Die DRK-Tarifverträge – und ihre arbeitsvertragliche Bezugnahme

Die Tarifwerke DRK-TV-Ost und DRK-TV-West differenzierten für ihren Geltungsbereich danach, ob die Arbeitsverhältnisse der Angestellten/Arbeiter des Deutschen Roten Kreuzes im Beitrittsgebiet iSd. Art. 3 des Einigungsvertrags begründet wurden oder nicht. Diese Differenzierung hat der zum 1.01.2007 in Kraft getretene DRK-Reform-TV aufgehoben.

Die DRK-Tarifverträge – und ihre arbeitsvertragliche Bezugnahme

Für dessen Geltungsbereich ist die Mitgliedschaft in der Bundestarifgemeinschaft, einer Landestarifgemeinschaft, die der Bundestarifgemeinschaft angehört bzw. der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ver.di entscheidend. Diese Entwicklung könnte dafür sprechen, dass der DRK-TV-O zum Jahr 2007 vom DRK-Reform-TV abgelöst wurde.

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung regelmäßig als sog. Gleichstellungsabrede ausgelegt worden1. Danach galt die (widerlegliche) Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum gehe, durch die Bezugnahme die organisierten und die nicht organisierten Arbeitnehmer hinsichtlich der Geltung des einbezogenen Tarifvertrags gleichzustellen. Das Bundesarbeitsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus wurde die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifbindung des Arbeitgebers an die einbezogenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, also dann ende, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei2.

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Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht jedoch für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.01.2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel nur aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind3. Daher ist aufzuklären, ob und ggf. in welcher Zeit der Beklagte nach der Kündigung des DRK-TV-O Mitglied der Landestarifgemeinschaft Sachsen war und diese ihrerseits der Bundestarifgemeinschaft angehörte. Liegt der Arbeitsvertrag aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform dem Arbeitsverhältnis zugrunde und war der Beklagte kein Mitglied der Landestarifgemeinschaft mehr bzw. diese nicht mehr der Bundestarifgemeinschaft angehörig, könnte der DRK-TV-O statisch fortwirken.

Im Hinblick auf die differenzierte Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede und der Unterscheidung zwischen Alt- und Neuverträgen bedarf es ggf. auch der Aufklärung, ob, inwieweit und wann der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Arbeitsvertrag im weiteren Verlauf schriftlich oder mündlich ausdrücklich oder konkludent geändert wurde. Bei einer nach dem 31.12 2001 vereinbarten Änderung eines von einem Arbeitgeber vor dem 1.01.2002 geschlossenen „Altvertrags“ kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Allein eine Vertragsänderung führt nicht notwendig dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen4.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2018 – 5 AZR 3/17

  1. vgl. BAG 26.09.2001 – 4 AZR 544/00, zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 120[]
  2. st. Rspr., vgl. nur BAG 26.08.2015 – 4 AZR 719/13, Rn. 21[]
  3. vgl. BAG 26.08.2015 – 4 AZR 719/13, Rn. 22[]
  4. vgl. BAG 21.10.2015 – 4 AZR 649/14, Rn. 33[]