Mit der Zulässigkeit einer Klageänderung in der Revisionsinstanz hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen. Konkret ging es um den Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage in einem sogenannten „Dieselfall“:

Im zugrunde liegenden Fall hat der klagende Käufer in den Tatsacheninstanzen im Wesentlichen vorgetragen, das Fahrzeug sei von dem Dieselskandal betroffen. In den von der beklagten Autoherstellerin produzierten Dieselmotor seien drei unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut worden. Hierbei handele es sich um eine sogenannte „Aufheizstrategie“, eine „Getriebemanipulation/Schalteinstellung“ sowie um ein sogenanntes „Thermofenster“. Der beklagten Gebrauchtwagenverkäufer und die Autoherstellerin haben in Abrede gestellt, dass in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Trier hat die Klage abgewiesen1, das Oberlandesgericht Koblenz die Berufung des Gebrauchtwagenkäufers zurückgewiesen und in der Sache dahingehend erkannt, dass dem Gebrauchtwagenkäufer die gegen die Autoherstellerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustünden ((OLG Koblenz, Urteil vom 24.08.2020 – 12 U 1824/19)). Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat der Gebrauchtwagenkäufer das Berufungsurteil „zur vollen Überprüfung“ durch den Bundesgerichtshof gestellt und bezüglich der Autoherstellerin – der Sache nach wie in erster Instanz – in der Hauptsache zunächst ausschließlich die Feststellung begehrt, dass diese „verpflichtet ist, ihm Schadensersatz für die Schäden zu bezahlen, die aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeugs resultieren“. Nach einem Hinweis des Bundesgerichtshofs auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags hat der Gebrauchtwagenkäufer sein Feststellungsbegehren in einen Leistungsantrag geändert.
In tatsächlicher Hinsicht hat der Gebrauchtwagenkäufer hierzu ergänzend vorgetragen, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs am 18.05.2022 „ca. 98.000 km“ betragen habe und der Berechnung der Nutzungsentschädigung eine übliche Laufleistung von 350.000 km zugrunde gelegt sei. In rechtlicher Hinsicht sei eine Ausnahme von der Regel, nach der eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig sei, anzunehmen. Zulässig sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Beschränkung oder Modifikation eines früheren Antrags, soweit sich dies auf einen Sachverhalt stütze, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden sei. Ausgehend hiervon sei die Umstellung des Sachantrags nicht ausgeschlossen. Der Gebrauchtwagenkäufer stütze den geltend gemachten Leistungsanspruch nicht auf einen neuen Sachverhalt. In dem Übergang vom Feststellungs- zum Leistungsantrag bei unverändertem Sachverhalt liege lediglich eine qualitative Beschränkung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO. Gehe der Gebrauchtwagenkäufer von der positiven Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht zu einer deckungsgleichen Leistungsklage über, handele es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Ein Gebrauchtwagenkäufer könne von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage oder umgekehrt wechseln, wobei es sich um eine Klageerweiterung beziehungsweise beschränkung (§ 264 Nr. 2 ZPO) und nicht um eine Klageänderung (§ 263 ZPO) handele.
Die zulässige Revision hatte im Ergebnis vor dem Bundesgerichtshof keinen Erfolg. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag des Gebrauchtwagenkäufers auf Feststellung der Verpflichtung der Autoherstellerin, „ihm Schadensersatz für die Schäden zu bezahlen, die aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeugs resultieren“, statt als unbegründet als unzulässig abgewiesen wird.
Der vom Gebrauchtwagenkäufer begehrte Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug aufgewandten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die von ihm gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an die Autoherstellerin kann nicht zugesprochen und die Feststellung eines etwaigen Annahmeverzuges der Autoherstellerin nicht ausgesprochen werden, weil die hierauf gerichteten Anträge vom Gebrauchtwagenkäufer erstmals mit Schriftsatz vom 07.06.2022 im Revisionsverfahren anhängig gemacht worden sind und es sich hierbei um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung handelt.
Eine Klageänderung in der Revisionsinstanz ist grundsätzlich unzulässig2, insbesondere ein Übergang von der erhobenen Feststellungsklage auf eine Leistungsklage3. Anders verhält es sich ausnahmsweise dann, wenn es nur um eine Klarstellung, Beschränkung oder Modifikation des früheren Antrags auf der Grundlage eines Sachverhalts geht, der vom Oberlandesgericht Koblenz bereits gewürdigt worden ist4. Eine Veränderung der Anträge in der Revisionsinstanz darf somit nicht zur Folge haben, dass die Würdigung eines Sachverhalts erforderlich wird, welcher der Beurteilung durch den Tatrichter noch nicht unterlag5. Neu gestellte Anträge sind daher nicht schon deswegen zulässig, weil sie sich im Rahmen des § 264 Nr. 2 ZPO halten6.
Dies zugrunde gelegt, kann bezüglich der vom Gebrauchtwagenkäufer mit Schriftsatz vom 07.06.2022 gestellten Klageanträge zu 1 und 2 ein Ausnahmefall nicht angenommen werden. Denn sie lassen sich nicht ausschließlich auf den Sachverhalt stützen, der vom Oberlandesgericht Koblenz gewürdigt worden ist, sondern nur auf einen hiervon abgewandelten Lebenssachverhalt.
Das ergibt sich bereits daraus, dass der Gebrauchtwagenkäufer in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen hatte, (Zug um Zug) zur Übergabe und Übereignung des im März 2017 erworbenen Fahrzeugs an die Autoherstellerin bereit zu sein. Diesen neuen Sachverhalt hat er vielmehr erst durch Prozesshandlungen während respektive in der Revisionsinstanz geschaffen7, nämlich zum einen durch die mit Schriftsatz vom 28.01.2021 erklärte Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die vormalige Autoverkäuferin, von der er in den Vorinstanzen die Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verlangt hatte, und zum anderen durch den Klageantrag zu 1 im Schriftsatz vom 07.06.2022.
Darüber hinaus hat der Gebrauchtwagenkäufer in diesem Schriftsatz zumindest mit den Angaben, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs am 18.05.2022 „ca. 98.000 km“ betragen und er bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung eine Laufleistung von 350.000 km zugrunde gelegt habe, neue tatsächliche Umstände vorgebracht, mit denen sich das Oberlandesgericht Koblenz noch nicht befassen konnte. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist mit Blick auf die vom Gebrauchtwagenkäufer gezogenen Nutzungen in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters8. Das Revisionsgericht kann eine solche Schätzung nicht selbst vornehmen9 und unter Einbeziehung des im Revisionsrechtszug neu vorgetragenen Prozessstoffs darüber befinden, ob die Autoherstellerin in Annahmeverzug geraten ist oder nicht.
Ist die Klageänderung unzulässig, ist auf der Grundlage der bisherigen Klageanträge zu entscheiden10. Danach bleibt die Revision ebenfalls ohne Erfolg.
Der vom Gebrauchtwagenkäufer anhängig gemachte Feststellungsantrag ist unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob er trotz seiner weiten Formulierung noch hinreichend bestimmt ist im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist jedenfalls unzulässig, weil es am erforderlichen Feststellungsinteresse des Gebrauchtwagenkäufers fehlt11. Dieses lässt sich insbesondere nicht darauf stützen, dass sich der Gebrauchtwagenkäufer die Wahl offenhalten möchte, ob er den sogenannten großen oder den sogenannten kleinen Schadensersatz verlangt, und auch nicht darauf, dass ihm die Bezifferung der Höhe des auf den Schadensersatz anzurechnenden Nutzungsvorteils nicht zumutbar sei12. Etwaige weitere Umstände, aus denen sich ein Feststellungsinteresse ergeben könnte, sind weder vom Gebrauchtwagenkäufer aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.
Der Bundesgerichtshof kann selbst auf die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags erkennen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Bestehen eines Feststellungsinteresses ist als Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten13. Einer Abweisung der Klage als unzulässig statt, wie im Berufungsurteil ausgesprochen, als unbegründet stehen das verfahrensrechtliche Verschlechterungsverbot und der Umstand, dass nur der Gebrauchtwagenkäufer Revision eingelegt hat, nicht entgegen14.
Soweit der Gebrauchtwagenkäufer mit dem im Schriftsatz vom 07.06.2022 enthaltenen Klageantrag zu 3 einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten gegenüber der Autoherstellerin geltend macht, liegt zwar eine zulässige Klage vor. Dem Bundesgerichtshof ist jedoch eine Entscheidung über die Nebenforderung verwehrt, weil der Freistellungsanspruch als Nebenforderung von dem Bestehen der Hauptforderung abhängt und eine solche – wie ausgeführt – aus prozessualen Gründen nicht zuerkannt werden kann15.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. August 2022 – III ZR 228/20
- LG Trier, Urteil vom 06.09.2019 – 5 O 87/19[↩]
- st. Rspr., zB BGH, Urteile vom 04.05.1961 – III ZR 222/59, NJW 1961, 1467 f; und vom 20.08.2015 – III ZR 57/14, NJW-RR 2016, 115 Rn. 31; BGH, Urteile vom 28.07.2016 – I ZR 252/15, NJW-RR 2017, 416 Rn. 9; vom 11.07.2018 – IV ZR 243/17, NJW 2018, 3389 Rn. 14; und vom 14.12.2020 – VI ZR 573/20, NJW-RR 2021, 187 Rn. 7[↩]
- Krüger in MünchKomm-ZPO, 6. Aufl., § 559 Rn.20; Hk-ZPO/Koch, 9. Aufl., § 559 Rn. 9; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 559 Rn. 3[↩]
- zB BGH, Urteile vom 18.06.1998 – IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970; vom 28.07.2016 aaO; und vom 11.07.2018 aaO Rn. 15; Kessal-Wulf in BeckOK ZPO, Stand: 1.07.2022, § 559 Rn. 1[↩]
- BGH, Urteil vom 04.05.1961 aaO S. 1468[↩]
- vgl. BGH, aaO S. 1467 f zum wortgleichen § 268 Nr. 2 ZPO a.F.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2020 aaO Rn. 6[↩]
- BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, NJW-RR 2022, 740 Rn. 85; Beschluss vom 04.04.2022 – VIa ZR 360/21 5[↩]
- BGH, Urteil vom 21.02.2022 aaO[↩]
- vgl. Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 533 Rn. 16; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 263 Rn. 11; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl., § 263 Rn. 17[↩]
- vgl. zB BGH, Urteile vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, WM 2021, 2208 Rn. 5 und 14; und vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 4, 9 und 11[↩]
- vgl. zB BGH, Urteile vom 05.10.2021 aaO Rn. 16 bis 22 sowie vom 08.02.2022 aaO Rn. 12 f[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 08.07.1955 – I ZR 201/53, BGHZ 18, 98, 105 f; und vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2021 – II ZR 200/19, WM 2021, 633 Rn. 55 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 08.02.2022 aaO Rn. 6; vom 02.06.2022 – VII ZR 283/20 11; und vom 02.06.2022 – VII ZR 340/20 9[↩]