Der Tod des Insolvenzschuldners

Nach dem Tod des Schuldners richtet sich der Anspruch des Neugläubigers auf Ausgleich einer Nachlassverbindlichkeit gegen den Erben.

Der Tod des Insolvenzschuldners

Die Forderung des Neugläubigers (hier: Mietforderungen) unterliegen nicht der Durchsetzungssperre des § 87 InsO. Die Sperre erfasst nur Insolvenzgläubiger. Gemäß § 38 InsO sind dies nur diejenigen Gläubiger, die einen bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch gegen den Schuldner haben. Neugläubiger sind durch § 87 InsO nicht gehindert, ihre nach Verfahrenseröffnung entstandenen Vermögensansprüche gegen den Schuldner unmittelbar geltend zu machen und in das beschlagnahmefreie Vermögen zu vollstrecken1. Die hier geltend gemachten Forderungen beziehen sich auf die Monate nach dem Tod der Insolvenzschuldnerin bis zum Ende des Mietverhältnisses, das der Erbe zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hat. Sie sind mithin erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners entstanden. Hierbei handelt es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit, sodass der Erbe – hier der Beklagte – seine Haftung auf den Nachlass beschränken kann2.

Die Passivlegitimation des Erben wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen seiner Mutter mit deren Tod unmittelbar in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde.

Der Tod des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt ohne weiteres eine Überleitung des bisherigen Insolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren, wobei dies sowohl für ein Regelinsolvenzverfahren als auch für ein Verbraucherinsolvenzverfahren gilt3. Das bisherige Insolvenzverfahren nimmt daher ohne Unterbrechung seinen Fortgang mit dem Erben als neuem Schuldner4.

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Nach ganz überwiegender Ansicht wird angenommen, dass nur das zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Erbfall erworbene pfändbare Vermögen des Erblassers zur Masse gehört, so dass sich die Neugläubiger des Erblassers an das bisher nicht pfändbare Restvermögen des Schuldners halten müssen5.

Demgegenüber wird – worauf sich auch die Revision stützt – vertreten, § 38 InsO werde durch § 325 InsO insoweit verdrängt, als auch Verbindlichkeiten des Schuldners, die dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet hat und die gemäß § 1967 BGB mit dem Erbfall Nachlassverbindlichkeiten werden, gemäß § 325 InsO Insolvenzforderungen sind6.

Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend.

Der Umfang der Insolvenzmasse wird abschließend durch die Vorschriften der §§ 35, 36 InsO bestimmt. In die Insolvenzmasse fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er im Laufe des Verfahrens erlangt. Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen7. Das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners steht den Insolvenzgläubigern nicht zu, sondern ausschließlich den am Insolvenzverfahren nicht beteiligten Neugläubigern des Schuldners. Daher haftet der nach „Freigabe“ einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO vom Schuldner durch diese Tätigkeit erzielte Neuerwerb während des eröffneten (Erst-)Verfahrens grundsätzlich nur den Neugläubigern, nicht aber den Insolvenzgläubigern8.

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Der Tod des Schuldners ändert hieran nichts. Dessen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Verbindlichkeiten waren keine Insolvenzforderungen und können im Todesfall diese Eigenschaft nicht erhalten. Dies wäre einerseits eine Bevorzugung der bisherigen Insolvenzgläubiger zu Lasten der Neugläubiger, soweit es den Neuerwerb angeht. Andererseits ginge der Vorrang des § 325 InsO zu Lasten der Insolvenzgläubiger, soweit die Masse auch für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten des Schuldners haften müsste9. Von einer strikten Trennung der den Insolvenzgläubigern zugewiesenen Vermögensmasse und dem insbesondere bei einer Freigabe (§ 35 Abs. 2 InsO) von Vermögensteilen aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter entstehendem (Sonder-)Vermögen geht auch die Senatsrechtsprechung aus, nach der im Falle der Freigabe über das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gegebenenfalls ein zweites Insolvenzverfahren zu eröffnen ist10. Sollten beim Tod des Schuldners bereits zwei Insolvenzverfahren anhängig sein, so werden diese jeweils unmittelbar in selbständige Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet; auch hier scheidet eine Zusammenführung beider Vermögensmassen aus11.

Aus der Bestimmung des § 325 InsO kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Diese Vorschrift, nach der im Insolvenzverfahren über einen Nachlass nur die Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden können, spricht lediglich die Selbstverständlichkeit an, dass Eigenverbindlichkeiten des Erben im Insolvenzverfahren nicht verfolgt werden können12. Sie ist die Kehrseite der Trennung zwischen dem Nachlass und dem Eigenvermögen des Erben13. Die Bestimmung ist keine Ersatzregelung, welche den Anwendungsbereich des § 38 InsO vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf den des Todes des Insolvenzschuldners erstreckt14.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. September 2013 – IX ZR 3/13

  1. BGH, Beschluss vom 28.06.2012 – IX ZR 211/11, NJW-RR 2012, 1465 Rn. 4; OLG Celle, NZI 2003, 201, 202; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 87 Rn. 4; FK-InsO/App, 6. Aufl., § 87 Rn. 7; Jaeger/Windel, InsO, § 87 Rn. 6[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933 Rn. 15[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 354; Beschluss vom 21.02.2008 – IX ZB 62/05, BGHZ 175, 307 Rn. 6; Urteil vom 13.01.2011 – IX ZR 53/09, ZInsO 2011, 389 Rn. 12[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2004, aaO[]
  5. MünchKomm-InsO/Siegmann, 2. Aufl., Vor §§ 315 bis 331 Rn. 3; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 312 Rn. 49a; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 315 Rn. 31; Köke/Schmerbach, ZVI 2007, 497, 499; Roth in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 425 f[]
  6. Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz, 2005, Rn. 354 ff, 437; HK-InsO/Marotzke, aaO § 325 Rn. 2; Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1204[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 21; Beschluss vom 10.11.2011 – IX ZA 99/11, WM 2011, 2376 Rn. 4[]
  8. BGH, Beschluss vom 09.06.2011 – IX ZB 175/10, WM 2011, 1344 Rn. 11; Urteil vom 09.02.2012 – IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 Rn. 14, 28; Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10, WM 2013, 1612 Rn. 17; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1106[]
  9. MünchKomm-InsO/Siegmann, aaO Rn. 3a; Köke/Schmerbach, aaO; Roth in Roth/Pfeuffer, aaO S. 426; vgl. auch Fischinger, ZInsO 2013, 365, 369[]
  10. BGH, Beschluss vom 09.06.2011, aaO[]
  11. vgl. auch Köke/Schmerbach, aaO S. 500; Roth in Roth/Pfeuffer, aaO S. 426 f[]
  12. MünchKomm-InsO/Siegmann, aaO § 325 Rn. 1[]
  13. vgl. K. Schmidt, aaO § 325 Rn. 2[]
  14. MünchKomm-InsO/Siegmann, aaO Vor §§ 315 bis 331 Rn. 3[]
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