Die weitergeleitete E-Mail – und die fristlose Kündigung

Liest eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen ihrer Buchhaltungsaufgaben Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto ihres Arbeitgebers hat, unbefugt eine an ihren Vorgesetzten gerichtete Email und fertigt von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie an, die sie an eine dritte Person weitergibt, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. 

Die weitergeleitete E-Mail – und die fristlose Kündigung

In dem hier vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin geklagt, die seit 23 Jahren bei einer evangelischen Kirchengemeinde als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt war. Soweit für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. In diesem Dienstcomputer nahm die Arbeitnehmerin eine E-Mail zur Kenntnis, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau hinwies. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete. Die Arbeitnehmerin gab an, sie habe die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern wollen. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos.

Erstinstanzlich hatte die Arbeitnehmerin mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Aachen Erfolg1. Das Gericht erkannte in ihrem Verhalten zwar einen an sich wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung, hielt diese jedoch aufgrund des langen und bisher unbelastet verlaufenen Arbeitsverhältnisses und mangels Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Kirchengemeinde hatte vor dem Landesarbeitsgericht Köln Erfolg. Das Landesarbeitsgericht sah das für die Aufgaben der Arbeitnehmerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an:

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In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Arbeitnehmerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Arbeitnehmerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Arbeitnehmerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Arbeitnehmerin erkennbar – ausgeschlossen.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2. November 2021 – 4 Sa 290/21

  1. ArbG Aachen, Urteil vom 22.04.2021 – 8 Ca 3432/20[]

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