Die Anwendung der speziellen frachtrechtlichen Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB setzt das Zustandekommen eines wirksamen Beförderungsvertrags voraus. Sie ist deshalb nicht einschlägig, wenn der Frachtvertrag wegen einer Schmiergeldabrede unwirksam ist.

Die in § 439 Abs. 1 HGB geregelte Verjährungsfrist von einem Jahr (Satz 1) oder bei Vorsatz oder dem Vorsatz gleichstehendem Verschulden drei Jahren (Satz 2) seit der Ablieferung des Transportgutes (Abs. 2 Satz 1) gilt für alle Ansprüche aus einer Beförderung, die „den Vorschriften dieses Unterabschnitts“, also den §§ 407 bis 450 HGB, unterliegt. Die Bestimmung des § 439 Abs. 1 HGB knüpft für die Anwendung der eigenständigen frachtrechtlichen Verjährungsregelung allein daran an, dass sich der geltend gemachte Anspruch aus einer den Vorschriften der §§ 407 bis 450 HGB unterliegenden Beförderung ergibt. Ist das der Fall, so unterfallen alle Ansprüche, die mit dieser Beförderung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, der Verjährungsregelung des § 439 HGB, und zwar unabhängig davon, von welcher Seite sie geltend gemacht werden und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen1. Der speziellen Verjährungsvorschrift des § 439 HGB unterfallen daher grundsätzlich auch außervertragliche Ansprüche, insbesondere solche aus Delikt2 und ungerechtfertigter Bereicherung wegen zuviel gezahlter Fracht3.
Allerdings erfordert die Anwendung des § 439 HGB jedoch das Zustandekommen eines wirksamen Speditions- oder Frachtvertrags4. Die Notwendigkeit eines wirksamen Vertragsschlusses ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 HGB. Die Vorschrift gilt für Ansprüche aus einer Beförderung, die „den Vorschriften dieses Unterabschnitts“, also den §§ 407 bis 450 HGB, unterliegt. Die Regelung knüpft mithin nicht an die nur tatsächliche Beförderung von Gütern an, sondern erfordert vielmehr, dass die speziellen frachtrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Diese Voraussetzung ist nur beim Abschluss eines wirksamen Frachtvertrags erfüllt5.
Für die Annahme, dass die Anwendung des § 439 HGB den Abschluss eines wirksamen Beförderungsvertrags erfordert, spricht zudem die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Sie ist im Zuge der Neuregelung des Fracht, Speditions- und Lagerrechts, die am 1.07.1998 in Kraft getreten ist, in das Handelsgesetzbuch aufgenommen worden. In ihren Grundentscheidungen orientiert sich die Vorschrift weitgehend an Art. 32 Abs. 1 CMR6. Die Bestimmungen der CMR gelten gemäß deren Art. 1 Abs. 1 für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen. Daraus folgt, dass nichtige Verträge nicht dem Anwendungsbereich der CMR und damit auch nicht deren Verjährungsbestimmungen unterfallen7. Da die Neuregelung der speziellen nationalen frachtrechtlichen Verjährungsvorschriften in enger Anlehnung an die Bestimmungen der CMR erfolgt ist8, erfordert die Anwendung des § 439 HGB auch wenn dies im Wortlaut der Bestimmung nicht explizit zum Ausdruck kommt ebenso wie Art. 32 CMR den Abschluss eines wirksamen Frachtvertrags.
Vereinbarungen über die Zahlung eines „Schmiergelds“ für die künftige Bevorzugung bei der Vergabe von Aufträgen, die Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei heimlich mit dem anderen Vertragsteil treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig9. Abreden über die Zahlung von Bestechungsgeld sind zudem unter den Voraussetzungen des § 299 StGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig10. Die Nichtigkeit einer solchen Vereinbarung erfasst auch den Hauptvertrag und die im Anschluss daran geschlossenen Folgeverträge, wenn die Schmiergeldabrede beispielsweise aufgrund eines Aufschlags auf das ansonsten zu zahlende Entgelt zu einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Vertragsgestaltung geführt hat11. Die Erstreckung der Nichtigkeit einer Schmiergeldvereinbarung auf den durch das Schmiergeld zustande gekommenen Hauptvertrag ist schon deshalb anzunehmen, weil der Vertreter im Zweifel ohne vorherige Information des Vertretenen nicht befugt ist, für diesen einen Vertrag mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der den Vertreter gerade bestochen hat12.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12
- BGH, Urteil vom 10.01.2008 – I ZR 13/05, TranspR 2008, 84 Rn. 12 f. = VersR 2008, 1236; vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drs. 13/8445, S. 77[↩]
- BGH, TranspR 2008, 84 Rn. 13[↩]
- vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 439 HGB Rn. 3; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 439 Rn. 3[↩]
- vgl. BGH, TranspR 2008, 84 Rn. 13; Koller aaO § 439 HGB Rn. 3; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 439 Rn. 3; Münch-Komm.HGB/Herber/Eckardt, 2. Aufl., § 439 Rn. 4; MünchKomm-.HGB/Bydlinski aaO § 463 Rn. 6; Heymann/Schlüter, HGB, 2. Aufl., § 439 Rn. 2[↩]
- vgl. BGH, TranspR 2008, 84 Rn. 12 f.; Koller aaO § 439 HGB Rn. 3; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 439 Rn. 3; MünchKomm-.HGB/Bydlinski aaO § 463 Rn. 6; Thume, TranspR 2009, 233, 235[↩]
- vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes aaO S. 77[↩]
- vgl. Thume/Demuth, CMR, 3. Aufl., Art. 32 Rn. 4; Koller aaO Art. 1 CMR Rn. 3; Bahnsen in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO Art. 1 CMR Rn. 2; MünchKomm-.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 1 CMR Rn. 2[↩]
- vgl. neben S. 77 auch S. 1 der Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12 1972 – II ZR 141/71, NJW 1973, 363; Urteil vom 17.05.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 f.; Urteil vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 359[↩]
- BGHZ 141, 357, 359[↩]
- BGH, NJW 1989, 26, 27; BGH, Urteil vom 10.01.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 443; Urteil vom 16.01.2001 – XI ZR 113/00, NJW 2001, 1065, 1067 mwN[↩]
- vgl. BGHZ 141, 357, 363 f.; BGH, NJW 2001, 1065, 1067[↩]