Mit dem Zustandekommen eines Energielieferungsvertrages durch bloße Belieferung eines unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücks mit Strom hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen – und lehnte sowohl einen konkludenten Abschluss des Stromversorgungsvertrages mit dem Zwangsverwalter wie auch das Bestehen eines Ersatzversorgungsverhältnisses oder einen Anspruch des Stromversorgers aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag ab:

Konkludenter Abschluss eines Stromversorgungsvertrages
In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen. Diese wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt wird, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab,einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden. Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages ist dabei typischerweise der Grundstückseigentümer beziehungsweise derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt1.
Dieser Grundsatz unterliegt jedoch Einschränkungen, wenn das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben. So hat der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss etwa dann fehlen, wenn ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten besteht, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht werden, oder wenn der Abnehmer einen Stromlieferungsvertrag mit einem anderen Energieversorger geschlossen hat und nicht weiß, dass dieser ihn nicht (mehr) beliefert2. Denn ob ein schlüssiges Verhalten als eine – hier zum Vertragsschluss führende – Willenserklärung zu werten ist, bestimmt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Hiernach kommt es entscheidend darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners zu verstehen war, ob für den Beklagten also nach den ihm bekannten oder jedenfalls erkennbaren Umständen ersichtlich war, dass in der im streitigen Zeitraum über den Grundstückszähler erfolgten Stromlieferung eine an ihn gerichtete Realofferte auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages zu sehen war3.
Derartige Umstände ergeben sich nicht schon daraus, dass der Zwangsverwalter gemäß § 152 Abs. 2 ZVG in die bestehenden Miet- und Pachtverträge eingetreten ist. Zwar hätte eine mietvertragliche Verpflichtung des Beklagten, den Mietern und Pächtern des von ihm verwalteten Grundstücks Strom zur Verfügung zu stellen, Anlass geben können, die über den Grundstückszähler geleitete Elektrizität als eine zunächst an ihn zwecks interner Weiterverteilung gerichtete Versorgungsleistung zu sehen. Für eine solche Versorgungspflicht hätte es indes über die bloße Existenz von Miet- oder Pachtverträgen hinaus der Feststellung zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft. Anders als bei der leitungsgebundenen Wärme- und Wasserversorgung4 kann von einer Verpflichtung des Vermieters zur Belieferung seiner Mieter mit Strom nämlich nur ausgegangen werden, wenn dies eigens vereinbart ist. Ansonsten hat ein Vermieter grundsätzlich nur dafür einzustehen, dass die vermieteten Räume über einen tauglichen Stromanschluss an das allgemeine Versorgungsnetz verfügen5.
Eine über die Bereitstellung eines tauglichen Stromanschlusses hinausgehende Belieferungsverpflichtung des Zwangsverwalters gegenüber den Mietern und Pächtern des von ihm verwalteten Grundstücks folgt auch nicht aus der Rechtsprechung zum Pflichtenkreis eines Zwangsverwalters. Denn diese Rechtsprechung verhält sich nur zu Fallgestaltungen, in denen ein Zwangsverwalter im Rahmen seiner nach § 152 ZVG bestehenden Aufgabe, das verwaltete Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen, Betriebskosten auslösende Verpflichtungen tatsächlich eingegangen ist oder eingehen durfte.
Auch aus den sonst für unstreitig erachteten Stromlieferungsbeziehungen folgt nicht, dass der Zwangsverwalter in der im streitigen Zeitraum über den Grundstückszähler erfolgten Stromlieferung eine an ihn gerichtete Realofferte des Stromversorgungsunternehmens sehen musste. Zwar hat der Mieter des Grundstücks vorliegend keinen Versorgungsvertrag mit einem anderen Stromlieferanten geschlossen. Daraus kann aber noch nicht gefolgert werden, dass der Zwangsverwalter als Inhaber der Verfügungsgewalt über den Grundstücksanschluss die darüber im streitigen Zeitraum erbrachten Stromlieferungen zwangsläufig als eine an ihn gerichtete und von ihm durch Entgegennahme der Belieferung angenommene Realofferte auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages hätte werten müssen.
Ersatzversorgungsverhältnis
Auch das Bestehen eines Ersatzversorgungsverhältnisses verneint der Bundesgerichtshof. Eine Ersatzversorgung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG, die für die Zeit von März bis Mai 2010 zu einem nach Maßgabe von § 3 StromGVV ausgestalteten gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Parteien geführt hätte, setzt bei Strom voraus, dass Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung Energie beziehen, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann. In solch einem Fall gilt die Energie als von dem Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 1 EnWG, hier also der Klägerin, geliefert. Diese Voraussetzungen liegen aber schon deshalb nicht vor, weil die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht seine Annahme tragen, dass es sich bei dem Beklagten um einen Letztverbraucher des gelieferten Stroms im Sinne von § 3 Nr. 25 EnWG gehandelt habe.
Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 25 EnWG sind Letztverbraucher natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen. Ein eigener Verbrauch des Zwangsverwalters hat allerdings nicht schon deshalb vorgelegen, weil er aufgrund der von ihm übernommenen miet- oder pachtvertraglichen Bindungen verpflichtet gewesen wäre, den Mietern und Pächtern des von ihm verwalteten Grundstücks Strom zur Verfügung zu stellen, und weil er die dafür angefallenen Betriebskosten hätte verauslagen müssen. Vielmehr hätte eine Belieferung des vom Beklagten verwalteten Grundstücks mit Strom, selbst wenn sie – wie das Berufungsgericht annimmt – aus Sicht der Klägerin an den Beklagten adressiert war, nur dazu gedient, ihm das Liefern von Energie an andere im Sinne von § 3 Nr. 18 EnWG aF zu ermöglichen.
Ein die Letztverbrauchereigenschaft kennzeichnender Strombezug für den eigenen Verbrauch liegt bei der vom Berufungsgericht festgestellten Fallgestaltung nicht vor. Insbesondere kann sich die gegenteilige Auffassung auch nicht auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13.03.20126 stützen. Denn in dieser Entscheidung ist ein Energie-Contractor nur deshalb als Letztverbraucher und nicht als Stromlieferant angesehen worden, weil ihm sämtliche Anlagen seiner Kunden einschließlich der Infrastruktur übertragen worden waren und er deshalb die aus dem Netz entnommene Energie selbst verbraucht hat, um seinen Kunden die mittels dieser Energie gewonnenen Leistungen durch Bereitstellung von Strom und Licht zur Verfügung zu stellen. Um einen solchen eigenen Verbrauch geht es hier aber nicht.
Strombezieher, die die entnommene Elektrizität ohne eigenen Verbrauch lediglich weiterverteilen, können mangels Letztverbrauchereigenschaft weder gemäß § 36 Abs. 1 EnWG grundversorgt noch gemäß § 38 EnWG ersatzversorgt werden7. Auch ein Vermieter, der – ohne selbst am Verbrauch teilzunehmen – den Bedarf seiner Mieter an Elektrizität insgesamt bezieht, um nach Zurverfügungstellung des Stroms gegenüber den Mietern oder Pächtern die getätigten Entnahmen im Rahmen der Nebenkosten pauschal oder verbrauchsabhängig abzurechnen, verteilt die bezogene Elektrizität nur weiter und zählt deshalb nicht zum Kreis der in § 3 Nr. 25 EnWG legaldefinierten Letztverbraucher8. Das ist auch der Grund dafür, dass das Stromsteuerrecht, das an den energiewirtschaftsrechtlichen Letztverbraucherbegriff anknüpft9, in § 1a StromsteuerDurchführungsverordnung (StromStV) besondere Regelungen trifft, nach denen Vermieter und Verpächter, die Grundstücke oder Wohnungen unter Berechnung der anteiligen Stromkosten vermieten oder verpachten und deshalb wegen der darin liegenden Leistung von Strom auch steuerrechtlich an sich Versorger sind, aus steuerlichen Praktikabilitätsgründen gleichwohl als Letztverbraucher gelten, so dass die Letztverbrauchereigenschaft zu diesem Zweck eigens gesetzlich fingiert wird10. Das hier maßgebliche Energiewirtschaftsrecht sieht dagegen für seinen Bereich keine vergleichbare Fiktion vor.
Geschäftsführung ohne Auftrag
Zwar kann einem Stromversorgungsunternehmen bei Fehlen eines Versorgungsvertrages ein Anspruch auf Vergütung der Stromlieferungen auch gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen, wenn es mit der ununterbrochenen Fortsetzung der Stromlieferung objektiv ein Geschäft für den Anschlussinhaber geführt hat, der seinerseits den Grundstücksnutzern zur Bereitstellung von Strom verpflichtet war11. Dazu ist – wie vorstehend ausgeführt – aber nichts festgestellt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2014 – VIII ZR 391/12
- BGH, Urteile vom 06.07.2011 – VIII ZR 217/10, WM 2012, 618 Rn. 16; vom 10.12 2008 – VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 15.01.2008 – VIII ZR 351/06, WuM 2008, 139 Rn. 2; jeweils mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 06.07.2011 – VIII ZR 217/10, aaO Rn. 16, 18; vom 26.01.2005 – VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089 unter – II 1 b bb; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 26.01.2005 – VIII ZR 66/04, aaO unter – II 1 b bb [1] mwN; vom 27.04.2005 – VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717 unter – II 1 a[↩]
- dazu Hempel, WuM 1998, 646, 647; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb.2011, § 535 Rn. 59 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 30.06.1993 – XII ZR 161/91, WM 1993, 1857 unter 4 a; OLG Rostock, Urteil vom 10.12 2009 – 3 U 253/08, juris Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.07.2004 – VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174 unter – II A 2 b[↩]
- OLG Frankfurt/Main, REE 2012, 97[↩]
- Danner/Theobald/Eder, Energierecht, Stand 2013, § 36 EnWG Rn. 38 mwN, § 38 EnWG Rn. 6[↩]
- Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 41 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.10.2011 – EnVR 68/10, GuT 2012, 144 Rn. 10; OLG Stuttgart, RdE 2011, 62, 65 f.[↩]
- BT-Drs.-. 14/40, S. 11[↩]
- dazu näher Schneider/Theobald/Rodi, Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 22 Rn. 58 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 26.01.2005 – VIII ZR 66/04, aaO unter – II 3 a, b[↩]