Die prüfungspflichtige mittelgroße GmbH und die Haftung des Wirtschaftsprüfers

Auf den Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen mittelgroßen GmbH sind die Vorschriften des § 256 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 Satz 1 AktG entsprechend anwendbar. Ein Wirtschaftsprüfer verletzt seine ihm gegenüber der zu prüfenden mittelgroßen GmbH obliegenden Pflichten aus dem Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses, wenn er die Prüfung durchführt, obwohl er nicht über den nach § 319 Abs. 1 Satz 3 HGB erforderlichen Qualitätsnachweis (Bescheinigung nach § 57a WPO) verfügt und dies der Auftraggeberin nicht mitteilt. Er haftet gegenüber der GmbH auf Ersatz der durch die Pflichtverletzung entstandenen Kosten. Dazu gehören auch Kosten, die dadurch entstehen, dass die GmbH trotz der nach Ablauf der Fristen des § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG geheilten Nichtigkeit des geprüften Jahresabschlusses die Bilanzwerte des Jahresabschlusses erneut prüfen lässt (sog. Herausforderungsfall).

Die prüfungspflichtige mittelgroße GmbH und die Haftung des Wirtschaftsprüfers

Der Gesellschaft steht trotz Heilung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses entsprechend § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG gegen den Wirtschaftsprüfer ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 249 BGB auf Ersatz der Kosten für die Nachprüfung der Salden des Jahresabschlusses zu.

Die Vorschriften des § 256 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 AktG sind auf den Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen mittelgroßen (§ 316 Abs.1 Satz 1, § 267 Abs. 2 HGB) GmbH entsprechend anwendbar1. Es gibt keine Besonderheiten bei der GmbH, die einer Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AktG sowie der Fristen und der Heilungsfolgen des § 256 Abs. 6 AktG entgegenstehen2, zumal die Jahresabschlüsse beider Gesellschaftsformen übereinstimmenden Regelungen unterliegen.

Es ist umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ob die Heilung des Jahresabschlusses mit Ablauf der Fristen des § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG zur Wirksamkeit des Jahresabschlusses führt oder lediglich bewirkt, dass sich niemand mehr auf die Nichtigkeit des Jahresabschlusses berufen kann3.

Im vorliegend vom Bundesgerichshof entschiedenen Fall kann die Frage der Rechtsfolge des Ablaufs der Heilungsfristen des § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG jedoch offen bleiben. Denn der Wirtschaftsprüfer haftet für auf Seiten der Gesellschaft entstandene Prüfungskosten unabhängig von den Folgen, die nach Ablauf der Heilungsfristen des § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG eintreten.

Der Wirtschaftsprüfer hat seine ihm der Gesellschaft gegenüber obliegenden Pflichten aus dem Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses dadurch verletzt, dass er die für die Gesellschaft nach § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB erforderliche Prüfung des Jahresabschlusses durchgeführt hat, obwohl er worüber er die Gesellschaft nicht aufgeklärt hat nicht über den gemäß § 319 Abs. 1 Satz 3 HGB erforderlichen Qualitätsnachweis (Bescheinigung über die Teilnahme an der Qualitätskontrolle nach § 57a WPO) verfügte. Die aus dieser Pflichtverletzung folgende Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AktG) hat der Wirtschaftsprüfer zu vertreten.

Der Zurechnung und damit der Ersatzfähigkeit der Prüfungskosten steht nicht bereits der Umstand entgegen, dass ihre Entstehung unmittelbar auf einem Willensentschluss der Gesellschaft beruht, wie auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend gesehen hat. Der Zurechnungszusammenhang von Folgen, die auf einer Pflichtverletzung des Schädigers beruhen und durch einen selbstständigen Entschluss des Geschädigten mitverursacht sind, bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen, wenn der Entschluss des Verletzten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert ist und keine ungewöhnliche Reaktion auf die Schädigung darstellt4. Die Umstände, aus denen sich ergibt, dass sich der Geschädigte zu seiner Reaktion auf das haftungsbegründende Verhalten des Schädigers herausgefordert fühlen durfte, hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen5.

Die Gesellschaft hat insoweit im vorliegenden Fall ihrer Darlegungslast bereits dadurch genügt, dass sie dargelegt hat, dass eine Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfer zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses 2006 geführt hat und diese Nichtigkeit für sie der Anlass war, die Schlusssalden des Jahresabschlusses 2006 erneut prüfen zu lassen. Die Gesellschaft musste weder vortragen, dass und in welchen Punkten der Jahresabschluss 2006 inhaltlich fehlerhaft war, noch dass sie den konkreten Verdacht hegte, dass es zu Prüfungsfehlern mit Folgen für die inhaltliche Richtigkeit des Jahresabschlusses gekommen sein könnte. Sie durfte sich vielmehr bereits deshalb herausgefordert fühlen, die Werte des Jahresabschlusses 2006 erneut überprüfen zu lassen, weil der Wirtschaftsprüfer die Prüfung ohne die erforderliche Bescheinigung nach § 57a WPO vorgenommen hatte. Der Entschluss, einen anderen Prüfer mit der Überprüfung des Jahresabschlusses 2006 zu beauftragen, stellt keine die Zurechnung beseitigende ungewöhnliche Reaktion der Gesellschaft auf die vom Wirtschaftsprüfer pflichtwidrig verursachte Nichtigkeit des Jahresabschlusses 2006 dar.

Zwar trifft es zu, dass die mangelnde Berechtigung des Wirtschaftsprüfer zur Prüfung des Jahresabschlusses der Gesellschaft lediglich ein formeller Prüfungsmangel war, der zudem innerhalb der kurzen Frist von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses geheilt worden war (§ 256 Abs. 6 Satz 1 AktG). Durch die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses nach Ablauf der Fristen des § 256 Abs. 6 AktG soll Rechtssicherheit u.a. für die geprüfte Gesellschaft und ihre Organe bewirkt werden6. Das bedeutet aber nicht, dass das geprüfte Unternehmen sich mit der in ihren Wirkungen zudem umstrittenen Heilung des nichtigen Jahresabschlusses begnügen muss und nicht dazu berechtigt ist, das aus seiner Sicht Erforderliche zu veranlassen, um sicher zu gehen, dass der Jahresabschluss für das nachfolgende Geschäftsjahr nicht nur auf einem geheilten, sondern auf einem in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen Jahresabschluss aufbaut. Das geprüfte Unternehmen ist in dieser Situation vielmehr berechtigt, den aus seiner Sicht sichersten Weg zu wählen, für das zurückliegende Geschäftsjahr einen ordnungsgemäßen Jahresabschluss aufgestellt zu haben, und die aus seiner Sicht dazu erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass die Bescheinigung nach § 57a WPO nur erteilt wird, wenn in der Praxis des Wirtschaftsprüfers ein Qualitätssicherungssystem eingeführt ist, das im Einklang mit den gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen steht und mit hinreichender Sicherheit eine ordnungsgemäße Abwicklung von Prüfungsaufträgen gewährleistet (§ 57a Abs. 5 Satz 3, § 55b WPO). Aus der Sicht des geprüften Unternehmens bedeutet das, dass der Gesetzgeber, indem er für die Prüfung einer mittelgroßen GmbH eine Bescheinigung nach § 57a WPO verlangt, die Ordnungsgemäßheit der Abschlussprüfung nur dann als gewährleistet ansieht, wenn der Prüfer nicht nur in seiner Person, sondern auch in seiner Praxis die geforderte Qualität der Prüfung sicherstellt. Gemessen daran ist es nicht als ungewöhnliche Reaktion anzusehen, wenn das geprüfte Unternehmen trotz Heilung des nichtigen Jahresabschlusses wegen Zweifeln auch an der (sonstigen) Ordnungsgemäßheit der Prüfung Maßnahmen ergreift, um diese Zweifel zu beseitigen.

Das Vorgehen der Gesellschaft verstieß nicht gegen den Grundsatz der Bilanzkontinuität und Bilanzidentität. Die Überprüfung der Bilanzwerte diente nicht dazu, eine neue Eröffnungsbilanz unabhängig von der Schlussbilanz des Jahres 2006 aufzustellen, sondern war darauf gerichtet, etwaige Bewertungsfehler bei den unverändert übernommenen Eröffnungsbilanzwerten in dem Jahresabschluss 2007, z.B. durch Abschreibungen, korrigieren zu können.

Auf die Frage, ob sich nicht sogar aus Nr. 12 des IDW-Prüfungsstandards PS 205 (Stand: 9.09.2010), derzufolge die Verwertbarkeit der Feststellungen des Vorjahresprüfers auch „von der fachlichen Kompetenz und der beruflichen Qualifikation des Vorprüfers“ abhängt, möglicherweise eine Überprüfungspflicht ergibt, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Juli 2013 – II ZR 293/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1992 III ZR 151/91, BGHZ 118, 142, 149; MünchKomm-AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 256 Rn. 88; Hüffer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 46 Rn. 24; Hachenburg/Raiser, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rn. 72, 74; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 42a Rn. 27, 32; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 47 Rn. 24; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 46 Rn. 36 f.; Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176, 177 ff.; siehe hierzu auch BT-Drucks. 10/4268, S. 130 f.[]
  2. vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Bd. 4, § 256 AktG Rn. 96, 102 mwN[]
  3. zum Meinungsstand vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 256 Rn. 37; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 256 Rn. 74; Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176, 180 f.; W. Müller, Festschrift Quack, 1991, S. 359, 369[]
  4. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13.07.1971 – V ZR 125/70, NJW 1971, 1980, 1981; Urteil vom 03.12.1992 – IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141; Urteil vom 04.07.1994 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127; Urteil vom 17.10.2000 – X ZR 169/99, NJW 2001, 512, 513[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1980 – VI ZR 231/79, NJW 1981, 570 f.; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 177 mwN[]
  6. siehe zu den Heilungsfolgen MünchKomm-AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 256 Rn. 68; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 256 Rn. 74 f.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 10. Aufl., § 256 Rn. 36, 37; Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176, 180 f., jew. mwN[]