Der Betriebsarzt – und das besondere Vertrauen des Unternehmers

Aktuell hatte sich der Bundeegerichtshof mit der Kündigung eines Vertrags über betriebsärztliche Leistungen nach § 627 Abs. 1 BGB zu befassen:

Der Betriebsarzt – und das besondere Vertrauen des Unternehmers

Nach § 627 Abs. 1 BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB darstellt, eine fristlose Kündigung auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Besonderes Vertrauensverhältnis[↑]

Die von der Betriebsärztin übernommenen Aufgaben stellen solche Dienste dar. Denn die Tätigkeit eines Arztes fällt typischerweise unter § 627 Abs. 1 BGB1. Zwar erbringt der Betriebsarzt ärztliche Behandlungsleistungen nur im Verhältnis zu den Betriebsangehörigen und nicht zu seinem Vertragspartner (Arbeitgeber). Auch kann seine Tätigkeit im Einzelfall in einem Spannungsverhältnis zu den Vorstellungen des Arbeitgebers über die zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit notwendigen Maßnahmen stehen. Diese Besonderheiten rechtfertigen es aber nicht, die Stellung des Betriebsarztes anders zu bewerten. Vielmehr leistet auch dieser nach Maßgabe der folgenden Ausführungen Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Dienste höherer Art können solche sein, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen2 oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen3. Zu Betriebsärzten dürfen nur solche Personen bestellt werden, die berechtigt sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, und die über die zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderliche arbeitsmedizinische Fachkunde verfügen (§ 4 ASiG). Ein Betriebsarzt leistet insoweit unzweifelhaft Dienste höherer Art.

Diese werden aufgrund besonderen Vertrauens übertragen. Hiermit ist gemeint, dass sich das Vertrauen über die fachliche Kompetenz hinaus auch auf die Person des Vertragspartners erstreckt. Der Ausführung der Tätigkeit muss insoweit eine persönliche Beziehung (Bindung) zwischen den Vertragspartnern zugrunde liegen4. Hierbei kommt es allerdings nicht darauf an, ob im konkreten Fall diese Voraussetzung vorliegt, sondern ob die Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, nur infolge besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen5.

Diese Voraussetzung ist bei gesundheitsbezogenen Diensten regelmäßig erfüllt6. Dies gilt auch für den Betriebsarzt. Dessen Funktion besteht in erster Linie darin, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Insoweit soll erreicht werden, dass die diesen Zielen dienenden Vorschriften den besonderen Verhältnissen des Betriebs entsprechend angewandt werden, gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse verwirklicht werden können und letztlich die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen hohen Wirkungsgrad erreichen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 ASiG). Hierbei hat der Betriebsarzt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG insbesondere die Aufgabe,

  1. den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen zu beraten, insbesondere bei
    1. der Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen und von sozialen und sanitären Einrichtungen,
    2. der Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und der Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen,
    3. der Auswahl und Erprobung von Körperschutzmitteln,
    4. arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere des Arbeitsrhythmus, der Arbeitszeit und der Pausenregelung, der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung,
    5. der Organisation der „Ersten Hilfe“ im Betrieb,
    6. Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozeß,
    7. der Beurteilung der Arbeitsbedingungen,
  2. die Arbeitnehmer zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten,
  3. die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit
    1. die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen zu begehen und festgestellte Mängel dem Arbeitgeber oder der sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Person mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken,
    2. auf die Benutzung der Körperschutzmittel zu achten,
    3. Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Erkrankungen vorzuschlagen,
  4. darauf hinzuwirken, daß sich alle im Betrieb Beschäftigten den Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung entsprechend verhalten, insbesondere sie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind, sowie über die Einrichtungen und Maßnahmen zur Anwendung dieser Gefahren zu belehren und bei der Einsatzplanung und Schulung der Helfer in „Erster Hilfe“ und des medizinischen Hilfspersonals mitzuwirken.“

Bei dieser wichtigen Arbeit ist der Betriebsarzt, wie vorliegend auch ausdrücklich geregelt, unabhängig (weisungsfrei) und nur seinem Gewissen unterworfen (§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 ASiG). Entgegen der Auffassung der Revision spricht dies nicht gegen die Annahme einer Vertrauensstellung, da den von § 627 BGB erfassten Rechtsbeziehungen „die Weisungsgebundenheit immanent“ sei, sondern im Gegenteil für eine solche. Denn gerade angesichts der von Weisungen freien Stellung des Betriebsarztes muss sich der Arbeitgeber darauf verlassen könne, dass dieser seine herausgehobene Position („Stabsstellung im Betrieb“7) korrekt ausübt. Dies setzt aber typischerweise ein nicht nur auf die Fachkunde des Arztes, sondern ein auch auf dessen Person gerichtetes Vertrauen voraus. Insoweit ist den von § 627 BGB erfassten Rechtsverhältnissen – wie beispielhaft die Tätigkeiten eines Arztes, Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers zeigen – auch keineswegs eine Weisungsgebundenheit und fehlende Unabhängigkeit immanent. Vielmehr ist gerade die unabhängige Stellung des Dienstverpflichteten ein wesentlicher Aspekt für die Rechtfertigung des weitreichenden Kündigungsrechts des Dienstberechtigten8.

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Der Betriebsarzt erhält durch seine Tätigkeit Einblicke in die Betriebsabläufe beziehungsweise die Betriebsstruktur sowie in datengeschützte Bereiche. Auch auf diese Betriebsinterna, insbesondere auf die ihm bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, bezieht sich seine ärztliche Schweigepflicht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 ASiG; siehe auch Ziffer – III des Vertrags vom 01.07.1994). Das Bestehen einer solchen Schweigepflicht ist aber gerade ein Indiz für das Vorliegen einer Vertrauensstellung9. Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit und Seriosität des Dienstverpflichteten. Dass die ärztliche Schweigepflicht auch gegenüber dem Vertragspartner (Arbeitgeber) selbst besteht, soweit es – über die Frage der Arbeitsplatztauglichkeit hinaus – um bei der Tätigkeit gewonnene Erkenntnisse über einzelne Mitarbeiter geht, steht dem nicht entgegen.

Unter Berücksichtigung der herausgehobenen Aufgabenstellung des Betriebsarztes kann nicht zweifelhaft sein, dass betriebsärztliche Leistungen solche sind, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden. Der Umstand, dass ärztliche Behandlungsmaßnahmen durch einen Betriebsarzt typischerweise nur gegenüber den Betriebsangehörigen, nicht aber gegenüber dem Vertragspartner (Arbeitgeber) erbracht werden, steht – wobei diese Leistungen im Übrigen sowieso nur einen Teil der von ihm geschuldeten Tätigkeit ausmachen – dem nicht entgegen10. Gleiches gilt für die Möglichkeit von Interessengegensätzen der Vertragspartner.

Dauerndes Dienstverhältnis[↑]

Bei der näheren Bestimmung dessen, was unter einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen – beispielhaft werden bei Mudgan11 die Tätigkeiten des Leibarztes, des Hofmeisters und des Syndikus erwähnt – zu verstehen ist, muss neben dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung auch der Gesetzeszweck der Gewährleistung der persönlichen Entschließungsfreiheit einerseits und des Schutzes des Vertrauens auf Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung andererseits maßgeblich berücksichtigt werden12.

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Hiernach setzt ein dauerndes Dienstverhältnis nicht voraus, dass es auf unbestimmte Zeit eingegangen wird. Vielmehr liegt ein Dauerverhältnis zunächst und gerade dann vor, wenn vertraglich eine bestimmte längere Zeit festgelegt wird. Aber auch eine kürzere Zeit kann ausreichen, wenn sich nicht aus der Art der übertragenen Aufgabe (z.B. Urlaubs- oder Krankheitsvertretung; Aushilfe bei besonderem Arbeitsanfall) eine nur vorübergehende Verbindung ergibt, sondern sich die Verpflichtung auf ständige oder langfristige Aufgaben bezieht. Insoweit kann etwa auch die Vereinbarung einer Laufzeit von nur einem Jahr die Annahme eines dauernden Dienstverhältnisses rechtfertigen, wenn die Parteien von der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verlängerung ausgehen13. Deshalb stehen auch vertragliche oder gesetzliche Kündigungsrechte, bei deren Nichtausübung sich die Laufzeit eines Vertrags verlängert, dem Bestehen eines Dauerdienstverhältnisses nicht entgegen14. Ausreichend ist im Übrigen auch, wenn rein tatsächlich das Dienstverhältnis längere Zeit bestanden hat und damit zu einem dauernden und nicht lediglich vorübergehenden Rechtsverhältnis geworden ist15.

Allerdings setzt der Begriff des dauerndes Dienstverhältnisses weder eine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten noch – anders als § 617 Abs. 1 Satz 1 BGB – voraus, dass hierdurch die Arbeitskraft des Dienstverpflichteten vollständig oder überwiegend in Anspruch genommen wird16. Jedoch muss die Tätigkeit ein gewisses Gewicht haben. Insoweit ist es im Regelfall erforderlich, dass das Dienstverhältnis die sachlichen und persönlichen Mittel des Dienstverpflichteten zumindest nicht nur unerheblich beansprucht17. Durch die gesetzliche Regelung soll das Vertrauen des Dienstverpflichteten geschützt werden, dass ihm auf längere Sicht bestimmte, von vorne herein festgelegte Beträge in einem Umfang zufließen, welche (mit) die Grundlage seines wirtschaftlichen Daseins bilden können18. Deshalb bedarf es der Festlegung einer Regelvergütung, mit der ein in einem dauernden Vertragsverhältnis stehender Dienstverpflichteter als nicht unerheblichen Beitrag zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz rechnen und planen darf19. In diesem Fall genießt das Vertrauen des Dienstverpflichteten auf seine Existenzsicherung Vorrang vor dem Schutz der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten.

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Feste Bezüge[↑]

Für die Annahme fester Bezüge ist allerdings nicht notwendig, dass alle Honorar- oder Lohnbestandteile in diesem Sinn fest sind. Es genügt, wenn vertraglich ein festes Mindesthonorar vereinbart ist, auch wenn die darüber hinausgehenden Vergütungsansprüche nicht bestimmt sind20; nicht ausreichend ist dagegen, wenn im Rahmen eines umfassenden Vertragsverhältnisses (hier: Steuerberatermandat) lediglich für einen Teilbereich (hier: Lohn- und Finanzbuchhaltung) eine Pauschalvergütung vereinbart wird21.

Soweit die Betriebsärztin bestimmte zusätzliche Leistungen nach der getroffenen vertraglichen Vereinbarung nur auf Anforderung und außerhalb der sogenannten Einsatzzeiten zu erbringen hat und diese nach Stundenlohn oder nach der Gebührenordnung für Ärzte abzuechnen sind, kann in diesem Umfang nicht von feststehenden Honorareinnahmen gesprochen werden. Soweit das der Betriebsärztin im Rahmen der Einsatzzeiten zu zahlende „Grundhonorar“ an die Beschäftigtenzahl im Unternehmen und damit an eine variable Größe anknüpft, steht die Höhe des Honorars auch insoweit nicht von vorneherein fest.

Das Honorar der Betriebsärztin muss auch nicht deshalb als fest angesehen werden, weil es nach der getroffenen Vereinbarung aufgrund pauschalierter Stundenzahlen kalkuliert wurde und sich die Stundenzahl nach den Verhältnissen des Unternehmens zu Jahresbeginn richtet und „von da an fest liegt“. Von einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen kann dann nicht gesprochen werden, wenn die Bezüge nur für 1 Jahr fest sind, im Übrigen aber jährlich – je nach der Mitarbeiterzahl – schwanken. Überdies ist im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall auch nicht ersichtlich, dass die von der Betriebsärztin im Rahmen der Einsatzzeiten (0,4 Stunden pro Mitarbeiter pro Jahr) geschuldete Tätigkeit ihre sachlichen und persönlichen Mittel nicht nur unerheblich beansprucht hat beziehungsweise die ihr daraus zufließenden finanziellen Einnahmen einen nicht unerheblichen Beitrag zu ihrer Existenzgrundlage geliefert haben.

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Ausschluss des Kündigungsrechts[↑]

Allerdings kann – ungeachtet des Umstands, dass es sich bei dem Recht zur fristlosen Kündigung um eine zum Wesen der von § 627 BGB erfassten Vertrauensverhältnisse gehörende Regelung handelt – diese (auch konkludent) abbedungen werden. Hierzu bedarf es jedoch des klaren und bestimmten Ausdrucks eines entsprechenden Parteiwillens, dessen Vorhandensein nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden kann, dass im Vertrag eine feste Laufzeit vorgegeben ist22.

Gleiches gilt auch für eine die vertragliche Laufzeit ergänzende Regelung, wonach sich die Laufzeit verlängert, soweit nicht innerhalb bestimmter Fristen gekündigt wird. Denn fallen Verträge mit kürzeren Laufzeiten unter den Begriff des dauernden Dienstverhältnisses, wenn eine Verlängerungsmöglichkeit besteht, kann dies nicht gleichzeitig als Ausschlusstatbestand gewürdigt werden. Regelungen über eine fristgebundene ordentliche Kündigung lassen deshalb für sich gesehen noch nicht den Schluss zu, die Parteien hätten auf ihr wechselseitiges Kündigungsrecht nach § 627 BGB bewusst verzichtet. Vielmehr bedarf es der Feststellung weitergehender Umstände, um diese Annahme zu rechtfertigen23.

Ein solcher Umstand kann auch nicht in § 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG gesehen werden.

§ 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG bestimmt, dass Betriebsärzte (und Fachkräfte für Arbeitssicherheit) wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden dürfen. Diese Regelung ist durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 07.08.199624 in das Arbeitssicherheitsgesetz eingefügt worden. Die Regelung normiert insoweit in Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz ein allgemeines Benachteiligungsverbot für die Beratungskräfte25. Die Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz26 bestimmt hinsichtlich der mit Schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Gefahrenverhütung beauftragten Dienste in Art. 7:

  1. Unbeschadet seiner Pflichten nach den Artikeln 5 und 6 benennt der Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitnehmer, die er mit Schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Verhütung berufsbedingter Gefahren im Unternehmen bzw. im Betrieb beauftragt.
  2. Den benannten Arbeitnehmern dürfen durch ihre Schutztätigkeiten und ihre Tätigkeiten zur Verhütung berufsbedingter Gefahren keine Nachteile entstehen.

    Die benannten Arbeitnehmer müssen, um den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen nachkommen zu können, über die entsprechende Zeit verfügen.

  3. Reichen die Möglichkeiten im Unternehmen bzw. im Betrieb nicht aus, um die Organisation dieser Schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Gefahrenverhütung durchzuführen, so muss der Arbeitgeber außerbetriebliche Fachleute (Personen oder Dienste) hinzuziehen. …“

Hieraus folgt, dass sich Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie nur auf im eigenen Betrieb des Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer und nicht auf einen externen Betriebsarzt bezieht. Allerdings hat § 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG diese Differenzierung nicht übernommen. Deshalb darf auch der Honorararzt nicht wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe benachteiligt werden. Daraus folgt aber nicht, dass der dienstberechtigte Unternehmer bei der Wahrnehmung der ihm von Gesetzes wegen zustehenden Kündigungsmöglichkeiten Einschränkungen unterworfen wäre. Dies zeigt ein Vergleich von § 8 ASiG mit § 58 BImSchG. In § 58 Abs. 2 BImschG wird über das auch dort geltende allgemeine Benachteiligungsverbot (§ 58 Abs. 1 BImSchG) hinaus ausdrücklich bestimmt, dass die Möglichkeit der Kündigung des als Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigten Immissionsschutzbeauftragten an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft ist.

Anhörung des Betriebsrats[↑]

Einschränkungen enthält das Arbeitssicherheitsgesetz allerdings dergestalt, dass – insoweit weniger weitgehend als bei der Abberufung eines angestellten Betriebsarztes, die nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen darf – vor der Entpflichtung eines freiberuflich tätigen Arztes der Betriebsrat zu hören ist (§ 9 Abs. 3 Satz 3 ASiG).

Allerdings hat nach herrschender Meinung ein Verstoß gegen das Anhörungsrecht mangels einer § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG entsprechenden Vorschrift keine Auswirkung auf das Verhältnis des Arbeitgebers zum Honorararzt27.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. November 2014 – III ZR 101/14

  1. so bereits Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 913; siehe auch BGH, Urteil vom 18.10.1984 – IX ZR 14/84, NJW 1986, 373, 374[]
  2. Mugdan aaO S. 912[]
  3. vgl. nur BGH, Urteil vom 24.06.1987 – IVa ZR 99/86, NJW 1987, 2808 zum Ehe- oder Partnerschaftsvermittler; BGH, Urteil vom 09.06.2011 – III ZR 203/10, NJW 2011, 2955 Rn. 17 f zum ambulanten Pflegedienst[]
  4. Mugdan aaO; siehe auch BGH, Urteile vom 09.03.1995 – III ZR 44/94, NJW-RR 1995, 1058, 1059; und vom 19.11.1998 – III ZR 261/97, NJW 1999, 355, 356[]
  5. vgl. nur BGH, Urteil vom 18.10.1984 aaO S. 373; BGH, Urteil vom 22.09.2011 – III ZR 95/11, NJW 2011, 3575 Rn. 9; siehe auch bereits RGZ 146, 116, 117[]
  6. vgl. nur BGH, Urteil vom 09.06.2011 aaO Rn. 17 f[]
  7. vgl. Schmatz/Nöthlichs, Sicherheitstechnik, Band – II Teil 1 Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, bearb. v. Wilrich/Weber, Erl.06.1 und 6.2 zu § 8 ASiG mwN[]
  8. vgl. nur BGH, Urteil vom 31.03.1967 – VI ZR 288/64, BGHZ 47, 303, 306[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2011 aaO Rn. 17[]
  10. vgl. auch zum „Kassenarztvertrag“ bereits RG HRR 1932 Nr. 1440 und RGZ 105, 418; siehe auch Mudgan aaO S. 913 zum Kündigungsrecht, wenn die ärztlichen Dienste einem Dritten geleistet werden sollen[]
  11. Mugdan, aaO S. 913[]
  12. vgl. nur BGH, Urteil vom 22.09.2011 – III ZR 95/11, NJW-RR 2011, 3575 Rn. 12[]
  13. vgl. nur BGH, Urteile vom 31.03.1967 – VI ZR 288/64, BGHZ 47, 303, 307 f; vom 08.03.1984 – IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280, 282; vom 28.02.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585; und vom 19.11.1992 – IX ZR 77/92, NJW-RR 1993, 374[]
  14. vgl. nur Staudinger/Preis, BGB. Neubearbeitung 2012, § 627 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Henssler, 6. Aufl., § 627 Rn. 14[]
  15. vgl. RGZ 146, 116, 117[]
  16. vgl. nur BGH, Urteile vom 31.03.1967 aaO S. 306; vom 01.02.1989 – IVa ZR 354/89, BGHZ 106, 341, 346; vom 19.11.1992 aaO; BGH, Urteile vom 09.03.1995 – III ZR 44/94, NJW-RR 1995, 1058, 1059; und vom 22.09.2011 aaO Rn. 13[]
  17. BGH, Urteil vom 22.09.2011 aaO[]
  18. vgl. BGH, Urteile vom 13.01.1993 – VIII ZR 112/92, NJW-RR 1993, 505, 506; und vom 11.02.2010 – IX ZR 114/09, NJW 2010, 1520 Rn.20; siehe auch bereits RGZ 146, 116, 117[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2011 aaO Rn. 12 f[]
  20. vgl. BGH, Urteil vom 13.01.1993 aaO; siehe auch Urteil vom 19.11.1992 aaO S. 375; RGZ aaO[]
  21. vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2010 aaO Rn. 22[]
  22. RGZ 80, 29 f; BGH, Urteile vom 13.12 1990 – III ZR 333/89, WM 1991, 604, 606; und vom 05.11.1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276, 278[]
  23. vgl. hierzu etwa RGZ 105, 416, 417; BGH, aaO[]
  24. BGBl. I S. 1246[]
  25. vgl. BT-Drs. 13/3540 S. 22[]
  26. Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl. EG Nr. L 183 S. 1[]
  27. vgl. nur Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Aufl., § 87 Rn. 587, 593; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 26. Aufl., § 87 Rn. 320; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl., §§ 8, 9 ASiG Rn. 17[]

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