Das Sportwettenmonopol in Nordrhein-Westfalen war europarechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat jetzt in drei Revisionsverfahren entschieden, dass das Sportwettenmonopol in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum von 2006 bis 2012 die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzte.

Die Kläger vermittelten in Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr und Bochum Sportwetten an private Wettanbieter im EU-Ausland. Weder diese noch die Kläger verfügten über eine im Inland gültige Erlaubnis. Die Städte untersagten die unerlaubte Vermittlung in den Jahren 2006 und 2007 mit der Begründung, eine Erlaubnis könne wegen des damals im Lotteriestaatsvertrag und seit 2008 im Glücksspielstaatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols nicht erteilt werden.
Die Klagen der Vermittler wurden von den Verwaltungsgerichten in Düsseldorf und Gelsenkirchen abgewiesen1, hatten aber im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster Erfolg2.
Im September 2010 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union, das Sportwettenmonopol sei mit der Dienstleistungsfreiheit nur vereinbar, wenn es kohärent und systematisch zur Verwirklichung des mit ihm verfolgten Ziels der Suchtbekämpfung beitrage. Daran fehle es, wenn gegenläufige Regelungen – auch in anderen Glücksspielbereichen – die Eignung des Monopols zur Suchtbekämpfung entfallen ließen. Die Behörden führten zur Begründung der von ihnen erlassenen Verbote daraufhin zusätzlich an, das Vermitteln von Sportwetten bedürfe selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols einer Erlaubnis und dürfe jedenfalls verboten werden, wenn die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen nicht behördlich festgestellt oder offensichtlich seien. Die Vermittlung von Internet- und Live-Wetten sei jedenfalls unzulässig und müsse schon deshalb untersagt werden.
Während des Revisionsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat das Land Nordrhein-Westfalen zum Dezember 2012 den neuen Glücksspielstaatsvertrag umgesetzt, der anstelle des Sportwettenmonopols ein Konzessionssystem vorsieht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun die Revisionen der beklagten Städte gegen die Berufungsurteile des OVG Münster bezüglich der Zeit bis November 2012 zurückgewiesen.
Für diese Zeit ist das Oberverwaltungsgericht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht davon ausgegangen, dass das Sportwettenmonopol in Nordrhein-Westfalen gegen die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verstieß. Es schränkte die Freiheiten unverhältnismäßig ein, weil es nicht kohärent und systematisch dazu beitrug, die gesetzlichen Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes zu verwirklichen.
Allerdings folgt dies für das Bundesverwaltungsgericht nicht schon aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Münster zur gegenläufigen Glücksspielpolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ließ diese Politik die Eignung des Sportwettenmonopols zur Suchtbekämpfung nur entfallen, wenn sie zur Folge hatte, dass das Ziel der Spielsuchtbekämpfung mit dem Monopol nicht mehr wirksam verfolgt werden konnte. Tatsachen, die eine so erhebliche Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Monopolregelung belegen, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.
Es hat aber, so das Bundesverwaltungsgericht weiter, zutreffend angenommen, dass deren Unverhältnismäßigkeit sich jedenfalls aus einer systematisch zum Glücksspiel anreizenden Werbung der Monopolträger – der staatlichen Lotto- und Totogesellschaften – ergibt.
Die Werbepraxis deutet darauf hin, dass das Monopol tatsächlich nicht der Suchtbekämpfung, sondern anderen, insbesondere fiskalischen Zwecken diente. Dabei ist nicht nur die nordrhein-westfälische Werbung für Sportwetten, sondern auch die Werbung für das Lotto-Angebot zu berücksichtigen. Wegen der im Deutschen Lotto- und Totoblock abgestimmten Dachmarkenstrategie und der gemeinsamen Werberichtlinien ist darüber hinaus die Werbung in anderen Bundesländern in die Beurteilung einzubeziehen.
Unzulässig waren nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere die „Lotto-hilft“-Kampagne, die das Glücksspiel zum sozial verantwortlichen Handeln aufwertete, und die massive Jackpot-Werbung, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellte. Sie wurde fortgesetzt, obwohl sie nach der eigenen Einschätzung eines Monopolträgers sonst nicht Spielwillige zur Teilnahme am Glücksspiel bewegte.
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 20. Juli 2013 – 8 C 10/12, 8 C 12.12 und 8 C 17.12
- VG Düsseldorf, Urteile vom 16.11.2007 – 3 K 162/07; und vom 19.11.2007 – 3 K 2865/07; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.09.2008 – 7 K 2474/07[↩]
- OVG NRW, Urteile vom 07.11.2011 – 4 A 17/08; vom 10.01.2012 – 4 A 3362/07; und vom 21.02.2012 – 4 A 2847/08[↩]
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