Einem Berufungskläger ist auch dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wenn das Berufungsgericht sein Rechtsmittel wegen Versäumung dieser Frist verworfen hat, ohne zuvor über das Prozesskostenhilfegesuch des Rechtsmittelführers entschieden zu haben, und dieser die Verwerfungsentscheidung anficht, aber eine Berufungsbegründung während des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht nachholt1.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs war in solch einem Fall für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch die Mittellosigkeit des Klägers ursächlich, so dass vorab über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden gewesen wäre und dem Kläger sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden müssen.
So hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hinreichend deutlich gemacht, dass er die Berufungsbegründung von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig machen wollte. Er hat in seinem, gerade noch vor Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz vom 09.09.2010 nicht lediglich nach dem Stand des Prozesskostenhilfeverfahrens gefragt. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben, dass er sich auch infolge der bislang unterbliebenen Bewilligung von Prozesskostenhilfe darin gehindert sah, die Berufungsbegründung zu fertigen. Mit dem Schriftsatz hat der Rechtsanwalt die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9.10.2010 beantragt. Unter der Überschrift „Begründung“ befindet sich nach der Darstellung, dass eine Rücksprache mit dem Kläger wegen dessen Erkrankung bisher nicht habe erfolgen können, der Absatz „Gleichzeitig steht noch die Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe aus. Diesbezüglich bitte ich ebenfalls nochmals und höflichst um Mitteilung einer Entscheidung.“ Daran schließt sich der Satz an „Um antragsgemäße Verlängerung wird daher höflichst gebeten.“ Diese Wendung fasst mit dem Wort „daher“ zur Begründung des Verlängerungsantrags die davor stehenden Ausführungen, also auch den Hinweis auf die bislang unterbliebene Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zusammen. Da kein Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, dass sich der Kläger nicht für bedürftig halten durfte, hätte ihm nach der Bescheidung seines Prozesskostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müssen.
Deshalb hätte das Berufungsgericht zunächst über diesen Antrag entscheiden und dem Kläger Gelegenheit geben müssen, anschließend einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen2. Dies gilt auch, wenn die beantragte Prozesskostenhilfe abzulehnen gewesen wäre, weil es dem Kläger hätte ermöglicht werden müssen, nach einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Berufungsverfahren auf eigene Kosten durch Begründung der Berufung fortzuführen3.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil der Kläger die Berufungsbegründung – ungeachtet der unzutreffenden Verwerfung seines Rechtsmittels und ihrer Anfechtung – nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom 26.10.2010 innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nebst einer Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen4 hätte nachholen müssen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 wird zwar grundsätzlich der Lauf der Berufungsbegründungsfrist nicht durch einen (angefochtenen) die Berufung verwerfenden Beschluss unterbrochen.
Diese Rechtsprechung ist aber auf die vorliegende Fallgestaltung nicht zu übertragen. Für einen vergleichbaren Sachverhalt hat der Bundesgerichtshof6 eine Obliegenheit des Berufungsklägers, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen und die Begründung nachzuholen, nachdem sein Rechtsmittel verworfen und anschließend Prozesskostenhilfe versagt wurde, nicht erwogen. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass (erst) mit der Zustellung seines die Verwerfungsentscheidung aufhebenden Beschlusses die Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist zu laufen beginne7. Dies ist auch sachgerecht, denn es kann vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch weder dem Antragsteller zugemutet werden, an seinen Rechtsanwalt eine (Vorschuss)Zahlung zu leisten, noch dem Anwalt – auf das Risiko hin, eine Entlohnung weder von der Staatskasse noch von seinem Mandanten zu erhalten, eine Berufungsbegründung zu fertigen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – III ZB 31/11
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23.03.2011 – XII ZB 51/11, NJW-RR 2011, 995[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 23.03.2011 – XII ZB 51/11, NJW-RR 2011, 995 Rn. 10 und vom 03.12.2003 – VIII ZB 80/03, NJW-RR 2004, 1218, 1219[↩]
- vgl. BGH aaO[↩]
- vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20.01.2009 – VIII ZA 21/08, NJW-RR 2009, 789 Rn. 6 mwN[↩]
- z.B. BGH, Beschluss vom 29.04.2004 – III ZB 72/03, BGHR ZPO § 520 Abs. 2 Berufungsbegründungsfrist 2; BGH, Beschlüsse vom 13.01.1998 – VIII ZB 48/97, NJW 1998, 1155; vom 07.06.1978 – IV ZB 13/78, VersR 1978, 841; vom 16.03.1977 – IV ZB 5/77, VersR 1977, 573 und vom 18.12.1974 – VIII ZB 35/74, VersR 1975, 421; siehe auch RGZ 158, 195, 197[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.03.2011 – XII ZB 51/11, NJW-RR 2011, 995[↩]
- aaO, Rn. 15[↩]