Anschlussbeschwerde bei Iudex a quo

Eine Anschlussbeschwerde kann auch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden.

Anschlussbeschwerde bei Iudex a quo

In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage umstritten, ob eine Anschlussbeschwerde nach § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO noch wirksam beim Gericht, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten worden ist, eingelegt werden kann, wenn es die Beschwerde bereits dem Beschwerdegericht vorgelegt hat (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Teilweise wird angenommen, nach Abgabe der Beschwerde an das Beschwerdegericht könne eine Anschlussbeschwerde wirksam nur beim Beschwerdegericht eingelegt werden1. Nach der Gegenansicht kann die Anschlussbeschwerde noch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden. Das erstinstanzliche Gericht soll in einem derartigen Fall nur gehindert sein, eine weitere Abhilfeentscheidung zu treffen2. Dem ist zuzustimmen.

Anders als bei der Anschlussberufung und -revision (§ 524 Abs. 1, § 554 Abs. 1 ZPO) enthalten die Beschwerdevorschriften keine Bestimmung, bei welchem Gericht die Anschlussbeschwerde einzulegen ist. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ist für die Beurteilung dieser Frage die für die Beschwerde geltende Bestimmung des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO heranzuziehen. Danach kann die Anschlussbeschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde sowohl beim Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, als auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden. Für die gegenteilige Ansicht findet sich kein Anhalt im Gesetz. Er ergibt sich auch nicht aus der Akzessorietät der Anschließung. Zwar verliert die Anschlussbeschwerde ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird (§ 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Das betrifft aber ausschließlich die Abhängigkeit der Anschlussbeschwerde vom Rechtsmittel des Gegners und nicht die Frage, nach welchen Verfahrensvorschriften sich die Einlegung der Anschlussbeschwerde richtet. Gründe der Verfahrensökonomie rechtfertigen es ebenfalls nicht, nach der Vorlageentscheidung gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO die Einlegung der Anschlussbeschwerde beim Beschwerdegericht zu verlangen. Dem steht das Interesse des Rechtsmittelgegners entgegen, klar und eindeutig erkennen zu können, bei welchem Gericht er die Anschlussbeschwerde einlegen kann. Das wäre aber regelmäßig nicht gewährleistet, wenn die Anschlussbeschwerde nach Abgabe der Sache an das Beschwerdegericht nur noch bei diesem Gericht eingelegt werden könnte, weil die Partei nicht weiß, wann das erstinstanzliche Gericht über die Abhilfe entscheidet. Sie müsste deshalb die Anschlussbeschwerde grundsätzlich beim Beschwerdegericht einlegen, das das erstinstanzliche Gericht unverzüglich über die eingegangene Anschlussbeschwerde unterrichten und die Sache dorthin abgeben müsste, damit das erstinstanzliche Gericht die Anschlussbeschwerde bei seiner Abhilfeentscheidung berücksichtigen könnte, wenn die Sache dort noch anhängig ist. Eine Verfahrensvereinfachung wäre damit nicht erreicht.

Weiterlesen:
Verfall, Wertersatz - und die Beschwerde gegen den dinglichen Arrest

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. Februar 2013 – I ZB 79/11

  1. vgl. OLG Köln, FamRZ 2000, 1027; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 567 Rn. 22; BeckOK ZPO/Wulf, § 567 Rn. 36; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 577a Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 567 Rn. 21[]
  2. vgl. MünchKomm-.ZPO/Lipp, 4. Aufl., § 567 Rn. 44; Prütting/Gehrlein/Lohmann, ZPO, 4. Aufl., § 567 Rn. 16; Wieczorek/Schütze/Jänich, ZPO, 3. Aufl., § 567 Rn. 28; so wohl auch Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 59; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.09.2011 – 2 W 40/11[]