Blogspot.com – Unterlassungsanspruch gegen einen Hostprovider

Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.

Blogspot.com – Unterlassungsanspruch gegen einen Hostprovider

Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.

Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.

Allerdings ist der Hostprovider nicht bereits nach § 10 Satz 1 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Er hält zwar als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 TMG Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG zur Nutzung bereit. Er unterhält die Website www.blogger.com und speichert die unter www.blogspot.com eingerichteten Blogs, journal- oder tagebuchartige Webseiten mit chronologisch sortierten Beiträgen des „Bloggers“1, zum Zwecke des Abrufs und fungiert damit als Hostprovider (vgl. Art. 14 – „Hosting“ – der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt). Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt aber nicht für Unterlassungsansprüche2. Wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung3.

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Der Hostprovider trifft aber hinsichtlich des vom Kläger beanstandeten Eintrags nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil er ihn weder verfasst noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht hat. Er kann lediglich als Störer in Anspruch genommen werden, weil er die technischen Möglichkeiten des Blogs zur Verfügung gestellt hat.

Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt4. Indem der Hostprovider die Website www.blogspot.com betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten Webseiten bereitstellt und den Abruf dieser Webseiten über das Internet ermöglicht, trägt er willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen.

Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist5.

Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen gelten für die Inanspruchnahme des Hostproviders unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung für das Persönlichkeitsrecht verletzende Blogs die folgenden Maßstäbe.

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Ein Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern6. Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen Union und der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Betreibern eines InternetMarktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt haben7.

Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen lassen. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten:

Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.

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Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10

  1. vgl. Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 2. Aufl., Kap.01.7 Rn. 34[]
  2. st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004 Rn. 7 – Meinungsforum; vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 17 – Domainverpächter; BGH, Urteile vom 19.04.2007 – I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn.19 – InternetVersteigerung II; vom 22.07.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 26 – Kinderhochstühle im Internet[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06, aaO; BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 245 ff. – InternetVersteigerung I, zur Vorgängerregelung des § 11 Teledienstegesetz[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 13 f. – Domainverpächter; BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 – Internet-Versteigerung I; Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 139/08, aaO Rn. 45 – Kinderhochstühle im Internet; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, Rn.20 – Stiftparfüm[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 18 – Domainverpächter; BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 – InternetVersteigerung I; vom 30.04.2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 – InternetVersteigerung III; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, aaO Rn.20 – Stiftparfüm, jeweils mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 252 – InternetVersteigerung I; Urteil vom 19.04.2007 – I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 – InternetVersteigerung II; Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 43 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, aaO Rn. 26 – Stiftparfüm[]
  7. vgl. EuGH, Urteil vom 12.07.2011 – C324/09, EuZW 2011, 754 – L’Oreal/eBay; BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, aaO Rn. 22 ff. – Stiftparfüm[]
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