Kommt es zu einer Flugverspätung, ist die Fluggesellschaft zur Zahlung einer Ausgleichsleistung verpflichtet, die entschieden hat, den Flug durchzuführen. Dagegen kann von der Fluggesellschaft, die das Flugzeug und die Besatzung vermietet hat, keine Ausgleichszahlung verlangt werden.

So hat der Gerichtshof der Europäischen Union in dem hier vorliegenden Fall eines Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Hamburg entschieden. Dort hatten Herr Wirth und andere Fluggäste wegen einer Flugverspätung auf Zahlung einer Ausgleichsleistung geklagt.
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Buchung eines Fluges von Hamburg (Deutschland) nach Cancún (Mexiko) erfolgte bei der Fluggesellschaft TUIfly. Der Flug ist mit einem bei einer anderen Fluggesellschaft, Thomson Airways, gemieteten Flugzeug mit Besatzung durchgeführt worden („wet lease“). Nach der Buchungsbestätigung würden die Buchungen von TUIfly vorgenommen, der Flug aber von Thomson Airways „ausgeführt“.
Es kam bei dem Flug zu einer großen Verspätung. Seit einigen Jahren muss der Verbraucher diese Verspätungen nicht mehr hinnehmen, denn es stehen ihm Fluggastrechte zu. So ist die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl.2004, L 46, S.1) am 17. Februar 2005 in Kraft getreten. Aufgrund dieser Fluggastrechteverordnung bestanden Herr Wirth und die anderen Fluggäste auf die Zahlung einer Ausgleichsleistung von der Fluggesellschaft Thomson Airways. Die Ausgleichsleistung wollte Thomson Airways nicht zahlen. Nach ihrer Meinung seien sie nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne dieser Verordnung (Art. 2 b FluggastrechteVO) gewesen. Die Forderungen auf Ausgleichsleistung müssten gegen die TUIfly gerichtet werden, da diese Fluggesellschaft die operationelle Verantwortung für die Durchführung des Fluges getragen habe.
Die daraufhin eingereichte Klage ist beim Landgericht Hamburg anhängig. Zur Klärung des Begriffs „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ hat das Landgericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellt. Die Gerichte der Mitgliedstaaten können so in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Dabei entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht über den nationalen Rechtsstreit. Unter Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs urteilt das nationale Gericht über die Rechtssache.
In dem hier vorliegenden Fall hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ die Fluggesellschaft anzusehen ist, die die Entscheidung
trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen – die Festlegung seiner Flugroute eingeschlossen – und dadurch ein an Interessierte gerichtetes Angebot für den Luftverkehr zu schaffen. Denn diese Entscheidung zu treffen, heißt, dass diese Fluggesellschaft die Verantwortung für die
Durchführung des Fluges, einschließlich insbesondere seiner etwaigen Annullierung oder einer etwaigen großen Verspätung bei seiner Ankunft, übernimmt.
Dagegen kann eine Fluggesellschaft, von der ein Flugzeug samt Besatzung gemietet wird (so wie in diesem Fall Thomson Airways), aber die für den Flug nicht die operationelle Verantwortung trägt, kein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach der FluggastrechteVO sein. Das gilt auch, wenn es in der den Fluggästen ausgestellten Buchungsbestätigung heißt, dass der Flug von der erstgenannten Fluggesellschaft ausgeführt wird.
Aus diesen Gründen ist in dem hier vorliegenden Fall als ausführendes Luftfahrtunternehmen die TUIfly anzusehen.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 4. Juli 2018 – C-532/17