Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht1.
Für das Vorliegen der für die Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub erforderlichen Arbeitspflicht ist allein die objektive Rechtslage maßgeblich2.
Danach kann dem Arbeitnehmer für einen Tag bereits deshalb nicht wirksam Urlaub gewährt werden, weil er schon aufgrund des für diesen Tag fest eingeplanten Altersfreizeittags von seiner Arbeitspflicht entbunden ist. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall ein Anspruch auf Gewährung der zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeit zu.
Nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 MTV haben – in Vollzeit beschäftigte3 – Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit nach § 2 I Nr. 1 MTV 37, 5 Stunden beträgt, Anspruch auf eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche, wenn sie das 57. Lebensjahr vollendet haben. § 2a Nr. 1 MTV begründet nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern als finanziellen Aspekt des Anspruchs auf Altersfreizeit auch einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts gemäß § 2a Nr. 5 MTV. Der Tarifvertrag verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeitspflicht „bezahlt“ sein muss. Die Gewährung bezahlter Altersfreizeit nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 5 MTV dient der Entlastung älterer Arbeitnehmer durch eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit4. Diesem Zweck folgend ist die Altersfreizeit nach § 2a Nr. 2 MTV wöchentlich zu gewähren und eine Nachgewährung nach § 2a Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 MTV ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer von ihr keinen Gebrauch macht.
Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbart werden. Vorrangig sollen Altersfreizeiten am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden (§ 2a Nr. 2 Abs. 1 MTV), wobei die Altersfreizeiten gemäß § 2a Nr. 2 Abs. 3 MTV auf den Mittwochnachmittag fallen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen. Nach § 2a Nr. 2 Abs. 2 MTV können Altersfreizeiten – wie vorliegend – aufgrund einer Vereinbarung der Betriebsparteien zu freien Tagen zusammengefasst werden, sofern dies aus Gründen des Arbeitsablaufs erforderlich ist. Nach § 2a Nr. 6 MTV entfällt die Altersfreizeit, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit, nicht arbeitet.
So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Der in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer hatte das 57. Lebensjahr vollendet und erfüllte damit die in § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 MTV geregelten Anspruchsvoraussetzungen. Durch die Betriebsvereinbarung Altersfreizeit (BV AFZ) wurde von der in § 2a Nr. 2 Abs. 2 MTV eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die wöchentlichen Altersfreizeiten zu freien Tagen zusammenzufassen. Als „anspruchsberechtigter Normalschichtler“ war dem Arbeitnehmer alle drei Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag zu gewähren. Auf dieser Grundlage wurde für ihn bereits zu Jahresbeginn der strittige Tag als zusammengefasster Altersfreizeittag festgelegt.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen5 bewirkt die Regelung in § 2a Nr. 6 MTV nicht, dass ein vor Urlaubserteilung festgelegter Tag zusammengefasster Altersfreizeiten entfällt, wenn er von Tagen mit Erholungsurlaub umschlossen ist. Die Auslegung der Tarifnorm ergibt, dass eine Verbindung von Urlaub und Altersfreizeit zulässig ist6.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2022 – 9 AZR 230/21
- st. Rspr., zB BAG 25.08.2020 – 9 AZR 612/19, Rn. 17; 9.08.2016 – 9 AZR 575/19, Rn. 11, BAGE 156, 65 mwN[↩]
- BAG 20.08.2020 – 9 AZR 612/19 – aaO; 19.02.2019 – 9 AZR 321/16, Rn. 55; 19.06.2018 – 9 AZR 615/17, Rn.20 ff., BAGE 163, 72[↩]
- vgl. zu Teilzeitbeschäftigten BAG 22.10.2019 – 9 AZR 71/19[↩]
- BAG 22.10.2019 – 9 AZR 71/19, Rn. 35[↩]
- LAG Niedersachsen 13.01.2021 – 17 Sa 957/20[↩]
- zu den Grundsätzen der Tarifauslegung vgl. BAG 1.12.2020 – 9 AZR 104/20, Rn. 24 mwN[↩]
Bildnachweis:
- Fußgängerbrücke: Dylan Leagh










