Keine Nullrunde bei der Beamtenbesoldung in Nordrhein-Westfalen

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat die „Nullrunde“ bei den Dienst- und Versorgungsbezügen der Beamten, Richtern und Versorgungsempfängern im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen in den Besoldungsgruppen ab A11 sowie den Besoldungsordnungen B, C, H, R und W für verfassungswidrig erklärt.

Keine Nullrunde bei der Beamtenbesoldung in Nordrhein-Westfalen

Das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 2013 ist nach der Entscheidung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs teilweise verfassungswidrig: Es verstößt gegen das in der Landesverfassung ebenso wie im Grundgesetz garantierte Alimentationsprinzip, soweit die Besoldungsgruppen ab A 11 betroffen sind. Dieses Urteil betrifft sowohl aktive als auch im Ruhestand befindliche Beamte und Richter, insgesamt etwa 80 % der Amtsträger des Landes.

Betroffen sind alle Beamten ab Besoldungsgruppe A 11 sowie Richter und damit etwa 80 % der Amtsträger des Landes. Die Vorschriften beschränken sich nicht auf Spitzenämter, sondern erstrecken sich auf sämtliche Ämter des höheren Dienstes und mit den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 auch auf einen Großteil der Beamten des gehobenen Dienstes. Unter diese beiden Besoldungsgruppen fallen z.B. Hauptkommissare im Polizeidienst und zahlreiche Lehrer sowie aus dem Bereich der allgemeinen Verwaltung die Ämter mit den Amtsbezeichnungen „Amtmann“ und „Amtsrat“.

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs NRW hat nicht zur Folge, dass die Grundgehälter rückwirkend zum 1. Januar 2013 für alle Beamten und Richter um 5, 6 % zu erhöhen sind. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs beschränkt sich darauf, die bisherige gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären. Eine weitergehende Entscheidung ist dem Verfassungsgerichtshof aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung untersagt und obliegt allein dem Gesetzgeber. Dieser hat in einem Gesetzgebungsverfahren nach Prüfung der maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben erneut über die Anpassung der Bezüge zu entscheiden.

Abs. 5 GG ist über Art. 4 Abs. 1 LV NRW Bestandteil der Landesverfassung und damit unmittelbar geltendes Landesrecht. Nach dem Alimentationsprinzip muss der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger anhand einer Gegenüberstellung mit bestimmten Vergleichsgruppen innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes festsetzen.

Der Gesetzgeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger an eine positive Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen. Der Gesetzgeber darf die Bezüge kürzen oder mit einer Anpassung hinter der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zurückbleiben, um eine Überalimentation abzubauen. Dies ist jedoch nur dann statthaft, wenn die Bezüge nicht bereits an der unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentation liegen.

Hält der Gesetzgeber für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 eine Erhöhung der Besoldung von 5, 6 % zur Sicherung einer amtsangemessenen Alimentation für sachgerecht, dann darf er ohne sachlichen Grund die Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 nicht auf 2 % beschränken und jedenfalls nicht schon ab Besoldungsgruppe A 13 auf jede Erhöhung der Grundgehaltssätze verzichten.

[content_table]

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs NRW[↑]

Artikel 1 §§ 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16.07.20131 ist mit Artikel 4 Absatz 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit Artikel 33 Absatz 5 GG unvereinbar, soweit die Bezüge der Besoldungs- und Versorgungsempfänger der Besoldungsgruppen A 11 bis A 16 sowie der Besoldungsordnungen B, C, H, R und W betroffen sind.

Mit den auf Antrag von 92 Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtags überprüften gesetzlichen Vorschriften hat der Gesetzgeber die Grundgehälter der Beamten und Richter, die den bei weitem größten Teil ihres Einkommens ausmachen, gestaffelt nach Besoldungsgruppen erhöht. Die Grundgehälter der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 sind entsprechend dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst für die Jahre 2013 und 2014 um insgesamt 5, 6 % angehoben worden. Für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 beträgt die Erhöhung der Grundgehälter insgesamt 2 %, für alle anderen Beamten und die Richter ist keine Erhöhung vorgesehen.

Die mit der gestaffelten Anpassung der Bezüge verbundene Ungleichbehandlung von Angehörigen der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 einerseits und Angehörigen der übrigen Besoldungsgruppen andererseits verstößt nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs NRW evident gegen das Alimentationsprinzip. Da der Gesetzgeber für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 eine Erhöhung der Besoldung um 5, 6 % für sachgerecht gehalten hat, hätte er die Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 nicht auf 2 % beschränken und jedenfalls nicht schon ab Besoldungsgruppe A 13 auf jede Erhöhung verzichten dürfen.

Grundsätzlich ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Bezüge der Beamten und Richter an eine positive Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen. Aufgrund seines weiten Gestaltungsspielraums ist er aber nicht gehalten, die Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst spiegelbildlich auf die Bezüge der Beamten und Richter zu übertragen; auch muss er nicht die Bezüge für alle Beamten und Richter in gleichem Umfang erhöhen. Allerdings ist er nicht befugt, eine zeitlich unbefristete gestaffelte Anpassung mit Sprüngen zwischen den Besoldungsgruppen in dem vorliegenden Ausmaß vorzunehmen.

Ein sachlicher Grund für diese Sprünge liegt nach Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs nicht vor. Er ist auch nicht etwa darin zu finden, dass der Gesetzgeber eine Überalimentation habe abbauen wollen. Zu diesem Zweck darf der Gesetzgeber die Bezüge zwar kürzen oder mit einer Anpassung hinter der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zurückbleiben. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass eine Überalimentation der Beamten ab Besoldungsgruppe A 11 sowie der Richter angenommen worden sei.

Auch kann, so der Verfassungsgerichtshof weiter, der Gesetzgeber die deutlich geringere oder gar vollständig ausgebliebene Anpassung der Bezüge nicht mit den unterschiedlichen Auswirkungen einer allgemeinen Teuerung rechtfertigen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Sprünge zwischen den Besoldungsgruppen dem Ausmaß der jeweiligen Belastung entsprächen. Zwar ist der Gesetzgeber auch befugt, die Haushaltslage und die Vorwirkungen der „Schuldenbremse“ bei der Festsetzung der Bezüge zu berücksichtigen. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Beachtung des Alimentationsprinzips.

Ob die überprüften gesetzlichen Bestimmungen aus weiteren Gründen verfassungswidrig sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht abschließend untersucht.

Das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge[↑]

Mit Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16.07.2013 hat der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger neu festgesetzt. Art. 1 § 2 und § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes lauten:

§ 2 Anpassung der Besoldung in den Jahren 2013 und 2014

Die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A sowie die Bemessungsgrundlagen der Zulagen, Aufwandsentschädigungen und anderer Bezüge nach Artikel 14 § 5 des Reformgesetzes vom 24.02.19972 werden für die Beamtinnen und Beamten

  1. der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 ab 1.01.2013 um 2, 65 Prozent und ab 1.01.2014 um 2, 95 Prozent,
  2. der Besoldungsgruppen A 11 und A 12 ab 1.01.2013 und ab 1.01.2014 um jeweils 1 Prozent erhöht.

Für die Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter werden folgende Bezüge wie folgt erhöht:

  1. ab 1.01.2013 um 2, 65 Prozent und ab 1.01.2014 um 2, 95 Prozent
    1. der Familienzuschlag,
    2. der Anrechnungsbetrag nach § 4 des Landesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.02.20053,
    3. die Amtszulagen, die allgemeine Stellenzulage nach Vorbemerkung Nummer 27 der Bundesbesoldungsordnungen A und B des Übergeleiteten Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen4 sowie die allgemeine Stellenzulage nach Vorbemerkung Nummer 2 b der weiter geltenden Besoldungsordnung C,
    4. die Beträge nach § 4 der Mehrarbeitsvergütungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.12 19985,
    5. die Beträge nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 und § 17 der Erschwerniszulagenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung

      vom 03.12 19986,

  2. ab 1.01.2013 um 50 Euro und ab 1.01.2014 um 2, 95 Prozent die Anwärtergrundbeträge und die Unterhaltsbeihilfen,
  3. ab 1.01.2013 um 2, 25 Prozent und ab 1.01.2014 um 2, 51 Prozent der Auslandszuschlag und der Auslandskinderzuschlag.

Die sich bei der Berechnung der erhöhten Beträge ergebenden Bruchteile eines Cents sind hinsichtlich der Beträge des Familienzuschlags der Stufe 1 auf den nächsten durch zwei teilbaren Centbetrag aufzurunden und im Übrigen kaufmännisch zu runden.

§ 3 – Anpassung der Versorgung in den Jahren 2013 und 2014

Für die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger gelten die Erhöhungen nach § 2 für die dort aufgeführten Besoldungsbestandteile entsprechend, sofern diese Grundlage der Versorgung sind. Bei Versorgungsbezügen, denen Grundgehaltssätze der weggefallenen Besoldungsgruppe A 1 zu Grunde liegen, werden die Grundgehaltssätze nach den in § 2 Absatz 1 Nummer 1 genannten Sätzen erhöht. Im Übrigen gilt Satz 1 für die Empfängerinnen und Empfänger von Versorgungsbezügen der weggefallenen Besoldungsgruppe A 1 entsprechend.

Im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 07.05.20137 wird die gestaffelte Übernahme des Tarifergebnisses wie folgt begründet:

„Der Abwägungsprozess hat einerseits die im Grundgesetz festgelegte und auch für das Land verbindliche Regelung zur Schuldenbremse und andererseits die zur Alimentation der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger entwickelten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in einen für eine weitgehende Verwirklichung beider Forderungen des Grundgesetzes möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Da die Personalausgaben den mit Abstand größten Ausgabenblock des Landeshaushalts darstellen, mussten sie in eine nachhaltige und verantwortungsvolle Haushaltskonsolidierung einbezogen werden. Eine wirkungs- und zeitgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf alle Beamtinnen, Beamte, Richterinnen, Richter, Versorgungsempfängerin- nen und Versorgungsempfänger wäre unausweichlich mit einem erheblichen Personalabbau und darüber hinaus mit längeren Arbeitszeiten, Beförderungsstopps oder einer weiteren Kürzung der Sonderzahlung („Weihnachtsgeld“) verbunden gewesen. Eine zeitlich verzögerte Übertragung des Tarifergebnisses hätte lediglich eine einmalige, nicht jedoch eine auf Dauer gerichtete Haushaltsentlastung zur Folge. Eine auch denkbare gekürzte Übernahme des Tarifergebnisses auf den gesamten Beamtenbereich hätte die Bezieher unterer Einkommen stärker getroffen als die übrige Beamten- und Richterschaft.

Nach Überzeugung des Landesgesetzgebers erfüllt die Maßnahme das Alimentationsprinzip, wonach den Beamtinnen, Beamten, Richterinnen, Richtern, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern8 ein ihrem Dienstrang und ihrer Verantwortung entsprechender und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit angemessener Lebensunterhalt entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards zu gewähren ist. Die Systematik der amtsangemessenen Besoldungsunterschiede wird durch die geplante einmalige Nichtanhebung der Bezüge der oberen Besoldungsgruppen nicht berührt, der Grundsatz einer dem Dienstrang und der Verantwortung entsprechenden amtsangemessenen Alimentation qualitativ weiterhin gewahrt. Es wird weiterhin ein amtsangemessener Abstand zwischen den Besoldungsgruppen gewahrt. …

Mit der gestaffelten Umsetzung des Tarifabschlusses wird insbesondere allgemeinen Preissteigerungen Rechnung getragen, von denen die unteren Besoldungsgruppen bezogen auf ihre Besoldung und Versorgung deutlich stärker betroffen sind als die übrigen Besoldungsgruppen.“

Das Alimentationsprinzip[↑]

Abs. 5 GG ist gemäß Art. 4 Abs. 1 LV NRW Bestandteil der Landesverfassung und damit unmittelbar geltendes Landesrecht, Art. 1 § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16.07.2013 sind – in dem beschriebenen Umfang – nicht mit Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Ob und ggf. inwieweit die Bezüge der Beamten und Richter vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG erfasst werden8, bedarf keiner weiteren Vertiefung; jedenfalls geht Art. 33 Abs. 5 GG Art. 14 Abs. 1 GG als lex specialis vor9.

Die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen sind an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen. Diese Vorschrift ist aufgrund der Rezeptionsnorm des Art. 4 Abs. 1 LV NRW Bestandteil der Landesverfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht. Die Rezeption von Art. 33 Abs. 5 GG über Art. 4 Abs. 1 LV NRW hält sich im Rahmen der Vorgaben in Art. 142, 31 GG, wonach die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte der Landesverfassungen nur insoweit in Kraft bleiben, als sie in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen des Grundgesetzes stehen10.

Grundrechte und Landesverfassung[↑]

Der Begriff „Grundrechte“ in Art. 4 Abs. 1 LV NRW ist als Landesverfassungsrecht autonom auszulegen11 und erfasst wie Art. 142 GG12 nicht nur die in Art. 1 bis 18 bzw.19 GG aufgeführten Grundrechte, sondern auch vergleichbare subjektiv-öffentliche Rechte, die an anderer Stelle im Grundgesetz gewährleistet sind13. Zu diesen vergleichbaren Rechten gehören jedenfalls die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgeführten grundrechtsgleichen Rechte14.

Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 LV NRW steht diesem Begriffsverständnis nicht entgegen. Die Norm differenziert nicht zwischen den im Grundgesetz unter der Überschrift „Die Grundrechte“ zusammengefassten Rechten (Art. 1 bis 19 GG) und an anderer Stelle im Grundgesetz gewährleisteten vergleichbaren Rechten. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass die Übernahme im Grundgesetz gewährleisteter subjektiv-öffentlicher Rechte in die Landesverfassung auf die von Art. 1 bis 19 GG erfassten Rechte begrenzt und alle anderen oder einzelne dieser Gewährleistungen ausgeschlossen werden sollten. Der Standort einer Regelung innerhalb des Grundgesetzes richtet sich in erster Linie an systematischen Erwägungen, insbesondere dem Zusammenhang mit anderen Regelungen, aus, und trifft wie Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG deutlich macht keine Aussage zu deren Rechtsqualität. Es entspricht vielmehr der grundrechtsfreundlichen Tendenz des nordrhein-westfälischen Verfassungsgebers, den ihm durch Art. 142 GG eröffneten Rahmen vollumfänglich auszuschöpfen15.

Zudem wird allein ein weites Verständnis des Begriffs „Grundrechte“ in Art. 4 Abs. 1 LV NRW dem Zweck dieser Norm gerecht, ein höchstmögliches Maß an inhaltlicher Übereinstimmung zwischen den grundrechtsbezogenen Regelungen des Bundesund Landesverfassungsrechts zu gewährleisten und entsprechende Normkonflikte auszuschließen16.

Rezipiert Art. 4 Abs. 1 LV NRW demnach nicht nur die im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG enthaltenen Grundrechte, sondern insbesondere auch die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgeführten grundrechtsgleichen Rechte, ist auch Art. 33 Abs. 5 GG über Art. 4 Abs. 1 LV NRW unmittelbar geltendes Landesrecht17. Art. 33 Abs. 5 GG gewährt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein grundrechtsgleiches Individualrecht18; dieser Rechtsprechung und deren überzeugender Begründung19 schließt sich der Verfassungsgerichtshof an.

Die Entstehungsgeschichte des Art. 80 LV NRW führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar blieben Bestrebungen, den heutigen Art. 80 LV NRW um eine Art. 33 Abs. 5 GG entsprechende Regelung zu ergänzen, ohne Erfolg. Sowohl entsprechende Vorschläge des damaligen Justizministers und des Deutschen Beamtenbunds als auch ein späterer Änderungsantrag der FDP-Fraktion20 wurden mit der Begründung der Vermeidung einer unnötigen Doppelregelung abgelehnt21. Jedoch steht diese Erwägung der Annahme einer Rezeption des Art. 33 Abs. 5 GG über Art. 4 Abs. 1 LV NRW nicht entgegen. Der Verfassungsgeber hat die subjektiv-rechtliche Qualität des Art. 33 Abs. 5 GG zutreffend erkannt22. Nur bei einer Rezeption auch des Art. 33 Abs. 5 GG wird dem vorstehend dargelegten Zweck des Art. 4 Abs. 1 LV NRW Rechnung getragen, ein höchstmögliches Maß31 an inhaltlicher Übereinstimmung zwischen den grundrechtsbezogenen Regelungen des Bundesund Landesverfassungsrechts zu gewährleisten.

Aus der von Landesregierung und Landtag in Bezug genommenen Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 08.05.199623 ergibt sich nichts anderes. Diese Entscheidung stützt sich darauf, dass der niedersächsische Verfassungsgeber eine Art. 33 Abs. 5 GG entsprechende Regelung der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung (Art. 46 Abs. 2) anlässlich des Erlasses der neuen Niedersächsischen Verfassung gestrichen hat. Hiermit ist der Verlauf der Entstehung der nordrhein-westfälischen Landesverfassung nicht vergleichbar.

Die Frage, ob Art. 33 Abs. 5 GG auch in seiner heutigen Fassung durch Art. 4 Abs. 1 LV NRW rezipiert ist, kann dahinstehen. Die mit Gesetz vom 28.08.200624 in Art. 33 Abs. 5 GG eingefügte „Fortentwicklungsklausel“ lässt die zwingenden Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG für die gesetzgeberische Ausgestaltung des Beamtenrechts unverändert. Fortentwickelt werden darf nur das einfachgesetzliche Beamtenrecht, nicht aber die den Gesetzgeber bindenden verfassungsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums25.

Alimentationsprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums[↑]

Zu den durch Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die dessen Bild maßgeblich prägen und die der Gesetzgeber angesichts ihres grundlegenden und strukturprägenden Charakters nicht nur berücksichtigen muss, sondern zu beachten hat, gehört auch das Alimentationsprinzip26.

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und Richtern und deren Familien lebenslang, also auch nach Eintritt in den Ruhestand, entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren27. Es steht im Zusammenhang mit der Befugnis des Gesetzgebers, die Höhe der Bezüge einseitig durch Gesetz festzusetzen28; ihm kommt auch die Funktion zu, einen Ausgleich für das Beamten und Richtern versagte Streikrecht zu schaffen29. Die Bemessung der Bezüge richtet sich nach folgenden Kriterien:

Die Bezüge der Beamten und Richter bemessen sich nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und Beanspruchung sowie nach der von ihnen geforderten Ausbildung. Zudem hat der Gesetzgeber die Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit, das Ansehen des Amts in den Augen der Gesellschaft und die Attraktivität des Dienstverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zu berücksichtigen30. Der Gesetzgeber hat die Bezüge so zu bemessen, dass sie nicht nur die Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung und Unterkunft) abdecken, sondern auch ein „Minimum an Lebenskomfort“ ermöglichen31.

Dementsprechend sind amtsangemessene Bezüge für Beamte und Richter etwas anderes und eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung32. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber für die unterste Besoldungsgruppe, für die Planstellen ausgewiesen sind, einen Mindestabstand zur Sozialhilfe einzuhalten hat33. Hinsichtlich aller anderen Besoldungsgruppen wird die Einhaltung dieses Mindestabstands dadurch gewahrt, dass deren Bezüge diejenigen für die unterste Besoldungsgruppe in einem dem jeweiligen Amt entsprechenden Maß übersteigen müssen.

Das Alimentationsprinzip und die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers[↑]

Der Gesetzgeber muss die Bezüge aufgrund einer Gesamtschau der relevanten Kriterien und anhand einer Gegenüberstellung mit jeweils in Betracht kommenden Vergleichsgruppen innerund außerhalb des öffentlichen Dienstes festsetzen. Dies gilt auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Höhe der Bezüge über die Jahre hinweg34.

Taugliche Vergleichsgruppen sind vorrangig innerhalb des Besoldungssystems zu finden. Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Dementsprechend bestimmt sich die Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Vergleiche sind nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen möglich und geboten35.

Der systeminterne Vergleich ist auch wegen der qualitätssichernden Funktion der Besoldung36 durch einen systemexternen Vergleich mit den Einkommen der im öffentlichen Dienst37 und der in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer38 zu ergänzen. Dabei ist auf die Nettobeträge abzustellen, also auf das, was sich die Betroffenen von ihren Bezügen bzw. Einkommen tatsächlich leisten können39. Allerdings dürfen die gegenüber den Bezahlungssystemen der Privatwirtschaft bestehenden Besonderheiten des beamtenrechtlichen Besoldungssystems nicht außer Acht gelassen werden, die auf den Charakter des Beamtenverhältnisses als wechselseitigem Dienstund Treueverhältnis zurückzuführen sind. Angesichts der zwischen Staatsdienst und Privatwirtschaft bestehenden Systemunterschiede müssen die Konditionen (nur) insgesamt vergleichbar sein40.

Das Alimentationsprinzip zwingt den nordrhein-westfälischen Gesetzgeber nicht, sich bei der Bemessung der Bezüge an der Höhe der vom Bund oder anderen Bundesländern gewährten Bezüge zu orientieren. Vielmehr ist eine weitere Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Bundesländern als Ausfluss der den Bundesländern durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes eröffneten Befugnis zum Erlass eigenständiger Regelungen hinzunehmen41. Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.200624, mit dem die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten und -richter (wieder) auf die Bundesländer übertragen wurde, hatte gerade zum Ziel, den Bundesländern bisher nicht vorhandene Gestaltungsmöglichkeiten bei den Arbeitsund Gehaltsbedingungen ihrer Beschäftigten einzuräumen42. Diese Gestaltungsmöglichkeiten bestehen allerdings nur in dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gesetzten Rahmen.

Alimentationsprinzip und das Abstandsgebot[↑]

Ferner hat der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Bezüge der Beamten und Richter zu beachten, dass diese dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit ihrer Ämter abzustufen sind (Abstandsgebot).

Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass die Inhaber höher besoldeter Ämter Leistungen erbringen, die höhere Anforderungen an ihre Kenntnisse und Fähigkeiten stellen. Aus diesem Grund bestimmt sich die Angemessenheit der Alimentation maßgeblich nach unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie z.B. der mit dem Amt verbundenen Verantwortung oder der Inanspruchnahme des Amtsinhabers sowie den für die Ausübung des Amts erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Diese „amts“-angemessene Besoldung ist notwendig eine abgestufte Besoldung. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungsund das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Bezüge einhergehen. Amtsangemessene Bezüge sind daher so zu bemessen, dass sie dem Amtsinhaber in der Realität eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung seines jeweiligen Amts entspricht43. Auch insoweit ist maßgeblich auf das, was sich der Amtsinhaber von seinen Bezügen leisten kann, und damit auf seine Nettobezüge abzustellen. Die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen sind auch nicht absolut, d.h. nominal, sondern relativ, also prozentual, zu bemessen, weil ein nominal gleich bleibender Abstand durch die Inflation an Wert verliert und zunehmend weniger Kaufkraft vermittelt44.

Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber weder, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen und Laufbahnen beizubehalten45, noch verlangt es, dass der Abstand zwischen zwei Besoldungsgruppen dem Abstand zwischen zwei anderen Besoldungsgruppen entspricht. Das Besoldungsgefüge muss jedoch in seiner Gesamtheit eine angemessene Ämterbewertung widerspiegeln. Das schließt es nicht aus, durch unterschiedliche Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und/oder Besoldungsbzw. Erfahrungsstufen die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zu erhöhen46 oder vergleichbare amtsbezogene Kriterien zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen aber nicht einebnen, sondern muss stets einen substantiellen, die unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen Ämter zum Ausdruck bringenden Abstand zwischen den jeweiligen Besoldungsgruppen wahren. Diese Verpflichtung ist insbesondere bei nach Besoldungsgruppen gestaffelten Erhöhungen der Besoldung im Blick zu behalten, da so ausgestaltete Erhöhungen zwingend zu einer Verringerung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen führen47.

Anpassung an die Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse[↑]

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten und Richter an die Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen.

Die amtsangemessene Alimentation ist ein Maßstabsbegriff, der nicht statisch, sondern entsprechend den jeweiligen Verhältnissen zu konkretisieren ist48. Der Gesetzgeber ist daher grundsätzlich verpflichtet, die Bezüge an eine positive Entwicklung dieser Verhältnisse anzupassen. Andererseits ist er berechtigt, die Bezüge im Falle einer negativen Entwicklung dieser Verhältnisse zu kürzen49. Passt der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten und Richter nicht an eine positive Entwicklung der maßgeblichen Verhältnisse an oder bleibt er mit einer Anpassung hinter dieser Entwicklung zurück, kommt es zwar nicht zu einer nominalen Absenkung ihrer Bezüge, wohl aber zu einer Verringerung ihres Lebensstandards und damit bezogen auf die maßgeblichen Vergleichsgruppen zu einer (realen) Kürzung ihrer Bezüge50.

Als maßgebliche Bestimmungsfaktoren für die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sind insbesondere die Einkommen der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sowie die Einkommen zu berücksichtigen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden51.

Allerdings führt nicht jede noch so geringfügige Abweichung von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zur Verfassungswidrigkeit eines Anpassungsgesetzes. Wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ist zum einen die Entwicklung der Verhältnisse über einen „größeren Zeitraum“ maßgeblich52; zum anderen kommt ein Verfassungsverstoß erst in Betracht, wenn die Bezüge über diesen Zeitraum mehr als nur geringfügig53, also greifbar54, hinter der Entwicklung der maßgeblichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zurückbleiben.

Aufgrund seines großen Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber weder verpflichtet, die Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes spiegelbildlich auf die Bezüge der Beamten und Richter zu übertragen55, noch muss er die Bezüge für alle Beamten und Richter gleichermaßen anpassen. Insbesondere darf er die Bezüge der aktiven und der im Ruhestand befindlichen Beamten und Richter unterschiedlich anpassen56. Bei der Bemessung der amtsangemessenen Versorgung darf er sich an den Einkommensverhältnissen der Rentenempfänger orientieren und die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung systemkonform auf die Beamtenversorgung übertragen57. Im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise darf er davon ausgehen, dass der finanzielle Bedarf der Ruhestandsbeamten geringer ist als derjenige der aktiven Beamten. Allerdings sind die strukturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen der Altersversorgung zu beachten58.

Keine Fortschreibung einer Überalimentation[↑]

Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, eine Überalimentation, also eine Höhe der Bezüge, die gemessen an den maßgeblichen Vergleichsgruppen über das verfassungsrechtlich Gebotene hinausgeht, entsprechend einer positiven Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse fortzuschreiben. Anders als Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV stellt Art. 33 Abs. 5 GG nicht die „wohlerworbenen Rechte“ der Beamten, sondern nur einen überlieferten Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums unter verfassungsrechtlichen Schutz. Art. 33 Abs. 5 GG garantiert also nicht die unverminderte Höhe der Bezüge; der Gesetzgeber darf sie kürzen, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist59. Dementsprechend darf er auch mit einer solchen Anpassung hinter einer positiven Entwicklung zurückbleiben, um39 die Bezüge auf ein verfassungsrechtlich gebotenes Niveau zurückzuführen. Jedoch hat der Gesetzgeber auch hierbei das Alimentationsprinzip zu beachten, das nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist. Beamten und Richtern steht, wenn auch nicht hinsichtlich der Höhe und der sonstigen Modalitäten, so doch hinsichtlich des Kernbestands ihres Anspruchs auf amtsangemessene Alimentierung ein durch ihre Dienstleistung erworbenes Recht zu, das durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert ist wie das Eigentum durch Art. 14 GG60. Sowohl eine Kürzung als auch eine Nichtanpassung sowie eine hinter der Entwicklung der maßgeblichen Verhältnisse zurückbleibende Anpassung der Bezüge sind nur dann statthaft, wenn diese nicht bereits an der unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentierung liegen61.

Beamtenbesoldung und die Finanzlage der öffentlichen Haushalte[↑]

Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte rechtfertigt in aller Regel für sich gesehen keine Kürzung der Bezüge62. Entsprechendes gilt für eine Nichtanpassung oder eine hinter der Entwicklung der maßgeblichen Verhältnisse zurückbleibende Anpassung, weil es dabei zu einer (realen) Kürzung der Bezüge kommt63. Auch rechtfertigen fiskalische Überlegungen für sich genommen in der Regel keine unterschiedliche besoldungsrechtliche Behandlung vergleichbarer Personengruppen. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte darf jedoch bei der Festsetzung der Besoldung ergänzend berücksichtigt werden64.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den Landeshaushalt so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG erfüllt wird (Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG). Die verfassungsrechtliche Pflicht zur Zurückführung40 des strukturellen Haushaltsdefizits entbindet den Gesetzgeber nicht von der in Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Pflicht zur Beachtung des Alimentationsprinzips. Er darf aber zur Haushaltssanierung in Ausübung seines weiten Gestaltungsspielraums die Bezüge der Beamten und Richter auf die Mindestalimentation zurückführen, die den Kerngehalt des Alimentationsprinzips ausmacht. Die Bestimmungen zur Schuldenbegrenzung ermächtigen den Gesetzgeber nur nicht zu einem Eingriff in diesen Kerngehalt.

Gesetzgeberischer Ermessensspielraum[↑]

Bei der Festsetzung amtsangemessener Bezüge besitzt der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum65. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Höhe der Bezüge, die sich der Verfassung nicht unmittelbar als fester und exakt bezifferter bzw. bezifferbarer Betrag entnehmen lässt66. Zum anderen ist dem Gesetzgeber auch bei der Festlegung der Abstände sowohl zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen als auch zwischen den Besoldungsbzw. Erfahrungsstufen ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt67. Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines „amtsangemessenen“ Unterhalts eine den Gesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar. Innerhalb seines weiten Spielraums politischen Ermessens darf der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen68; dabei darf er auch das gesamte Besoldungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick nehmen69. Zu prüfen, ob er dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat70, ob also jeder einzelne Beamte „richtig“ besoldet ist71, ist nicht Aufgabe der Verfassungsgerichte.

Dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte materielle Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch die Verfassungsgerichte72. Diese ist anhand einer Gesamtschau der für die Bemessung einer amtsangemessenen Alimentation maßgeblichen Kriterien und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vergleichsgruppen vorzunehmen73.

Die aktuelle „Nullrunde“[↑]

Nach diesen Maßstäben erweisen sich die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen als verfassungswidrig. Die mit der gestaffelten Anpassung der Bezüge verbundene Ungleichbehandlung von Angehörigen der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 einerseits und Angehörigen der übrigen Besoldungsgruppen andererseits verstößt evident gegen Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG. Da der Gesetzgeber eine Erhöhung der Besoldung in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 in Höhe von 5, 6 % für sachgerecht gehalten hat, durfte er jedenfalls nicht schon von der Besoldungsgruppe A 13 an auf jede Erhöhung verzichten, sondern hätte zumindest für einen gleitenden Übergang sorgen müssen. Die Beschränkung der Besoldungserhöhung auf die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 bzw. eingeschränkt bis A 12 ist in dieser Ausgestaltung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Darüber hinaus ist die auf Dauer angelegte Verringerung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen, insbesondere die wesentliche Verringerung des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen A 10 und A 11, verfassungsrechtlich bedenklich. Ob weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen bestehen, lässt der Verfassungsgerichtshof offen.

Die gesetzliche Regelung genügt dem Anspruch auf eine amtsangemessene Alimentation aus Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG jedenfalls insoweit nicht, als die Besoldungserhöhung auf die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 und eingeschränkt bis A 12 begrenzt ist. Der Gesetzgeber hat die wirtschaftliche und finanzielle Lage – ergänzt durch soziale Kriterien – so eingeschätzt, dass er die Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 zum 1.01.2013 sowie zum 1.01.2014 entsprechend dem Tarifergebnis um insgesamt 5, 6 % erhöhen konnte. Da er diese Anpassung zur Sicherung der amtsangemessenen Alimentation für notwendig gehalten hat, durfte er die Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 nicht nur um 2 % erhöhen und durfte er die Grundgehaltssätze der darüber liegenden Besoldungsgruppen jedenfalls nicht schon ab Besoldungsgruppe A 13 unverändert lassen.

Die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen übernehmen die Ergebnisse des Tarifabschlusses für die nordrhein-westfälischen Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 09.03.2013 für bestimmte Bestandteile der Bezüge unabhängig von der Besoldungsgruppe in vollem Umfang (Art. 1 § 2 Abs. 2 des Gesetzes), während die Anpassung anderer Bestandteile der Bezüge, insbesonde- re der Grundgehaltssätze, gestaffelt nach Besoldungsgruppen erfolgt (Art. 1 § 2 Abs. 1 des Gesetzes). Danach bleibt die Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 um insgesamt 3, 6 % hinter der Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 zurück; für die höher als A 12 besoldeten Beamten sowie die Richter beträgt die Differenz 5, 6 %. Demgegenüber fällt die Erhöhung anderer Bestandteile der Bezüge wie z.B. des Familienzuschlags nicht wesentlich ins Gewicht, da die Grundgehaltssätze den bei weitem größten Teil der Bezüge der Beamten und Richter ausmachen74.

Kennzeichnend für die gestaffelte Anpassung ist, dass es sich nicht um einen zeitlich begrenzten Sparbeitrag für die Angehörigen der Besoldungsgruppen ab A 11 handelt, sondern um eine Maßnahme, die sich auch bei weiteren linearen Besoldungsanpassungen fortsetzen wird, sofern der Gesetzgeber keine Korrekturen vornimmt. Der Gesetzgeber hat bislang bewusst davon abgesehen, das Tarifergebnis lediglich zeitlich verzögert auf alle Beamten und Richter zu übertragen; eine solche Maßnahme entlaste den Haushalt nicht auf Dauer75.

Es ist evident, dass angesichts des Unterschieds zwischen den Besoldungsstufen A 10 und A 11 eine Verringerung der Erhöhung der Bezüge von 5, 6 % auf 2 % unzureichend ist, um die Amtsangemessenheit der Alimentation zu sichern. Gleichermaßen evident unzureichend ist der Verzicht auf jegliche Erhöhung bereits von der Besoldungsstufe A 13 an. Wenn der Gesetzgeber von den Empfängern höherer Bezüge einen „Sparbeitrag“ verlangt, muss er diesen wenigstens so staffeln, dass auch bei ihnen die Amtsangemessenheit der Alimentation gewahrt bleibt. Das schließt Sprünge von 3, 6 % und 2 % zwischen benachbarten Besoldungsgruppen aus.

Wenn ein Empfänger von Bezügen etwa nach A 10 nach Auffassung des Gesetzgebers zur Sicherung einer amtsangemessenen Alimentation eine Erhöhung von 5, 6 % benötigt, kann nicht gleichzeitig der Verzicht auf jegliche Erhöhung bereits für Empfänger von Bezügen nach A 13 gerechtfertigt sein. Die Annahme des Gesetzgebers, die Steigerung der Lebenshaltungskosten treffe die Empfänger höherer Bezüge weniger stark, ist zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gegen Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG verstößt jedoch die Ausgestaltung des „Sparbeitrags“ in Form von Sprüngen zwischen den Besoldungsgruppen A 10 und A 11 sowie A 12 und A 13. Es ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedliche Betroffenheit durch die Steigerung der Lebenshaltungskosten dem jeweiligen Ausmaß des „Sparbeitrags“ der herangezogenen Amtsträger entspricht.

Der Verfassungsgerichtshof schließt sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, das Dauer und Umfang einer um zwei Jahre verzögerten Anpassung der Bezüge in Höhe von 7, 5 % als schwerwiegend47 und mithin greifbar angesehen hat. Zwar war in dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall der Umfang der Abweichung mit 7, 5 % höher als vorliegend. Entscheidend ist aber, dass hier die Anpassung der Bezüge im Gegensatz zu jenem Fall nicht nur zeitlich verschoben wird, sondern – bezogen auf bestimmte Bestandteile der Bezüge und bestimmte Besoldungsgruppen – teilweise bzw. ganz unterbleibt. Die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen sind anders als die vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilenden Regelungen nicht zeitlich begrenzt76.

Damit weichen die hier zur Überprüfung gestellten Bestimmungen auch von denjenigen Regelungen ab, bei deren Beurteilung das Bundesverfassungsgericht die Zumutbarkeit von Sparbeiträgen der Angehörigen höherer Besoldungsgruppen festgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat es bei einer siebenmonatigen Verschiebung einer allgemeinen Anpassung der Bezüge für bestimmte Besoldungsgruppen nicht als sachwidrig angesehen, von Empfängern höherer Bezüge einen begrenzten „Sparbeitrag“ mit der Erwägung zu fordern, dass sie von einer allgemeinen Teuerung jedenfalls teilweise weniger stark betroffen sind77. Wenn der Gesetzgeber einen solchen „Sparbeitrag“ verlangt, muss er ihn allerdings so ausgestalten, dass auch für die Empfänger höherer Bezüge entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse ein angemessener Lebensunterhalt gewährt ist. Der „Sparbeitrag“ darf diese Grenze nicht überschreiten. Dabei muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass auch die Empfänger höherer Bezüge von der Steigerung der Lebenshaltungskosten betroffen sind. Er wird deshalb zumindest Sprünge in der Staffelung vermeiden und für gleitende Übergänge sorgen müssen.

Ein sachlicher Grund für die mit den beschriebenen Sprüngen zwischen den Besoldungsgruppen A 10 und A 11 einerseits und A 12 und A 13 andererseits verbundene Ungleichbehandlung liegt nicht vor.

Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Sprünge zwischen bestimmten Besoldungsgruppen lassen sich nicht mit dem Willen des Gesetzgebers zum Abbau einer Überalimentation bestimmter Besoldungsgruppen, also dem Willen zur Rückführung von Bezügen, die der Höhe nach – gemessen an den maßgeblichen Ver- gleichsgruppen – über das verfassungsrechtlich Gebotene hinausgehen, rechtfertigen. Der Gesetzesbegründung lässt sich trotz des im Gesetzgebungsverfahren durchgeführten Vergleichs mit den Tarifbeschäftigten des Öffentlichen Dienstes schon nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber von einer Überalimentation der Beamten ab Besoldungsgruppe A 11 sowie der Richter ausgegangen ist. Dies wird durch die Ausführungen der Vertreter der Landesregierung und des Landtags in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Diese haben auf ausdrückliche Nachfrage seitens des Verfassungsgerichtshofs nicht erkennen lassen, dass mit der gestaffelten Anpassung eine Überalimentation bestimmter Besoldungsgruppen abgebaut werden sollte.

Die vom Gesetzgeber in Bezug genommene angespannte Haushaltslage rechtfertigt die getroffene Regelung ebenfalls nicht. Zwar darf der Gesetzgeber die Finanzlage der öffentlichen Haushalte bei der Festsetzung der Besoldung berücksichtigen78. Dies entbindet den Gesetzgeber indessen nicht von der Beachtung des Alimentationsprinzips. Dieses Prinzip ist hier nicht hinreichend beachtet worden, weil der Gesetzgeber deutlich unterschiedliche Erhöhungen der Bezüge für die verschiedenen Besoldungsgruppen vorgesehen hat. Die Haushaltslage vermag diese Differenzierung nicht zu rechtfertigen.

Gleiches gilt für die Vorwirkungen der Schuldenbremse. Die Verpflichtung, den Landeshaushalt so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG erfüllt wird (Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG), erlaubt, wie dargelegt, auch die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums bei der Festsetzung der Bezüge der Beamten und Richter. Dies entbindet den Gesetzgeber indessen nicht von der in Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Pflicht zur Beachtung des Alimentationsprinzips. Eine Rechtfertigung für die hier vorgenommene wesentlich unterschiedliche Behandlung verschiedener Besoldungsgruppen ergibt sich daraus nicht.

Besondere Umstände, die vergleichbar der Bewältigung der Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands eine dauerhafte Ungleichbehandlung verschiedener Besoldungsgruppen in dem hier in Rede stehenden Ausmaß zu rechtfertigen vermögen76, liegen nicht vor.

Auch die Gesamtwürdigung der vom Gesetzgeber angeführten Gesichtspunkte rechtfertigt nicht eine Ungleichbehandlung der genannten Besoldungsgruppen in dem hier in Rede stehenden Ausmaß. Dabei steht nicht infrage, dass dem Gesetzgeber bei der Bemessung der Bezüge der Beamten ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Ebenso wenig ist der Gesetzgeber verpflichtet, Tarifabschlüsse für die im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer spiegelbildlich für die Beamten zu übernehmen. Dieser Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht jedoch nur in den Grenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Auch insoweit ist maßgeblich, dass der Gesetzgeber für die Besoldungsgruppen bis A 10 den Tarifabschluss der Länder mit Erhöhungen von 5, 6 % über zwei Jahre hinweg als die Entwicklung der allgemeinen und wirtschaftlichen Verhältnisse abbildend für angemessen gehalten hat. Angesichts dieser Größenordnung bleibt die Anpassung der Bezüge für die Besoldungsgruppen ab A 11 sowie für die Richter auch unter Berücksichtigung aller insbesondere im Entschließungsantrag79 dargelegten Erwägungen – unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen sowie Auswirkungen der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, des Anstiegs der Beiträge zur privaten Krankenversicherung und von Änderungen der Besteuerung – evident unzureichend.

Die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen begegnen auch unter dem Gesichtspunkt des Abstandsgebots verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Abstände zwischen denjenigen Besoldungsgruppen, die eine Anhebung der Grundgehälter um bis zu 5, 6 % erfahren haben, und den übrigen Besoldungsgruppen signifikant verringert worden sind. Dies gilt namentlich für die wesentliche Verringerung des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen A 10 und A 11. Aufgrund der gestaffelten Anpassung der Bezüge hat sich der Abstand zwischen diesen beiden Besoldungsgruppen zwischen 2012 und 2014 nicht nur marginal, sondern erheblich und zugleich nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer verringert, ohne dass der Gesetzgeber die Zuordnung von Ämtern zu den Besoldungsgruppen A 10 und A 11 oder die mit diesen Ämtern verbundenen Aufgabenbereiche geändert hat. Der Abstand zwischen den Grundgehältern der Besoldungsgruppen A 10 und A 11 hat sich zwischen 2012 und 2014 von etwa 282, – € auf etwa 182, – € und damit brutto um rund 100, – € (etwa 35%) bzw. bei isolierter Betrachtung der Endgrundgehälter von etwa 371, – € auf etwa 261, – € und damit um rund 110, – € (etwa 29%) verringert. Vor allem aber hat sich dieser Abstand im Vergleich zu den Abständen zwischen den Besoldungsgruppen A 9 und A 10 sowie A 11 und A 12, welche im Wesentlichen unverändert geblieben sind, signifikant vermindert. Dass eine Betrachtung der Nettobeträge zu einer grundlegend anderen Bewertung führt, ist nicht ersichtlich.

Der Verfassungsgerichtshof lässt offen, ob weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zur Überprüfung gestellten gesetzlichen Bestimmungen begründet sind. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Alimentation aller Beamten und Richter des Landes noch angemessen ist80. Zur Prüfung dieser Frage sieht der Verfassungsgerichtshof nach dem Vorstehenden keine Veranlassung, zumal die Vertreter der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass das Gesetz insoweit nicht angegriffen wird, als es sich auf die Besoldungsgruppen bis A 10 bezieht. Offen bleiben kann auch, ob der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Bezüge der Besoldungsgruppen ab A 11 die zu beachtenden Kriterien für die Beurteilung der Anpassung der Bezüge an die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in hinreichendem Umfang herangezogen und die ihn angesichts seines großen Gestaltungsspielraums treffenden prozeduralen Anforderungen81 – trotz des eingehend begründeten Entschließungsantrages vom 10.07.2013 – vollständig erfüllt hat.

Unvereinbarkeitserklärung[↑]

Kommt der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung, dass eine beanstandete Rechtsnorm mit der Landesverfassung unvereinbar ist, stellt er diese Unvereinbarkeit oder die Nichtigkeit der Rechtsnorm in seiner Entscheidung fest (§ 49 VGHG NRW). Da die Antragsteller ein „unechtes Unterlassen“ des Gesetzgebers rügen, beschränkt sich der Verfassungsgerichtshof darauf, die Unvereinbarkeit der Norm mit der Landesverfassung festzustellen. In solchen Fallkonstellationen führt die Feststellung der Nichtigkeit nicht weiter als die Feststellung der Unvereinbarkeit.

In dem durchzuführenden Gesetzgebungsverfahren wird der Gesetzgeber die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben – insbesondere im Hinblick auf die grundsätzliche Pflicht zur Anpassung der Bezüge an die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse – erneut zu prüfen haben. Dabei ist eine lineare Übernahme von Tarifabschlüssen ebenso wenig geboten wie eine völlige Gleichbehandlung aller Besoldungsgruppen oder der Bezüge der aktiven und der im Ruhestand befindlichen Beamten und Richter. Wenn sich bei der erneuten Prüfung herausstellt, dass eine Überalimentation vorliegt, ist der Gesetzgeber befugt, entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein -Westfalen, Urteil vom 1. Juli 2014 – VerfGH 21/13

  1. GV. NRW. S. 486[]
  2. BGBl. I S. 322[]
  3. GV. NRW. S. 154, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16.05.2013, GV. NRW. S. 234[]
  4. vom 16.05.2013, GV. NRW. S. 234[]
  5. BGBl. I S. 3494, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.11.2004, BGBl. I S. 2774[]
  6. BGBl. I S. 3498, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.09.2003, BGBl. I S. 1798[]
  7. LT-Drs. 16/2880[]
  8. vgl. BVerfGE 53, 257, 28 307; 80, 297, 308; 114, 258, 289; für Bezüge von Soldaten: BVerfGE 16, 94, 111 ff.; 44, 249, 281; 107, 218, 238[]
  9. BVerfGE 52, 303, 344 f.; 76, 256, 294[]
  10. BVerfGE 96, 345, 365[]
  11. Dietlein, AÖR 120 (1995), 1, 13[]
  12. BVerfGE 22, 267, 271; 96, 345, 364 f.[]
  13. Dickersbach, in: Geller/Kleinrahm, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage, Stand: Februar 1994, Art. 4 Anm. 2c; Dietlein, in: ders./Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage 2011, S. 14 f.; Kamp, in: Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 4 Rn.19[]
  14. Dickersbach, a.a.O., Art. 4 Anm. 2c; Martina, Die Grundrechte der nordrhein-westfälischen Landesverfassung im Verhältnis zu den Grund-29 rechten des Grundgesetzes, 1999, S. 70; Stern, in: ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 1442; a.A. Hartmann, NWVBl.2014, 211, 212 ff.[]
  15. Martina, a.a.O., S. 70[]
  16. Bericht über die 126. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 24.04.1950, S. 4253, 4256; Bericht über die 58. Sitzung des Verfassungsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 16.05.1950, S. 669; Dietlein, AÖR 120 (1995), 1, 18, sowie in: ders./Burgi/Hellermann, S. 13; Grawert, Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 2012, Art. 4 Anm. 1; Kamp, a.a.O., Art. 4 Rn.20; Menzel, in: Löwer/Tettinger, 30 Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 4 Rn. 8 und 13[]
  17. vgl. Kamp, a.a.O., Art. 4 Rn.19 und 31; Martina, a.a.O., S. 70 i.V.m. S. 56 f.; Menzel, a.a.O., Art. 4 Rn. 12 und 17[]
  18. BVerfGE 8, 1, 17; 99, 300, 314; 119, 247, 266; 130, 263, 292[]
  19. BVerfGE 8, 1, 17[]
  20. LT-Drs. II1626[]
  21. Berichte über die 36. Sitzung des Verfassungsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 28.01.1950, S. 157 ff., sowie über die 57. Sitzung vom 15.05.1950, S. 660 f.[]
  22. Bericht über die 36. Sitzung des Verfassungsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 28.01.1950, S. 158 f.[]
  23. StGHE 3, 221[]
  24. BGBl. I S.2034[][]
  25. BVerfGE 119, 247, 272 f.[]
  26. BVerfGE 8, 1, 16; 119, 247, 263; 130, 263, 292[]
  27. BVerfGE 8, 1, 14; 119, 247, 269; 130, 263, 292[]
  28. BVerfG, NVwZ 2008, 195, 199; BVerfGE 130, 263, 298[]
  29. BVerfGE 8, 1, 17; Battis, in: Sachs, GG, 6. Auflage 2011, Art. 33 Rn. 65[]
  30. BVerfGE 44, 249, 265 f.; 114, 258, 288; 130, 263, 292[]
  31. BVerfGE 99, 300, 315; 107, 218, 237; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 196; vgl. auch zur Berücksichtigung der Größe der Familie BVerfGE 44, 249, 265 f.; 99, 300, 315; BVerfGK 7, 357, 362; zur Berücksichtigung von besonderen Belastungssituationen BVerfGE 83, 89, 98; BVerfG, NVwZ 2008, 66, 67; BVerfGK 16, 444, 446[]
  32. BVerfGE 44, 249, 264; 114, 258, 291; BVerfG, ZBR 2008, 91, 92[]
  33. vgl. BVerfGE 99, 300, 321 f. 57, zum Familienzuschlag für Beamte und Richter mit mehr als zwei Kindern, und BVerfGE 107, 218, 242 f., zur Gesamtbesoldung[]
  34. vgl. BVerfGE 130, 263, 293[]
  35. BVerfGE 130, 263, 293[]
  36. vgl. BVerfGE 44, 249, 265[]
  37. BVerfGE 114, 258, 293; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 198[]
  38. BVerfGE 130, 263, 307; BVerfG, Beschluss vom 03.05.2012 2 BvL 17/08[]
  39. BVerfGE 44, 249, 266; 117, 330, 350; BVerfG, ZBR 2008, 91, 94[]
  40. vgl. BVerfGE 114, 258, 294; 119, 247, 267 f.[]
  41. vgl. BVerfGE 30, 90, 103; 93, 319, 351; BVerfG, NJW 2013, 2498, 2501[]
  42. BT-Drs. 16/813, S. 8[]
  43. BVerfGE 56, 146, 163; 114, 258, 293; 117, 330, 355; 130, 263, 293[]
  44. BVerwG, Urteil vom 12.12 2013 2 C 49.11[]
  45. vgl. BVerfGE 26, 141, 160 f.; 32, 199, 223; 56, 146, 162[]
  46. BVerfGE 13, 356, 366; 26, 141, 158[]
  47. BVerwG, Urteil vom 12.12 2013 – 2 C 49.11[][]
  48. BVerfGE 44, 249, 266; 114, 258, 288 f.[]
  49. BVerfGE 8, 1, 18 und 22 f.; 56, 353, 361 f.; 114, 258, 288 f.; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 196[]
  50. vgl. BVerfGE 114, 258, 290; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 197; Gramlich, ZBR 1985, 37, 40; Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Stellungnahme vom 28.05.2013, S. 11; zur Anpassung von Renten vgl. auch BVerfGE 64, 87, 97 f.; 100, 1, 43[]
  51. BVerfGE 114, 258, 293 f.; 117, 330, 354; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 196; weiter differenzierend Hartmann, NJ 2001, 455, 457[]
  52. BVerfG, Beschluss vom 03.05.2012 2 BvL 17/08: ein Zeitraum von vier Jahren reicht hierfür nicht aus[]
  53. BVerfG, NVwZ 2008, 195, 198 51[]
  54. BVerwGE 117, 305, 309; 131, 20[]
  55. BVerfG, NVwZ 2008, 195, 198[]
  56. BVerfGE 114, 258, 281[]
  57. BVerfGE 114, 258, 292 f.[]
  58. BVerfGE 114, 258, 294[]
  59. BVerfGE 8, 1, 11 ff.; 70, 69, 79; 76, 256, 310; 114, 258, 289; BVerfG, NVwZ 2008, 195, 196; und NVwZ 2010, 1355, 1356[]
  60. BVerfGE 114, 258, 289; BVerfG, ZBR 2008, 91, 92; BVerfGE 130, 263, 297[]
  61. vgl. BVerfGE 44, 249, 263; BVerfG, DVBl.1999, 1421, 1422; DVBl.2001, 719, 719; NVwZ-RR 2007, 185, 186; ZBR 2009, 126, 127[]
  62. vgl. BVerfGE 76, 256, 311; 114, 258, 291[]
  63. vgl. BVerfGE 114, 258, 290[]
  64. vgl. BVerfGE 107, 218, 253[]
  65. BVerfGE 8, 1, 22 f.; 117, 330, 352; 121, 241, 261; 130, 263, 294[]
  66. BVerfGE 81, 363, 375 f.; 130, 263, 294[]
  67. BVerfGE 56, 146, 162[]
  68. BVerfGE 130, 263, 294[]
  69. BVerfGE 26, 141, 158; 117, 330, 353[]
  70. BVerfGE 117, 330, 353; 121, 241, 261; 130, 263, 294[]
  71. BVerfGE 13, 356, 366[]
  72. BVerfGE 65, 141, 148 f.; 117, 330, 353; 130, 263, 294 f.[]
  73. BVerfGE 130, 263, 294 f.[]
  74. vgl. LT-Drs. 16/3518, S. 7[]
  75. LT-Drs. 16/2880, S. 14; LT-Vorlage 16/1014, S. 11[]
  76. vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12 2013 – 2 C 49.11[][]
  77. BVerfG, NVwZ 2001, 1393, 1394, zu Besoldungsgruppe B 7[]
  78. BVerfGE 107, 218, 253[]
  79. LT-Drs. 16/3518[]
  80. vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2009 – 1 A 1416/08[]
  81. vgl. BVerfGE 130, 263, 301 f.[]
Weiterlesen:
Altersabhängige Beamtenbesoldung