Von einem Prozessbevollmächtigten, dem es trotz zahlreicher Anwählversuche nicht gelingt, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung am letzten Tag dieser Frist per Telefax an eine vom Berufungsgericht genannte Telefaxnummer zu übermitteln, kann verlangt werden, dass er über den Internetauftritt des Berufungsgerichts eine etwa vorhandene weitere Telefaxnummer des Berufungsgerichts ermittelt und den Verlängerungsantrag an diese Telefaxnummer übermittelt.

Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Partei muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war1. So liegt der Fall hier.
Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts2. Aber auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übermittlungsmedium immanent, weil ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Auch bei einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Ablauf der Frist zu rechnen ist3. Die Gerichte dürfen die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt nicht überspannen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Fax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlungen infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er – unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen – innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt4. Von einem Prozessbevollmächtigten kann allerdings verlangt werden, dass er eine Beschwerde per Fax beim Beschwerdegericht einlegt, wenn es ihm nicht gelingt, eine entsprechende Verbindung zum Prozessgericht herzustellen; dies ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden5.
Im Streitfall wird der angefochtene Beschluss jedenfalls durch die alternative Begründung des Berufungsgerichts getragen, wonach der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus einer allgemein zugänglichen Quelle – nämlich der Startseite des Internetauftritts des Berufungsgerichts – eine weitere Telefaxnummer in Erfahrung bringen und den Verlängerungsantrag an dieses Empfangsgerät hätte versenden können. Dies gilt auch dann, wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass die Mitteilung des Berufungsgerichts bezüglich des Eingangs der vom Kläger eingelegten Berufung die Telefaxnummer enthielt, die der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt S. am 6.02.2012 gewählt hat, und wenn ferner angenommen wird, dass die missglückte Telefaxübermittlung im Zeitraum 16.23 Uhr bis 20.07 Uhr an diese Nummer auf einen in der Gerichtssphäre liegenden Umstand zurückzuführen ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde werden damit keine überzogenen Anforderungen an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten gestellt5. Es wird nicht verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte auf ein anderes Übermittlungsmedium ausweicht, sondern lediglich, dass er mit geringfügigem Aufwand ermittelt, ob eine weitere Telefaxnummer beim Berufungsgericht existiert und sodann diese Nummer anwählt.
Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde des Weiteren geltend, es würde ohnehin wegen der vom Berufungsgericht als Störungsursache angenommenen Inkompatibilität zwischen dem Telefaxgerät am Kanzleisitz in W. und dem Telefaxgerät des Berufungsgerichts an einer Kausalität zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und der Fristversäumung fehlen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Übermittlung des Fristverlängerungsantrags an die weitere Telefaxnummer noch im Laufe des 6.02.2012 gelungen wäre. Bei dieser Sachlage ist die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung und der Fristversäumung nicht ausgeräumt, weshalb Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann6.
Nach allem konnte es der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall dahinstehen lassen, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch deshalb zu versagen ist, weil der Prozessbevollmächtige des Klägers nach 20.07 Uhr am 06.02.2012 jedenfalls weitere Versuche hätte unternehmen müssen, den Fristverlängerungsantrag an die bislang gewählte Telefaxnummer zu senden7.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. September 2012 – VII ZB 25/12
- BGH, Beschluss vom 06.04.2011 – XII ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8 m.w.N.[↩]
- BVerfG, NJW 2001, 3473; BGH, Beschluss vom 21.07.2011 – IX ZB 218/10, juris Rn. 2 m.w.N.[↩]
- BVerfG, NJW 2001, 3473, 3474 m.w.N.[↩]
- BVerfG, NJW 2000, 1636 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, NJW 2000, 1636; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21.07.2011 – IX ZB 218/10[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2000 – IV ZB 17/00, NJW 2001, 76, 77 m.w.N.; PG/Milger, ZPO, 4. Aufl., § 233 Rn. 23 zur beim Antragsteller liegenden Beweislast für die Nichtursächlichkeit eines Fehlers[↩]
- vgl. BVerfG, NJW 2007, 2838[↩]