Die Bestimmung der Satzung einer Gewerkschaft über Sonderbeiträge für Gewerkschaftsmitglieder, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft ein Mandat in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien wahrnehmen, ist unwirksam, wenn sich die Höhe dieses Sonderbeitrags alleine aus einer vom Hauptvorstand beschlossenen Sonderbeitragsordnung ergeben soll.

So enthielt in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Satzung der Gewerkschaft in der im Jahr 2013 geltenden Fassung in § 8 Abs. 3a folgende Regelung: „Mitglieder, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der G. ein Mandat in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien wahrnehmen und hierfür eine Vergütung erhalten, haben zusätzlich zu ihren Mitgliedsbeiträgen einen gesonderten Beitrag zu entrichten. Dieser Sonderbeitrag dient zur Unterstützung der für die G. aus diesen Mandaten entstehenden erweiterten Aufgaben. Die Höhe des Sonderbeitrags ergibt sich aus der dazu vom Hauptvorstand beschlossenen Sonderbeitragsordnung.„
Dieser § 8 Abs. 3a der Satzung iser unwirksam, weil diese für die Mitglieder der Gewerkschaft nicht erkennen lässt, in welchem Umfang sie einer Sonderbeitragspflicht unterliegen, wenn sie ein Mandat in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien wahrnehmen und hierfür eine Vergütung erhalten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Gewerkschaften, die nicht im Vereinsregister eingetragen sind, als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen1. Auf nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, die wie ein rechtsfähiger Verein mit einer körperschaftlichen Verfassung und einem Gesamtnamen ausgestattet sind, ist allerdings ungeachtet der Verweisung des § 54 Satz 1 BGB im Zweifel Vereinsrecht anzuwenden2. Dies gilt nach allgemeiner Meinung auch für Gewerkschaften, soweit nicht die Vorschriften die Rechtsfähigkeit oder die Eintragung voraussetzen3. Dementsprechend muss auch die Satzung einer Gewerkschaft deren Verfassung und die wesentlichen Grundentscheidungen festlegen4.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss bei eingetragenen Vereinen die Erhebung von Umlagen oder Sonderbeiträgen durch die Satzung nicht nur dem Grunde, sondern auch zumindest in Gestalt der Angabe einer Obergrenze grundsätzlich auch der Höhe nach bestimmt oder objektiv bestimmbar sein5. Nur wenn die Umlageerhebung für den Fortbestand des Vereins unabweisbar notwendig und dem einzelnen Mitglied unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Belange zumutbar ist, kann eine einmalige Umlage auch ohne satzungsmäßige Festlegung einer Obergrenze wirksam beschlossen werden, die eine aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung des Mitglieds begründet6. Zum Schutz des einzelnen Mitglieds vor einer schrankenlosen Pflichtenmehrung durch die Mehrheit muss sich der maximale Umfang der Pflicht aus der Satzung entnehmen lassen. Die mit der Mitgliedschaft verbundenen finanziellen Lasten müssen sich in überschaubaren, im Voraus wenigstens ungefähr abschätzbaren Grenzen halten7.
Die Höhe regelmäßiger Beiträge muss dagegen in der Satzung nicht zwingend bestimmt sein, weil der Verein seine Kosten laufend durch Mitgliederbeiträge decken muss und gezwungen ist, diese der Preisentwicklung anzupassen; damit wird dem praktischen Bedürfnis Rechnung getragen, für laufende Anpassungen nicht regelmäßig die Satzung ändern zu müssen8.
Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die für Umlagen entwickelten Vorgaben der BGHRechtsprechung auf die Abführungsverpflichtung von Aufsichtsratstantiemen für Mitglieder einer Gewerkschaft zu übertragen sind, jedoch deutlich gemacht, dass auch das Gewerkschaftsmitglied vorhersehen können muss, worauf es sich bei seinem Eintritt in die Gewerkschaft in finanzieller Hinsicht maximal einlässt9. Unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der finanziellen Belastung durch Sonderbeiträge sind Satzungsregelungen unbeanstandet geblieben, die eine Pflicht zur Abführung von Gremienvergütung begrenzt durch die Höhe der empfangenen Beträge nach Maßgabe einer vom Vorstand beschlossenen Regelung vorsehen10.
§ 8 Abs. 3a der Satzung der Gewerkschaft genügt diesen Anforderungen nicht, weil den Mitgliedern der Gewerkschaft nicht deutlich wird, bis zu welcher Höhe ein Sonderbeitrag erhoben werden kann, wenn sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft ein Mandat in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien wahrnehmen und hierfür eine Vergütung erhalten. Es ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und wird von der Revision auch nicht behauptet, dass ein solcher Höchstbetrag in der Satzung nicht bestimmt werden kann.
Die Satzung der Gewerkschaft ist objektiv, mithin aus sich heraus, auszulegen. Willensäußerungen oder Interessen der Gründer, sonstige tatsächliche Umstände aus der Entstehungsgeschichte oder der späteren Vereinsentwicklung müssen bei der Auslegung unberücksichtigt bleiben, es sei denn, ihre Kenntnis kann bei dem den Empfängerhorizont bestimmenden Adressatenkreis vorausgesetzt werden11. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine ständige Übung in der Gewerkschaft und eine entsprechende Akzeptanz der Mitglieder eine ergänzende Auslegung der Satzung rechtfertigen kann12, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung13, weil eine ständige Übung bei der Gewerkschaft nicht festgestellt wurde und von der Revision auch nicht geltend gemacht wird. Die Auslegung des Berufungsgerichts unterliegt in vollem Umfang der Kontrolle durch das Revisionsgericht14.
Nach § 8 Abs. 3a der Satzung der Gewerkschaft obliegt die Bestimmung der Höhe des Sonderbeitrags einer vom Hauptvorstand beschlossenen Sonderbeitragsordnung, ohne dass sich der Satzung selbst entnehmen lässt, dass die Höhe des Beitrags durch die Summe empfangener Vergütungen für die Mitgliedschaft in Gremien begrenzt wird.
Aus dem Wortlaut der Satzung lässt sich eine Begrenzung der Höhe von Sonderbeiträgen gemäß § 8 Abs. 3a nicht herleiten. Die Pflicht zur Abführung eines Sonderbeitrags nach dieser Bestimmung knüpft zwar daran an, dass das Mitglied aus dem entsprechenden Mandat eine Vergütung erhält. Dies allein besagt aber nicht, dass die Höhe des Sonderbeitrags auf die Höhe der bezogenen Vergütung begrenzt ist. Zur Höhe des Sonderbeitrags verweist die Regelung ausschließlich auf die vom Hauptvorstand beschlossene Sonderbeitragsordnung.
Weder aus dem Zusammenhang der Bestimmung noch aus ihrem Sinn und Zweck lässt sich mit der gebotenen Klarheit ableiten, dass etwaige Sonderbeiträge auf die Höhe erhaltener Vergütungen aus Mandaten in Aufsichtsräten, Beiräten oder ähnlichen Gremien begrenzt sind. Der Umstand, dass die Sonderbeitragspflicht auf Mitglieder beschränkt ist, die eine Vergütung für übernommene Mandate erhalten, spricht zwar durchaus dafür, keine Sonderbeiträge zu erheben, die die bezogene Vergütung übersteigen, weil das betroffene Mitglied in diesem Fall schlechter gestellt wäre, als es ohne eine Vergütung stünde. Eine solche Begrenzung erschließt sich hier aber nicht aus der Satzung selbst. Der in der Satzung genannte Zweck des Sonderbeitrags, die für die Gewerkschaft aus diesen Mandaten entstehenden erweiterten Aufgaben zu unterstützen, deutet im Übrigen auf eine aufwandsbezogene Bemessung des Sonderbeitrags hin, der mit der Höhe der erhaltenen Vergütung nicht in Zusammenhang stehen muss.
Soweit geltend gemacht wird, die zum Schutz eines Vereinsmitglieds vor einer unvorhergesehenen und unbegrenzten zusätzlichen Beitragspflicht sprechenden Gründe seien mangels eines vergleichbaren Schutzbedürfnisses eines von der streitgegenständlichen Satzungsregelung betroffenen Gewerkschaftsmitglieds nicht übertragbar, weil dieses lediglich einen relativ geringen Anteil der hierdurch erzielten zusätzlichen Vergütungen an die Gewerkschaft abzuführen habe, verkennt sie, dass dieser Anteil sich ausschließlich aus der vom Hauptvorstand beschlossenen Beitragsordnung ergibt, nicht aber aus der Satzung selbst.
Gründe, die es ähnlich wie bei Regelbeiträgen gebieten, die Festsetzung der Höhe der zu erhebenden Sonderbeiträge ausschließlich der vom Hauptvorstand zu beschließenden Sonderbeitragsordnung zu überlassen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Gewerkschaft zwischenzeitlich eine die Sonderbeitragspflicht begrenzende Regelung in ihre Satzung aufgenommen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. Mai 2019 – II ZR 157/18
- BGH, Urteil vom 06.10.1964 – VI ZR 176/63, BGHZ 42, 210, 212; Urteil vom 11.07.1968 – VII ZR 63/66, BGHZ 50, 325, 328 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 02.04.1979 – II ZR 141/78, WM 1979, 969 970[↩]
- BAGE 151, 367 Rn. 37; OLG Frankfurt am Main, ZIP 1985, 213, 215; OLG Frankfurt am Main, NZARR 2002, 531, 532 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 54 Rn. 1; Schöpflin in BeckOK BGB, Stand: 1.11.2018, § 54 Rn. 15[↩]
- BAGE 151, 357 Rn. 39; OLG Frankfurt am Main, ZIP 1985, 213, 215; Staudinger/Schwennicke, BGB, Neubearb.2019, § 54 Rn. 51[↩]
- BGH, Urteil vom 24.10.1988 – II ZR 311/87, BGHZ 105, 306, 316, 320 Garantiefonds; Urteil vom 24.09.2007 – II ZR 91/06, ZIP 2007, 2264 Rn. 11; Urteil vom 02.06.2008 – II ZR 289/07, ZIP 2008, 1423 Rn. 21[↩]
- BGH, Urteil vom 24.09.2007 – II ZR 91/06, ZIP 2007, 2264 Rn. 13 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 10.06.1995 – II ZR 102/94, BGHZ 130, 243, 247; Urteil vom 02.06.2008 – II ZR 289/07, ZIP 2008, 1423 Rn. 21[↩]
- BGH, Urteil vom 24.10.1988 – II ZR 311/87, BGHZ 105, 306, 316 Garantiefonds; Urteil vom 10.07.1995 – II ZR 102/94, BGHZ 130, 243, 246; Urteil vom 24.09.2007 – II ZR 91/06, ZIP 2007, 2264 Rn. 12[↩]
- BAGE 151, 367 Rn. 40[↩]
- BAGE 151, 367 Rn. 40; OLG Frankfurt am Main, NZARR 2002, 531, 533; OLG Frankfurt am Main, ZIP 2018, 1290 f.; kritisch: Thüsing/Forst in Festschrift Friedrich Graf von Westphalen, 2010, S. 693, 716[↩]
- BGH, Urteil vom 06.03.1967 – II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 180; Urteil vom 28.11.1988 – II ZR 96/88, BGHZ 106, 67, 71; Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 23/14, BGHZ 207, 144 Rn. 24[↩]
- dazu OLG Frankfurt am Main, ZIP 1985, 213, 214 f.[↩]
- vgl. bereits BGH, Urteil vom 28.11.1988 – II ZR 96/88, BGHZ 106, 67, 73 f.[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 250; Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 23/14, BGHZ 207, 144 Rn. 24[↩]