Erst mit dem Nachweis der Anschlussversicherung wird die Kündigung einer Krankenversicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, wirksam. Erfolgt dieser Nachweis zu einem späteren Zeitpunkt als die Kündigung, findet keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Versicherer statt.

So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem hier vorliegenden Fall entschieden. Der Kläger, ein Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, begehrt Zahlung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen für den Zeitraum von Januar bis August 2010, wobei die Wirksamkeit einer vom Beklagten am 29.12.2009 ausgesprochenen Kündigung strittig ist.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts bestand hinsichtlich der Töchter des Beklagten gemäß § 205 Abs. 4 VVG keine Berechtigung zur Kündigung. Dem Beklagten ist es nicht gelungen zu belegen, dass seiner Faxsendung vom 29.12.2009 ein Nachweis der Anschlussversicherung vom 29.07.2009 beilag. Die Vorlage des Nachweises im Oktober 2010 verschafft der Kündigung vom 29.12.2009 keine Rückwirkung auf den mit der Klage geltend gemachten Zeitraum. Der Kläger ist auch nicht wegen einer Verletzung seiner Hinweisobliegenheit nach Treu und Glauben gehindert, seine – im Betrag unstreitigen – Ansprüche auf rückständige Krankenversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge geltend zu machen.
Nach § 205 Abs. 4 VVG kann der Versicherungsnehmer im Falle der Prämienerhöhung hinsichtlich der betroffenen versicherten Person innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung mit Wirkung für den Zeitpunkt kündigen, zu dem die Prämienerhöhung oder die Leistungsminderung wirksam werden soll. Ein solcher Kündigungsgrund bestand hinsichtlich der Töchter des Beklagten nicht. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Beitragsänderung zum 01.01.2010 nach der Änderungsmitteilung des Klägers lediglich auf den Beklagten bezog. Dies ist zum einen der im Nachtrag enthaltenen Markierung seines Tarifs mit „1*“ zu entnehmen, was im Dokument mit „Beitragsanpassung“ erläutert wird. Zudem ergibt ein Vergleich dieses Nachtrags mit dem vorhergehenden Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.10.2008, dass die aufgeführten Zuschläge mit der Zusatzmarkierung „R“ bereits in der Vergangenheit Vertragsbestandteil waren. Eine Erhöhung zum 01.01.2010 erfolgte insoweit nicht.
Hinsichtlich der Person des Beklagten hat die Beitragserhöhung eine Kündigungsmöglichkeit eröffnet. Allerdings kann nach § 205 Abs. 6 S. 1 VVG eine Krankenversicherung, die – wie hier – eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, nur dann gekündigt werden, wenn bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, der dieser Pflicht ebenfalls genügt. Diese Voraussetzung hatte der Beklagte zwar erfüllt. Nach § 205 Abs. 6 S. 2 VVG wird eine Kündigung aber erst wirksam, wenn die Anschlussversicherung dem bisherigen Versicherer nachgewiesen wird.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der für die Wirksamkeit der Kündigung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht nachzuweisen vermag, dass seinem Kündigungsschreiben der Nachweis der Anschlussversicherung vom 29.07.2009 beilag und nicht lediglich das vom Kläger vorgelegte, als Nachweis untaugliche Anschreiben des neuen Versicherers. Der vorgelegte Sendebericht belegt allenfalls, dass der Beklagte am 29.12.2009 an den Kläger insgesamt vier Seiten übermittelt hat. Der Kläger hat mit der Klage vier einseitige Dokumente vorgelegt, nämlich das Kündigungsschreiben vom 29.12.2009, das erwähnte Anschreiben des neuen Versicherers und zwei Schriftstücke eines weiteren Versicherers, die sich auf die Töchter des Beklagten beziehen. Hätte die Sendung auch die Versicherungsbestätigung vom 29.07.2009 umfasst, so hätte der Sendebericht 5 Seiten ausweisen müssen, oder eines der anderen vom Kläger vorgelegten Dokumente wäre diesem nicht – wie aber gegenteilig belegt – zugegangen.
Der Umstand, dass im Rahmen dieses Rechtsstreits ein inhaltlich hinreichender Nachweis der Anschlussversicherung vorgelegt worden und im Oktober 2010 auch dem Kläger zugegangen ist, führt nach § 205 Abs. 4, Abs. 6 VVG nicht dazu , dass die Kündigung zum 01.01.2010 Wirkung erlangt hat.
Zur Bedeutung nachgereichter Nachweise werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Vereinzelt wird angenommen, der Nachweis müsse dem Versicherer während der Kündigungsfrist zugehen. Geschehe dies nicht, könne der Nachweis auch keine Wirkung mehr entfalten [1]. Teilweise wird demgegenüber in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass die ohne gleichzeitigen Nachweis ausgesprochene Kündigung zunächst schwebend unwirksam ist und mit Vorlage des Nachweises über eine Anschlussversicherung auf den Erklärungszeitpunkt bezogen wirksam wird [2]. Überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten, der Vertrag bestehe jedenfalls bis zum Zugang des Nachweises der Anschlussversicherung fort, weshalb die Kündigung erst mit Zugang des Versicherungsnachweises wirksam werde [3]. Diese Auffassung vertritt auch das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Bereits dem Wortlaut des § 205 Abs. 6 S. 2 VVG nach „wird“ die Kündigung „erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem anderen Versicherer versichert ist“. Hätte demgegenüber die Wirksamkeit der Kündigung den gleichzeitigen Nachweis der Anschlussversicherung voraussetzen sollen, hätte vielmehr die Formulierung „ist nur wirksam“ nahegelegen.
Ein systematischer Vergleich mit der vorangestellten Norm des § 205 Abs. 2 S. 2 VVG und mit der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden vergleichbaren Regelung des § 175 Abs. 4 S. 4 SGB V, in denen jeweils ausdrücklich aufgeführt ist, dass entweder der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht oder der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse „innerhalb der Kündigungsfrist“ zu erfolgen hat, spricht dafür, dass der Gesetzgeber für § 205 Abs. 6 VVG die Nachreichung eines Nachweises als ausreichend sehen wollte.
Dem Zweck der Regelung gemäß soll durch sie sichergestellt werden, dass der Versicherungsnehmer nahtlos über Versicherungsschutz verfügt [4]. Diesem Zweck würde sowohl dann Rechnung getragen werden, wenn die Kündigung mit späterem Nachweis bestehenden Versicherungsschutzes rückwirkend wirksam würde als auch, wenn sie erst mit Zugang des Nachweises Wirksamkeit entfaltete.
Die Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Parteien gebietet jedoch eine Auslegung der Norm dahingehend, dass die Kündigung erst zum Zeitpunkt der Vorlage des Nachweises der Anschlussversicherung, nicht jedoch rückwirkend, wirksam wird.
Zum einen hat der Versicherer ein Interesse daran, möglichst zeitnah Klarheit über die Wirksamkeit der Kündigung zu erhalten. Zum anderen würde er bei einem bis zur Vorlage des Nachweises angenommenen Schwebezustand dem Risiko ausgesetzt sein, zwischenzeitlich dem Versicherten gegenüber erbrachte Versicherungsleistungen infolge von Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr oder nur erschwert zurückfordern zu können. Dem gegenüber besteht das Interesse des Versicherungsnehmers darin, keine Doppelbelastung mit Prämien für zwei parallel laufende Versicherungsverträge bestreiten zu müssen. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die rechtzeitige Vorlage des Nachweises, wenn diese auch innerhalb der Kündigungszeit besondere Anstrengungen fordern mag und Verzögerungen des neuen Versicherers nicht ausgeschlossen werden können, grundsätzlich ein der Sphäre des kündigenden Versicherungsnehmers zuzuordnender Umstand ist [5]. So obliegt es ihm, sich im eigenen Interesse nach Erhalt der Beitragserhöhung zeitnah um eine Anschlussversicherung und deren Nachweis gegenüber dem Vorversicherer zu kümmern. Besonderen weitergehenden Schutzes bedarf er insoweit nicht. Einer Rückwirkung stünde mithin entgegen, dass diese dem Versicherungsnehmer in nicht zu rechtfertigender Weise eine Dispositionsmöglichkeit eröffnen würde, als er sich vor dem Hintergrund einer bestehenden Erkrankung oder geltend gemachter Krankenkosten zunächst den Eintritt der Wirksamkeit der Kündigung vorbehalten und – abhängig vom Krankheitsverlauf oder der Erstattungsbereitschaft der Versicherung – nachträglich den Anschlussversicherungsnachweis nachreichen und damit rückwirkend eine Vertragsaufhebung bewirken könnte.
Da Gegenstand des Rechtstreits lediglich Forderungen des Klägers aus der Zeit vor Zugang des Nachweises sind, bedarf es hier keiner Ausführungen zur Frage der wegen § 208 VVG zweifelhaften Wirksamkeit des dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden § 13 Nr. 8 S. 3 MB/KK 2009.
Den Nachweis, dass der Kläger im Zusammenhang mit der vom Beklagten erklärten Kündigung vom 29.12.2009 ihm obliegende Zurückweisungspflichten aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung verletzt hat, hat der Beklagte nicht erbracht. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, den Beklagten auf die Unwirksamkeit der Kündigung mit an seine bisherige Anschrift gerichtetem Schreiben vom 15.01.2010 hingewiesen und die Vorlage des Versicherungsnachweises verlangt zu haben. Mit der Absendung ist der Kläger seiner Hinweisobliegenheit nachgekommen. Der Beklagte hat lediglich den Zugang bestritten; dass den Kläger hieran ein Verschulden trifft, ist nicht auszumachen.
Nach dem während der Fälligkeit der streitgegenständlichen Ansprüche wirksamen Krankenversicherungsvertrag ist der Beklagte zur Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Prämienzahlungen für die Monate Januar 2010 bis einschließlich August 2010 über insgesamt EUR 5.338,47 sowie der Säumniszuschläge nach §§ 193 Abs. 6 S. 8 VVG, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB über EUR 226,86 verpflichtet.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. November 2011 – 12 U 101/11
- Hütt, in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, § 13 MB/KK Rn. 34; vgl. auch Langheid NJW 2011, 3265, 3269[↩]
- AG Baden-Baden, VersR 2010, 1027; Erdmann, VersR 2010, 1027; Erdmann, VersR 2011, 1131[↩]
- LG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2011 – 1 S 176/10, BeckRS 2011, 19071; AG Aachen, VersR 2011, 1131; Voit in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 205 Rn. 43; Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593; Langheid/Wandt/Hütt, § 205 Rn. 60[↩]
- BT-Drucks. 16/4247, S. 68[↩]
- Rogler, jurisPR-VersR 12/2010 Anm.5; LG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2011 – 1 S 176/10, BeckRS 2011, 19071[↩]