Ob die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nach Ziffer 5.5 Satz 1 ARB-MPM 2009 vorliegen, insbesondere der Versicherungsnehmer oder Versicherte vorsätzlich eine Straftat begangen hat, ist im Deckungsprozess zu klären. Dabei besteht weder eine Bindung an die Ergebnisse eines gegen den Versicherungsnehmer oder Versicherten geführten Ermittlungsverfahrens oder des Ausgangsrechtsstreits noch ist der Rechtsschutzversicherer bis zu deren Abschluss vorläufig leistungspflichtig. Der Versicherer ist für die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 Satz 1 ARB-MPM 2009 darlegungs- und beweisbelastet.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit verlangt eine Versicherungsnehmerin vom Versicherungsunternehmen aus einer Rechtsschutzversicherung, die ihren Lebensgefährten als mitversicherte Person („Versicherter“) einschließt, Deckungsschutz für ein arbeitsgerichtliches Verfahren zur Abwehr einer Schadensersatzforderung, die der Arbeitgeber des Versicherten gegen diesen geltend macht. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung … Nichtselbständige“ (ARB) zugrunde. Versichert ist unter anderem Arbeits-Rechtsschutz, der nach Ziffer 4.2 ARB „die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen“ umfasst. Ziffer 23.01.1 ARB sieht vor, dass die Versicherung den Rechtsschutz ablehnen kann, wenn nach ihrer Auffassung die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. In Ziffer 5 ARB heißt es unter „Welche Ausschlüsse sind zu beachten?“ auszugsweise:
„Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
…
5.5 soweit in den Fällen der Ziff. 4.1 bis 4.8 ein ursächlicher Zusammenhang mit einer von Ihnen vorsätzlich begangenen Straftat besteht. Stellt sich ein solcher Zusammenhang im Nachhinein heraus, sind Sie zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet, die wir für Sie erbracht haben.“
Nach Ziffer 27.2 Satz 1 ARB gelten die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß für die mitversicherte Person. Zu den versicherbaren Leistungsarten ist in Ziffer 4 ARB unter anderem geregelt:
„4.9 Straf-Rechtsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfes
4.9.1 eines verkehrsrechtlichen Vergehens. Wird rechtskräftig festgestellt, dass Sie das Vergehen vorsätzlich begangen haben, sind Sie verpflichtet uns die Kosten zu erstatten, die wir für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen haben;
4.9.2 eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange Ihnen ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird Ihnen dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, dass Sie vorsätzlich gehandelt haben.
4.9.3 Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z.B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfes noch auf den Ausgang des Strafverfahrens an.
…“
Die Staatsanwaltschaft leitete gegen den mitversicherten Lebensgefährten ein Ermittlungsverfahren wegen mehrfachen Computerbetrugs im besonders schweren Fall und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie weiterer Vorsatztaten ein. Grund dafür war, dass er an der Abrechnung externer Dienstleistungen, die tatsächlich nicht erbracht wurden, zum Nachteil seines Arbeitgebers mittäterschaftlich beteiligt gewesen sein soll.
Gestützt auf diese Vorwürfe, die der Versicherte bestreitet, macht sein Arbeitgeber gegen ihn Schadensersatzansprüche in Höhe von 2.234.695, 20 € vor dem Arbeitsgericht geltend. Das Arbeitsgericht hat dem Versicherten zur Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe bewilligt.
Die Versicherung lehnte den für die Abwehr der Schadensersatzansprüche erbetenen Deckungsschutz unter Bezugnahme auf den Risikoausschluss in Ziffer 5.5 ARB ab. Später berief sie sich nach Ziffer 23.01.1 ARB ergänzend darauf, dass die Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Frankenthal hat die Verpflichtung der Versicherung zur Gewährung von Deckungsschutz unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Fall eines ursächlichen Zusammenhangs der gegen den Versicherten geltend gemachten Forderungen mit einer vorsätzlich begangenen Straftat festgestellt1. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat die hiergegen gerichtete Berufung der Versicherung zurückgewiesen2. Auf die vom Pfälzischem Oberlandesgericht zugelassenen Revision der Versicherung hob nun der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Pfälzische Oberlandesgericht:
Zutreffend hat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken allerdings entschieden, dass die Versicherung den Rechtsschutz nicht nach Ziffer 23.01.1 ARB verweigern kann. Es hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise und von der Revision zu Recht nicht angegriffen festgestellt, dass die Rechtsverteidigung des Versicherten in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Demnach kann offenbleiben, ob sich die Versicherung – wie die Revisionserwiderung meint – nicht rechtzeitig auf den Einwand fehlender Erfolgsaussicht berufen hat3.
Zu Unrecht hat das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken aber angenommen, der Versicherer könne sich im Deckungsprozess nicht auf den Risikoausschluss in Ziffer 5.5 ARB berufen und bleibe vorläufig leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer die Begehung einer vorsätzlichen Straftat bestreite.
Ob der Vorwurf, der Versicherungsfall stehe in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen Straftat, im Deckungsprozess zu klären ist und ob anderenfalls der Versicherer bis zu einer anderweitigen Klärung vorläufig leistungsfrei ode r leistungspflichtig ist, ist umstritten. Die gleichen Fragen stellen sich, wenn der Risikoausschluss statt einer – wie hier in Ziffer 5.5 ARB – vorsätzlich begangenen Straftat die vorsätzliche Verursachung des Versicherungsfalles voraussetzt4.
Eine Auffassung geht davon aus, dass der Rechtsschutzversicherer, der begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat (oder für eine vorsätzliche Verursachung des Versicherungsfalles) hat, ohne vorläufige Leistungspflicht berechtigt sei, die Deckungsfrage bis zur endgültigen Klärung im Ausgangsprozess zurückzustellen5. Der Versicherer sei lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, alternativ eine Deckungszusage unter Vorbehalt zu erteilen. Ob die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses vorlägen, könne im Hinblick auf eine nach dieser Auffassung bestehende Bindungswirkung erst nach rechtskräftigem Abschluss des Ausgangsrechtsstreits zuverlässig beurteilt werden6.
Nach einer anderen Ansicht ist der Rechtsschutzversicherer dagegen verpflichtet, bis zur endgültigen Klärung des Vorliegens einer vorsätzlichen Straftat (oder einer vorsätzlichen Verursachung des Versicherungsfalles) vorläufig Deckungsschutz zu gewähren7. Dies stützt sich auf die Erwägung, dass der Versicherungsnehmer andernfalls den – sich gegebenenfalls längere Zeit hinziehenden – Ausgangsrechtsstreit zunächst selbst finanzieren müsse, selbst wenn sich schließlich herausstelle, dass der Rechtsschutzversicherer mangels Nachweises einer vorsätzlichen Straftat leistungspflichtig sei8. Vereinzelt wird darüber hinaus angenommen , auch für die Prüfung der Voraussetzungen eines Risikoausschlusses sei allein der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch begründe9. Jedenfalls hänge die Frage, ob der Rechtsschutzversicherer endgültig Deckung schulde, davon ab, ob der Vorsatzvorwurf im Ausgangsrechtsstreit nachgewiesen werde oder nicht10. Im Falle des Nachweises könne der für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses beweispflichtige Versicherer die erbrachten Leistungen nach § 812 BGB oder den allgemeinen Versicherungsbedingungen – hier Ziffer 5.5 Satz 2 ARB – zurückfordern11. Teilweise wird es insoweit jedoch für erforderl ich oder zumindest zulässig gehalten, dass der Versicherer den vorläufigen Deckungsschutz unter den ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Rückforderung stellt12.
Dagegen ist nach einer dritten Auffassung im Deckungsprozess über den vom Rechtsschutzversicherer erhobenen Vorwurf einer vorsätzlichen Straftat endgültig zu entscheiden13. Maßgeblich sei die objektive Sachlage, so dass weder ein Recht noch eine Pflicht des Versicherers zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe14. Der Versicherer sei für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses beweispflichtig15.
Der Bundesgerichtshof schließt sich der zuletzt genannten Auffassung insoweit an, als das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat als Voraussetzung des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 Satz 1 ARB im Deckungsprozess endgültig zu klären ist und eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht. Dabei ist der Versicherer für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses darlegungs- und beweisbelastet, und der Risikoausschluss ist nicht bereits dann zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer die Begehung einer vorsätzlichen Straftat substantiiert bestreitet. Das ergibt die Auslegung der Klausel.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind16. Liegt – wie hier – eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an17. Bei einer – wie hier in Ziffer 5.5 ARB vereinbarten – Risikoausschlussklausel geht das Interesse des Versicherungsnehmers und Versicherten in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klau sel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert18.
Nach diesen Maßstäben ergibt die Auslegung von Ziffer 5.5 ARB weder, dass die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss, insbesondere der Nachweis einer vom Versicherungsnehmer oder Versicherten vorsätzlich begangenen Straftat, außerhalb des Deckungsprozesses – etwa in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder im Ausgangsrechtsstreit – verbindlich zu klären wären, noch dass bis zu einer solchen Klärung eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers bestünde. Einer Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es entgegen der Ansicht des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken und der Revisionserwiderung insoweit nicht.
Allerdings wird – wenn ihm die Begehung einer vorsätzlichen Straftat vorgeworfen wird – das Interesse des durchschnittlichen Versicherungsnehmers oder Versicherten dahin gehen, sich gegen denselben Vorwurf nicht in mehreren parallelen rechtlichen Auseinandersetzungen verteidigen zu müssen. Insoweit kann er daran interessiert sein, dass das Ergebnis einer anderweitigen Überprüfung des Vorwurfs, etwa in einem Strafverfahren oder im Ausgangsrechtsstreit, für das Rechtsschutzversicherungsverhältnis bindend wäre. Dennoch findet der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte, der den Wortlaut der Klausel zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nimmt, darin keinen Anhalt dafür, dass die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses außerhalb des Deckungsverhältnisses verbindlich geklärt würden. Er wird Ziffer 5.5 ARB lediglich entnehmen können, dass für den Risikoausschluss nicht bereits der Vorwurf einer mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang stehenden vorsätzlichen Straftat genügt, sondern dass eine solche objektiv vorlie gen muss. Weiter erkennt er, dass dieser Nachweis nicht von der Durchführung eines Strafverfahrens oder sonstigen Voraussetzungen abhängig ist19. Denn nach dem Bedingungswortlaut ist es schon nicht erforderlich, dass im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall überhaupt strafrechtliche Ermittlungen geführt werden. Demzufolge gibt die Klausel dem Versicherungsnehmer oder Versicherten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klärung der Voraussetzungen des Risikoausschlusses vom Ergebnis solcher Ermittlungen abhängen soll.
Entgegen der Auffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte auch aus einem Vergleich mit der differenzierenden Regelung des Strafrechts-Rechtsschutzes in Ziffer 4.9 ARB nicht folgern, dass in Ziffer 5.5 ARB eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers gleichermaßen begründet wird.
Allerdings ist für den verkehrsrechtlichen Strafrechts-Rechtsschutz in Ziffer 4.09.1 ARB eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers eindeutig geregelt. Danach besteht Rechtsschutz für verkehrsrechtliche Vergehen zunächst unabhängig von der vorgeworfenen Schuldform. Erst wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass ein Vergehen vorsätzlich begangen wurde, ist der Versicherungsnehmer zur Erstattung derjenigen Kosten verpflichtet, die der Versicherer für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines vorsätzlichen Verhaltens getragen hat. Aus dem Zusammenhang der Regelung ergibt sich, dass hier für die Frage der Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers auf das Ergebnis des Strafverfahrens abgestellt werden und dieses insoweit für die Parteien des Rechtschutzversicherungsvertrages bindend sein soll. Eine solche Regelung einer Bindungswirkung von außerhalb des Deckungsstreits gewonnenen Erkenntnissen gepaart mit vorläufig bestehendem Rechtsschutz bis zu dieser anderweitigen Klärung der Voraussetzungen des Leistungsausschluss es enthält Ziffer 5.5 ARB jedoch gerade nicht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte wird deshalb auch nicht annehmen, dass trotz schon vom Wortlaut her ganz unterschiedlicher Regelungen in den Ziffern 5.5 und 4.9 ARB inhaltlich das Gleiche gelten soll. Vielmehr erkennt er, dass eine vorläufige Deckung nur dann erforderlich erscheint, wenn die verbindliche Klärung der Leistungsvoraussetzungen außerhalb des Deckungsverhältnisses – etwa in einem Strafverfahren – erfolgen soll und bis zu dieser externen Klärung Unsicherheit über die Leistungspflicht besteht. Dagegen, dass eine solche Bindungswirkung an die Ergebnisse des Ausgangsrechtsstreits oder eines Strafverfahrens auch im so genannten verstoßabhängigen Rechtsschutzfall im Sinne von Zif fer 5.5 ARB bestehen soll, spricht aber neben den bereits oben erörterten Umständen gerade auch, dass eine solche Bindungswirkung allein für den Strafrechts -Rechtsschutz geregelt ist.
Im Übrigen wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers auch deshalb nicht annehmen, weil er Ziffer 5.5 ARB – anders als etwa Ziffer 4.09.1 ARB – nicht ansatzweise entnehmen kann, ab welchem Zeitpunkt eine endgültige Leistungspflicht oder ein Rückforderungsanspruch des Versicherers besteht. Soweit die Revisionserwiderung darauf abstellt, der Versicherer könne mit dem Risikoausschluss erst gehört werden, wenn der Ausgangsrechtsstreit abgeschlossen sei, ergibt sich dies nicht aus Ziffer 5.5 ARB. Auch der juristisch nicht vorgebildete, durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte wird bei einer derart bedeutenden Regelung wie einem von einer vorläufigen Leistungspflicht flankierten Leistungsausschluss des Versicherers eine klarere Ausgestaltung der K lausel nach dem Muster der in Ziffer 4.9 ARB getroffenen Regelung erwarten.
Entgegen der Auffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte dem Bedingungswortlaut auch im Übrigen keine vorläufige Leistungspflicht der Versicherung für den Fall entnehmen, dass die Begehung einer vorsätzlichen Straftat streitig ist. Eine solche vorläufige Deckung folgt insbesondere nicht aus Ziffer 5.5 Satz 2 ARB, der für bereits erbrachte Leistungen eine Rückzahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers vorsieht, wenn sich „im Nachhinein“ ein ursächlicher Zusammenhang des Versicherungsfalles mit einer vorsätzlichen Straftat herausstellt. Der Versicherungsnehmer oder Versicherte wird insoweit annehmen, dass dieser Rückforderungsanspruch die Fälle erfassen soll, in denen der Versicherer zunächst in Unkenntnis einer vorsätzlichen Straftat Leistungen erbracht hat, etwa weil der Versicherungsnehmer ihn nicht (vollständig) über die Vorwürfe informiert hat, und dass der Versicherer in einem solchen Fall nicht an seine ursprüngliche Deckungszusage gebunden bleiben will. Anders als die Revisionserwiderung meint, wird er deshalb nicht davon ausgehen, dass ein vorläufiger Deckungsschutz schon dann bestünde, wenn er eine ihm vom Versicher er vorgeworfene vorsätzliche Straftat bestreitet und diese aus seine r Sicht damit nicht erwiesen ist.
Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer oder Versicherten erschließt sich aus dem für ihn erkennbaren Sinn und Zweck des in Ziffer 5.5 ARB geregelten Leistungsausschlusses, dass es von Anfang an auf die objektive Sachlage ankommt und der Versicherer nicht davon unabhängig zunächst vorläufig leistungspflichtig ist. Denn der an eine vorsätzliche Straftat anknüpfende Risikoausschluss bezweckt, den Versicherungsschutz zu versagen, wenn ein kriminelles Verhalten des Versicherungsnehmers oder Versicherten seine Interessenwahrnehmung ausgelöst oder sachlich beeinflusst hat20, weil dann eine Schadenabwälzung auf die Versichertengemeinschaft nicht mehr vertretbar erscheint. Dem steht eine vorläufige Leistungspflicht jedoch ersichtlich entgegen, da sonst auch der Versicherungsnehmer oder Versicherte, der eine vorsätzliche Straftat b egangen hat, zunächst Versicherungsschutz erhielte, selbst wenn der Versicherer die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes bereits vor Leistungserbringung annimmt. Hinsichtlich eines etwaigen späteren Rückforderungsanspruchs des Versicherers bestünde im Übrigen die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers oder Versicherten.
Dieser Auslegung stehen – anders als das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken meint – nicht die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers oder Versicherten entgegen. Auch unter deren Berücksichtigung wird der Versicherungsnehmer oder Versicherte eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht annehmen.
Zwar wird der Versicherungsnehmer oder Versicherte bis zu einer für ihn günstigen Klärung des Vorwurfs einer vorsätzlichen Straftat im Deckungsprozess die Kosten für die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Ausgangsprozess zunächst selbst tragen oder – wie hier bei Mittellosigkeit des Versicherten – Prozesskostenhilfe beantragen müssen. Dabei handelt es sich aber – worauf die Revisionsbegründung zutreffend hinweist – um eine typische Konfliktlage bei einem Streit über die Berechtigung zur Leistungsverweigerung des Schuldners, die für sich genommen eine vorläufige Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers nicht begründen kann. Dadurch wird auch nicht das Kostenrisiko „voll“ auf den Versicherungsnehmer oder Versicherten abgewälzt. Denn wenn dieser eine vorsätzliche Straftat nicht begangen hat, sind ihm seine Rechtsverfolgungskosten zu erstatten. Hat er hingegen eine vorsätzliche Straftat begangen, bestand von Anfang an kein Versicherungsschutz und damit kein Anspruch auf Versicherungsleistungen. Mit Blick darauf widerspricht das dargelegte Verständnis der Klausel, dass eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht, auch nicht dem Wesen der Rechtsschutzversicherung.
Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bestimmung des Versicherungsf alles21.
Der Bundesgerichtshof hat in jüngerer Zeit in mehreren Entscheidungen sowohl für den Aktivprozess als auch zuletzt für den Passivprozess geklärt, dass der Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung seiner berechtigten Interessen erwartet, dass der Versicherungsfall und darauf gestützt die zeitliche Einordnung und Begrenzung des versprochenen Versicherungsschutzes allein anhand seines Tatsachenvortrages bestimmt wird22. Andernfalls hätte es, wie der Bundesgerichtshof mehrfach hervorgehoben hat, der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers in der Hand, dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz mittels bloßer Tatsachenbehauptungen von vornherein zu entziehen23. An seiner abweichenden früheren Rechtsprechung zur Auslegung des § 14 (3) ARB 7524 hat der Bundesgerichtshof nicht mehr festgehalten25.
Von den vorstehenden Erwägungen ist der Bundesgerichtshof auch bei der Auslegung einer Ausschlussklausel ausgegangen, nach der Rechtsschutz nicht für Enteignungsangelegenheiten bestand. Demnach wird ein Versicherungsnehmer nicht annehmen, dass sich das Vorliegen einer Enteignungsangelegenheit nach den Einwendungen bestimmt, mit denen sich der Gegner gegenüber dem Anspruch, den der Versicherungsnehmer gegen ihn zu verfolgen beabsichtigt, verteidigt26.
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich aber keine vorläufige (oder endgültige) Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers für den Fall, dass die Parteien des Versicherungsvertrages darüber streiten, ob die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses, hier die Begehu ng einer vorsätzlichen Straftat durch den Versicherten im Sinne von Ziffer 5.5 ARB, vorliegen.
Anders als bei der Bestimmung des Versicherungsfalles27 droht keine – schleichende – Aushöhlung des Leistungsversprechens, wenn für die Frage, ob die Voraussetzungen des Risikoausschlusses in Ziffer 5.5 Satz 1 ARB vorliegen, nicht der Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers, sondern die objektive Sachlage maßgeblich ist. Denn der Versicherer ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen darlegungs – und beweisbelastet für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs des Versicherungsfalles mit einer vorsätzlich begangenen Straftat28. Insoweit erfordert die Frage, ob der Risikoausschluss greift, eine umfassende Sachprüfung , so dass es der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers nicht in der Hand hat, dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz mittels bloßer Tatsachenbehauptungen von vornherein zu entziehen.
Der Vergleich des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken mit der Haftpflichtversicherung geht bereits deshalb fehl, weil der juristisch nicht vorgebildete, durchschnittliche Versicherungsnehmer oder Versicherte bei seinen Überlegungen zum Risikoausschluss in der Rechtsschutzversicherung einen solchen Vergleich nicht vornehmen wird.
Es lässt sich im Übrigen aber auch nicht feststellen, dass die Interessen der Vertragsparteien eines Rechtsschutzversicherungsvertrages den Interessen der Vertragsparteien in der Haftpflichtversicherung gleichen. Insbesondere lässt sich entgegen einer früher weit verbreiteten Auffassung in Rechtsprechung und Literatur29 die aus dem Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers abgeleitete Trennung von Deckungs- und Haftpflichtverhältnis sowie die daraus folgende Bindung des Haftpflichtversicherers an das Ergebnis des Haftpflichtprozesses nicht in der Weise auf den Rechtsschutzversicherungsvertrag übertragen, dass der Rechtsschutzversicherer in Fäll en der Voraussetzungsidentität an die Feststellungen des Ausgangsrechtsstreits gebunden wäre. Das hat der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 18.03.199230 im Einzelnen dargelegt und hält hieran fest. Die Deckungsfrage ist mithin entgegen einer in Teilen der Rechtsprechung und Literatur vert retenen Auffassung31, welche die vorgenannte Bundesgerichtshofsrechtsprechung außer Acht lässt, nicht bis zur endgültigen Klärung im Ausgangsrechtsstreit zurückzustellen.
Die Sache war für den Bundesgerichtshof allerdings noch nicht zur Endentscheidung reif, weil das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob ein ursächlicher Zusammenhang des Versicherungsfalles mit einer vorsätzlich begangenen Straftat des Versicherten besteht. Es wird nunmehr zu prüfen haben, inwieweit es den Beweisangeboten der für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses aus Ziffer 5.5 ARB darlegungs- und beweispflichtigen Versicherung nachgehen muss.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Mai 2021 – IV ZR 324/19
- LG Frankenthal, Urteil vom 18.10.2018 – 3 O 68/18[↩]
- OLG Zweibrücken, Urteil vom 13.11.2019 – 1 U 138/18[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19.03.2003 – IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 2 11 ff.][↩]
- vgl. zur Übersicht der Klauselfassungen: Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 366 ff.[↩]
- vgl. LG Duisburg ZfS 1989, 309 unter 1 c; ZfS 1985, 302 vor 1; LG Heidelberg ZfS 1984, 17; AG Lingen ZfS 1985, 19, 20; Böhme, ARB 12. Aufl. § 4 (2) a Rn. 50; vgl. auch LG Düsseldorf r+s 1989, 88 jedenfalls für den Fall, dass die persönliche und wirtschaftliche Existenz des Versicherungsnehmers nicht schwerwiegend bedroht ist[↩]
- vgl. Böhme aaO[↩]
- vgl. OLG Frankfurt VersR 1994, 667 2]; NZV 1989, 314, 315; LG Berlin r+s 1990, 19, 20; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 376; Maier in Harbauer, ARB 2010 § 3 Rn. 229, 243; Looschelders in Looschelders/Paffenholz, ARB 2. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn.192; Brünger in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 2. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 93; Plote in van Bühren/Plote, ARB 3. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 136[↩]
- vgl. Maier aaO Rn. 229[↩]
- vgl. Maier aaO[↩]
- Obarowski aaO; vgl. auch Maier aaO Rn. 230[↩]
- vgl. Obarowski aaO; Maier aaO; Looschelders aaO Rn.195; Brünger aaO[↩]
- vgl. zum Meinungsstand Obarowski aaO; Schneider in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 241[↩]
- vgl. Schneider in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 238; Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 3 Rn. 2, 110[↩]
- Piontek aaO; vgl . auch Schneider aaO[↩]
- Schneider aaO Rn. 240[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 03.07.2019 – IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 15 m.w.N.; st. Rspr.[↩]
- BGH, Urteile vom 16.07.2014 – IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 Rn. 16; vom 22.01.2014 – IV ZR 127/12 13; vom 08.05.2013 – IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 40 m.w.N.[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 26.02.2020 – IV ZR 235/19, VersR 2020, 549 Rn. 9 m.w.N.[↩]
- vgl. auch Maier in Harbauer, ARB 9. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 222[↩]
- vgl. Maier in Harbauer, ARB 9. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 218[↩]
- a.A. Maier in Harbauer, ARB 2010 § 3 Rn. 229[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 03.07.2019 – IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 17-19 m.w.N. und Rn. 26-30[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 03.07.2019 aaO Rn. 28; vom 25.02.2015 – IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 16[↩]
- vgl. insoweit BGH, Urteil vom 14.03.1984 – IVa ZR 24/82, VersR 1984, 530 unter – I 3; zustimmend: OLG Koblenz VersR 2013, 99, 100 25 f.][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 03.07.2019 aaO Rn. 16 ff., 20 ff.; vom 25.02.2015 aaO Rn. 14, 15 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2016 – IV ZR 245/15, r+s 2016, 462 Rn. 28 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008 – IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 23[↩]
- vgl. nur Maier in Harbauer, ARB 9. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 222[↩]
- vgl. dazu die Nachwe ise im BGH, Urteil vom 18.03.1992 – IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 unter 3 9][↩]
- BGH, Urteil vom 18.03.1992 – IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 unter 3 und 4 9 ff., 26][↩]
- LG Duisburg ZfS 1989, 309 unter 1 c; ZfS 1985, 302 vor 1; LG Düsseldorf r+s 1989, 88; LG Heidelberg ZfS 1984, 17; AG Lingen ZfS 1985, 19, 20; Böhme, ARB 12. Aufl. § 4 (2) a Rn. 50[↩]
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