Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, für deren Annahme die zum Schadensersatz Verpflichtete die Darlegungsund Beweislast trägt1, liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von „Verschulden gegen sich selbst“, vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben2.
Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt dabei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr ist ein solcher Vorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet3.
Wurde der nicht fachkundige Anleger dahingehend falsch beraten, dass ihm eine Geldanlage „ohne Kapitalverzehr“ vorgerechnet wurde, überspannt die Bewertung, ihm hätte trotz dieser bei ihm durch den Anlageberater hervorgerufenen Erwartungen klar sein müssen, dass „kein Versicherungskonzern ihm für eine vergleichsweise bescheidene Anlagesumme eine maßgeschneiderte Geldanlage in der Weise anbieten würde, dass die (hier:) 15.000 € irgendwie so angelegt werden, dass genug Geld für die RiesterRenten herauskommt und der Anleger am Anlageende die 15.000 € ungeschmälert erhalten würde“, die Anforderungen an die grobe Fahrlässigkeit des Gläubigers im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Es mag (einfach) fahrlässig gewesen sein, dass der Anleger auf die möglicherweise für geschäftlich Erfahrene nicht plausiblen Versprechungen des Beraters vertraut hat. Es musste sich dem Anleger aber nicht förmlich aufdrängen, dass die vom Berater empfohlene Anlage entgegen dessen Zusicherungen den Vorgaben nicht entsprach. Sichert der Berater dem Kunden gewünschte Eigenschaften des empfohlenen Produkts nämlich wie hier vom Berufungsgericht unterstellt zu, kann es diesem grundsätzlich nicht als schwerer Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten entgegengehalten werden, wenn er sich hierauf verlässt4. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer sich dem Anleger die Erkenntnis, dass die erhaltene Zusicherung nicht (mehr) eingehalten werden kann, förmlich aufdrängen musste. Solche Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Entgegen der auch nicht weiter erläuterten Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem nicht in der betreffenden Branche bewanderten Anleger die Geschäftspraktiken von Versicherungskonzernen und deren Portfolios von Anlageangeboten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt waren.
Angesichts der durch die Berater hervorgerufenen Erwartungen des Anlegers mussten bei ihm entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht „bereits alle Alarmglocken schrillen“, als er bei Übersendung des Zeichnungsscheins erkannte, dass er eine Fondsbeteiligung erworben hatte. Auch mit dieser Bewertung hat das Berufungsgericht die Anforderungen, die an einen Gläubiger zur Vermeidung eines schweren Obliegenheitsverstoßes in eigenen Angelegenheiten zu stellen sind, überspannt. Dem Anleger kann keine schwere Form des „Verschuldens gegen sich selbst“ vorgeworfen werden, wenn er auf den ihm zugesicherten Erhalt des investierten Kapitals auch dann noch vertraute, als ihm bewusst wurde, welche Art von Investment er getätigt hatte. Dies gilt zumal deshalb, weil er unstreitig über keine umfangreichen Erfahrungen mit Geldanlagen verfügte. Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht daraus, dass dem Anleger nach eigenen Angaben bekannt war, dass ein Fonds „Höhen und Tiefen“ hat. Nach seinen von der Vorinstanz nicht in Zweifel gezogenen Angaben in seiner Anhörung ging der Anleger nicht zuletzt aufgrund der erhaltenen Zusage eines Kapitalerhalts in zumindest nicht grob vorwerfbarer Weise davon aus, dass eine „Abweichung nach unten nicht grundsätzlich beunruhigend“ sei, da es „ja auch wieder nach oben“ gehen könne. Für ihn sei „das Ganze ein Gesamtpaket mit den Riesterverträgen“ gewesen. Es sei verabredet gewesen, „dass jährlich 894, EUR in die Riesterrenten gezahlt werden sollten, das Kapital aber erhalten bleiben“ solle. Im Hinblick auf diese Vereinbarung hätten ihm die Depotauszüge nur „wenig besagt“.
Dem Anleger hat sich auch nicht schon spätestens mit Erhalt der Depotauszüge der Vorjahre (hier: 2007 und 2008) aufdrängen müssen, dass die ihm gegebenen Zusagen zum Kapitalerhalt nicht einzuhalten gewesen seien. Die ersten ihm übersandten Depotauszüge von Januar 2007 und März 2007 weisen einen gegenüber dem Anlagebetrag von 14.423 € (15.000 € abzüglich 577 € Ausgabeaufschlag) um mehrere hundert Euro (nämlich um 487 € bzw. 306,11 €) angestiegenen Depotwert aus. Auch die dem Anleger im September 2007 und im Januar 2008 mitgeteilten leichten Verminderungen des Anlagebetrags um 63,76 € bzw. 545,47 € (rund 0,4 % bzw. rund 3,8 %) erscheinen demgegenüber nicht gravierend. Erstmals aus dem Depotauszug von März 2008 ergibt sich eine augenfälligere Negativentwicklung, nämlich ein Verlust von 2.175,03 € (rund 15 % des Anlagebetrages). Dieses Absinken des Depotwertes stellt sich bereits vor dem Hintergrund der positiven Entwicklung des Fonds in der Vergangenheit (Wertzuwachs von 58 %) und der damaligen Lage auf dem Finanzund Kapitalmarkt entgegen der Bewertung des Berufungsgerichts nicht als so erheblich dar, dass sich dem Anleger hätte aufdrängen müssen, dass der ihm vermittelte Anlagekomplex nicht mit der (unterstellt) zugesagten Kapitalsicherung funktioniere oder er dies sogar wusste.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2018 – III ZR 122/17
- vgl. etwa BGH, Urteile vom 08.07.2010 aaO Rn. 25 mwN; und vom 17.03.2016 aaO Rn. 11[↩]
- st. Rspr., s. z.B. BGH, Urteile vom 08.07.2010 aaO Rn. 28; vom 22.09.2011 aaO; und vom 17.03.2016 aaO Rn. 11, jeweils mwN[↩]
- st. Rspr., s. z.B. BGH, Urteile vom 12.07.2005 – VI ZR 83/04 13, insoweit nicht in BGHZ 163, 351 abgedruckt; und vom 17.02.2009 – VI ZR 86/08, NJW-RR 2009, 812 Rn. 10 jew. mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 33[↩]