Der örtliche Gasversorger und seine überhöhten Gaspreise

Der Bundesgerichtshof hat es den örtlichen Gasversorgern etwas schwerer gemacht, die Gaspreise wie bisher weitgehend frei zu bestimmen: Ansatzpunkt hierfür ist die Definition eines örtlichen Marktes, auf dem der Gasversorger eine marktbeherrschende Stellung hat, so dass den Kartellbehörden ein Einschreiten möglich ist:

Der örtliche Gasversorger und seine überhöhten Gaspreise

Der für die Beurteilung einer marktbeherrschenden Stellung eines Gasversorgers sachlich maßgebliche Markt ist, so der BGH, kein einheitlicher Wärmeenergiemarkt, sondern der Markt für die leitungsgebundene Versorgung von Endkunden mit Gas. In räumlicher Hinsicht wird dieser Markt – solange keine Veränderung der bisherigen Wettbewerbsverhältnisse eintritt – durch das Versorgungsgebiet des örtlichen Anbieters bestimmt.

Die sachliche Marktabgrenzung folgt nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls im Ausgangspunkt dem Bedarfsmarktkonzept. Nach diesem sind dem relevanten (Angebots-)Markt alle Produkte oder Dienstleistungen zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind. Das von Energieversorgern wie der Betroffenen gelieferte Erdgas wird von Endkunden nachgefragt, die Energie für eine Gasheizung (sowie gegebenenfalls andere mit Gas betriebene Geräte wie einen Gasherd) benötigen. Das für den Betrieb einer solchen Heizungsanlage erforderliche Gas kann nicht durch andere Energieträger ersetzt werden, denn für mehr als eine Energieart geeignete Anlagen sind so selten, dass sie für die Bewertung der Marktgegebenheiten außer Betracht bleiben können. Ein Austausch des Energieträgers Erdgas gegen einen anderen kommt mithin nur dann in Frage, wenn der Endkunde zugleich eine Heizungsanlage beschafft, die für den anderen Energieträger geeignet ist. Die für die Marktdefinition entscheidende regelmäßig wiederkehrende Nachfrage ist dies offenkundig nicht. Die typische Nachfragekonstellation ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass für den Endkunden ein Austausch des Energieträgers ausscheidet, sei es, weil er rechtlich überhaupt an der Installation einer anderen Heizungsanlage gehindert ist, sei es, weil die Umstellung auf eine andere Heizenergie nicht nur erhebliche Investitionen und/oder bestimmte sachlich-räumliche Voraussetzungen (z.B. Anschluss an ein Fernwärmesystem; Raum für einen Öltank) erforderte, sondern angesichts der Restnutzungsdauer der vorhandenen Anlage – die Betroffene geht von einer Lebensdauer von rund 15 Jahren aus – auch unwirtschaftlich wäre. Mit dem Bedarfsmarktkonzept ist es folglich nicht zu rechtfertigen, einen einheitlichen Wärmeenergiemarkt als sachlich relevanten Markt anzusehen.

Auch der Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität kann eine solche Marktdefinition nicht begründen. Allerdings bedarf das allein auf das Nachfrageverhalten der Marktgegenseite abstellende Bedarfsmarktkonzept gegebenenfalls eines Korrektivs. Die Marktabgrenzung dient dem Ziel, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen die beteiligten Unternehmen ausgesetzt sind. Würde ausschließlich auf das vorgefasste, am konkreten Bedarf orientierte Kaufinteresse der Marktgegenseite abgestellt, müssten häufig extrem kleinteilige, auf konkrete Produktausgestaltungen oder –größen reduzierte Märkte gebildet werden, die die Verhaltensspielräume der Anbieter nicht zutreffend abbilden würden. Dem trägt das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität mit der Erwägung Rechnung, dass ein die Verhaltensspielräume kontrollierender Wettbewerb auch von Anbietern ähnlicher Produkte ausgeht, die ihr Angebot kurzfristig umstellen können, um eine bestehende Nachfrage zu befriedigen. Es ist jedoch nichts dafür festgestellt, dass andere Anbieter von Wärmeenergie in der Lage wären, kurzfristig Gaslieferungen anzubieten. Dies liegt auch schon deshalb fern, weil für den hier relevanten Zeitraum nicht einmal ein funktionierender Durchleitungswettbewerb unter den vorhandenen Gasanbietern festgestellt worden ist.

Der Bundesgerichtshof hat demgemäß schon in seiner bisherigen Rechtsprechung den Gasversorgungsmarkt als den für die kartellrechtliche Beurteilung sachlich relevanten Markt angesehen. In Übereinstimmung damit ist daher von einer Monopolstellung des örtlichen Gasversorgers auszugehen.

In räumlicher Hinsicht wird der relevante Markt – solange keine Veränderung der konkreten Wettbewerbsverhältnisse eintritt – durch das Versorgungsgebiet des einzigen örtlichen Anbieters leitungsgebundener Versorgung mit Gas bestimmt.

Der Gesichtspunkt, dass von den Märkten für andere Energieträger ein wettbewerblicher Einfluss auf den Gasversorgungsmarkt ausgehen kann, wird damit für die kartellrechtliche Beurteilung nicht ausgeblendet. Wettbewerbskräfte, die beim Nachfrager Zweifel an der Entscheidung für ein bestimmtes System – wie hier den Betrieb einer Gasheizung – wecken können, sind indessen nicht bei der Bestimmung des relevanten Marktes, sondern bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob ein Anbieter auf dem relevanten Markt ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Vorliegend ist allerdings nichts dafür ersichtlich, dass dieser Gesichtspunkt die marktbeherrschende Stellung der örtlichen Stadtwerke in Frage stellen könnte.

BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – KVR 2/08

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