. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 a.a.O. Rn. 25 f.[]
  9. BVerwG, Urteil vom 03.03.2005 a.a.O. S. 3[]
  10. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 12.11, BVerwGE 147, 244 = Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 1 jeweils Rn. 24 f.[]
  11. vgl. bereits Urteil vom 05.06.2014 a.a.O. Rn. 34 f. zur Weiterverwendung nach § 44 Abs. 3 BBG n.F.[]
  12. vgl. BVerwG, Urteil vom 05.06.2014 a.a.O. Rn. 34 f.[]
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